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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — 22.1887

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Der Restaurator
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https://doi.org/10.11588/diglit.4107#0187

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22. Iahrgang.

Nr. 23.

^ Aunstchronik

l886/87. ' » s7. März.

Wochenschrift für Aunst und Aunstgewerbe.

Ankündigungsblatt des verbandes der deutschen Runftgewerbevereine

herausgeber:

Larl v. Lützow und Arthur j)abst

wien Berlin, VV.

Theresianumgaffe 25. Kurfürstenstraße Z.

Lxpedition:

Leipzig: L. A. Seemann, Gartenstr. ^5. Berlin: w. Aühl, Jägerstr. 73.

^ie Kunstchronik erscheint von (vktober bis Ende Iuni wöchentlich, im Iuli, August und September nur aller ^ Tage und kostet in verbtndung
^it dem Kunstgewerbeblatt halbjährlich 6 Mark, ohne dasselbe ganzjährlich 8 Mark. — gnserate, ä 30 pf. für die dreispaltige petitzeile,
^khmen außer der verlagshandlung die Annoncenexpeditionen von Haasenstein L voglerin teipzig, wien, Berlin, München u. s. w. entgegen.

^"halt: Der Restaurator. — Line Runstausstellung in Genua. — Zwei Brunnenprojekte für wien. — Georg ^irths „Ideen über Aeichenunter.

richt und künstlerische Berufsbildung"; Geygers Kupferstich: Kaiser wilhelm in Lharlottenburg; Storm van's Gravesande's Radirungen.
— Lranz Hünten -f; tudwig v. ^ofer -f; Lrnest hillemacher -f. — Zwei Bildniffe von Hans ^olbein d. I. — Sächsischer Kunstverein
in Dresden; Bracht und Kochs Diorama im panorama zu Dresden. — Ausstellung des Münchener Kunstgewerbeoereins im Iahre ^688;
Semperdenkmal; Aus den wiener Ateliers. — Frankfurter Gemäldeauktion. — Neuigkeiten des Buch- und Kunsthandels. — Inserate.

Der Restaurator.')

/r Der Elsenbemschnitzer Jean Baudoin ist
^rzlich in einem Altcr von siebzig Jahren gestorben.
^r war sehr geschickt in seiner Kunstz und cr hat viel
äeschaffen: im Louvre, im Cluny, iu den Kabinetten
"userer großen Sammler finden sich seine Werke. — Da
viuß cr doch recht btrühmt gewesen sein? Keineswegs;
^um daß man seinen Namcn kennt. Baudoin gehörte
äu jener großen Familie der Unbekanuten, die ihr Leben
^rr Nestaurirung von Kunstgegenständen widmen. Das
l'ud unvergleichliche Künstler, von erstaunlicher Ge-
lchicklichkeit und cigentümlichem Genie. Wie Dämone
schlüpfen sie in die Haut des Meisters, entlocken ihm
lnn Geheimnis, machen schließlich, was er gemacht hätte,
Uud drücken sich dann bei Seite, verschwinden, entsagen
uhue Zögern, ohne Rückhalt; denn daß die Spur ihrer
^earbeitung sich verflüchtige, daß ihre Übermalung
Unsichtbar, unerfindlich sei, das ist es ja, was ihreu
hvchsten Erfolg ausmacht. Und nicht nur, daß die
-^achforschung nach der Urheberschaft verboten ist; dem
^ater ist es nicht einmal gestattet, seine Kinder anzu-
EAennen, selbst die nicht, die ihm die höchste Ehre ein-
^ringen. Ja im Notfatte ist er gar gehalten, sie laut
Uud offen zu verleugnen. Da wohnt z. B. in Passy

t) Wir entnehmen diese Plauderei einem jüngst bei
louam in Paris erschienensn kleinen Buche von E. Bonaffs:

xioxos <ks Valontin, das Kunstliebhaber und die es
U>erden wollen in mehr als einer Hinsicht interessiren dürfte.
^ enthält eine ganze Reihe ähnlicher kleiner Scherze, die
Uch in französischer Sprache selbstverständlich um vieles an-
U'Utiger ausnehmen als in der Übersetznng.

ein vollendeter Künstler, der von Grund aus seine
Kunst versteht; er nennt sich Alfred Andrö. Gold-
und Schmuckarbeiter, Emailleur und Faiencier in einer
Person, ist der Arme vier votte Jahrhunderte zu spät
auf die Welt gekommen. Er hat wahrhaft bewunderns-
werte Restaurationen vottführt, hat die hervorragend-
sten Denkmäler vom Untergang errettet, hat, ich weiß
nicht wie viel, verlorcne Kunstrezepte wieder entdeckt;
zwanzig Jahre lang hat er wahre Schätze vou Geist,
Talent, Feinsinn, Geschicklichkeit verausgabt, und nie-
maud weiß es; man verbietet ihm sich zu nennen,
man verurteilt ihn iu atte Ewigkeit, anonyme Meister-
werke zu schaffen. O schmerzlichstes Entsagen eines
stolzen, selbstbewußten Künstlers, der nie seinen
Triumph kosten darf, der kein Recht hat, sein Werk
zu bezeichnen und in atte Welt zu rufen: Lls, ms, aä-
surn <zui booi! — Es giebt Leute, welche Kunstgegen-
stände nur lieben, wenn sie recht brüchig, verraucht
und verdorben sind, wenn der Jahrhunderte Ab-
lagerungen, der Staub und Rost sie bedecken. Sic
wotten das Kunstwerk mit all dem zufälligeu Schmutz
der ihm anhaftet, sous orasso, wie ihre Redensart
lautet; nur so vermögen sie seine Frische uud Jung-
fräulichkeit zu verstehen. Sie schwärmen für den Fleckeu,
sie laben sich am Staube und verehren den Rost.
Jhnen zu sagen, daß diese schmutzigen Zuthaten ent-
ehrend sind, daß man gewiffe Fehler leicht zu verbessern
vermag, daß verständnisvoll vorgenommene Reinigungen
das Original befreien, ihm eine zweite Jugend ver-
leihen — das wäre vergeblich; sie werden nicht darauf
hören. Wehe, wenn du zaghaft darum bittest, das Werk
leicht abzustäuben! Unsinniger! Der antike Staub ist
 
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