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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — 22.1887

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Die Jahresausstellung im Wiener Künstlerhause, [2]
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Die Jahresausstellung im Wiener Künstlerhause.

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und einfacher geschildcrt dcnken. Dabei bewährt Werner
in Ler typischen Charakteristik der beiden Nationen und
ihrer Soldatenfiguren seine volle, inmilten ungeheurer
Zeitläuste errungene Meisterschaft. Das Bild zählt
unstreitig zu den hvchsten Zierden der Ausstellung.

Über drastischere Mittel in Erfindung und Mal-
weise verfügt der Jtaliener G. Chierici, von dem
drei ergötzliche Bilder ausgestellt sind. Das größte
und vorzüglichste derselben: „Wie wird das enden?"
muß auch dem griesgrämigsten Melancholiker ein Lächeln
entlockeu. Eine Gruppe vvn Kindern sieht sich plötz-
lich zwei Katzen gegeuüber, die durch die Thür in das
Zimmer geschlichen sind und die beim Spiel mit kleinen
Vvgeln unterbrochenen Knaben beutegierig anglotzen.
Der am Boden sitzende Jüngste bricht darüber in ein
ungeheures Brüllen aus, die Größeren suchen sich an
Mut zu überbieten, um mit allerhand drolligen Ge-
berden die Störenfriede wieder aus der THUr heraus-
zubringen. Die beiden andern Bilder schildern ähn-
liche Scenen aus dem Kinderleben, „Die erste Probe"
das Debut eines kleinen Rauchers, gleichfalls mit
schlagender Komik und in wirkungsvoller, farbiger
Malerei. Vor einigen allzu häufig wiederkehrendeu
Kraftmitteln, wie dem starken Zungenausrecken der
Kinder u. dergl., wird sich der Künstler zu hüten haben;
der empfindlichere Geschmack läßt sie sich höchstens ein-
mal gefallen

Exotische Stoffe behandeln Rud. Ottenfeld,
T. Ethofer, Ch. Wilda und I. v. Berres, der
seinen Namen auch exotisch Perez schreibt und in zwei
sigurenreichen, lebendig und breit behandelten Bildern
eine wahrhaft südliche Glut der Farbe entwickelt. Et-
hofer schildert uns ein „Cafö von Sevilla", Wilda
eine „Straße in Kairo", Ottenfeld die „Dschigitowska",
das Reiterspiel der Kosacken: alle mit scharsem Auge
für das Charakteristische der fremdartigen Welt in Rasse,
Kostiim und Sitte, Ottenseld überdies mit feinem Sinu
für die lebendige, dem Moment abgewonnene malerische
Erscheinung. — Auch der Münchener M. Todt und
die Wiener C. Probst, L. Minnigerode u. A. sind
mit reizenden Bildchen vertreten, welche das anspre-
chende, wenn nuch bisweilen etwas äußerliche Wesen
der spezifisch modernen, für den Schmuck des Boudoirs
arbeitenden Geuremalerei iu bewährter Trefflichkeit re-
präsentiren.

Den größten Erfolg der Wiener Schule hat jedoch
dieses Jahr kein Figurenmaler, sondern wieder ein Land-
schafter davongetragen, nämlich Robert Ruß mit seinem
„Vorsrühling, Motiv aus der Penzinger Au", einem
Bilde, das in jedem Betracht zu den ersten Meisterwerken
seiner Gattung zu rechnen ist. Wir kennen ja diesen
gediegenen und ernsten Künstler seit Jahren als einen
der begabtesten Schüler A. Zimmermanns, unter dessen

Nachfolge er mit Jettel und Schindler besonders durch
strenge Zeichnung und virtuvse, kraftvoll farbige
Malerei wiederholt um die Palmc rang. Sein neuestes
Bild, schon in der Wahl des Motivs ein ungemein
glücklicher Griff, zeigt uns die besten seiner Eigen-
schaften, die gewissenhafte Zeichnung, Len sicheren
und flotten Vortrag, im Verein mit einem Zauber
des Tones und der Stimmung, wie ihn Nuß in keinem
seiner früheren Bilder erreichte. Es ist ein Übergangs-
moment in der Jahres- wie in der Tageszeit, dcn der
Maler uns fchildert, und als solcher vornehmlich ge-
eignet sür den Ausdruck ahnungsvollen Webens und
Verschwimmens zarter Töne, duftiger Farben. Der
lichte Wald der Penzinger Au (unweit von Wien) hat
das Grau des Winters noch nicht abgelegt. Nur hin
und wieder zeigt sich ein Knöspchen, mit dem Ansatz
von bescheidenem Grün. Zu den lichten Birkenstämmen
gesellt sich niedriges Gesträuch, darunter ein blühender
Zweig vvn Daphne Mezereum, der erste rosige Früh-
lingsbote. Der Tag geht eben zur Neige, im Hinter-
grunde steigt der Mond empor, die Gaslichter flammen
auf, und in der durchsichtigen Trllbe, welche den Mittcl-
grund erfüllt, sehen wir einzelne Figurengruppen des
Weges ziehen. Nach oben hin lichtet sich der Hinimel
und die tausend und abertausend Aste und Zweige der
Bäume strecken ihre zarten Ärmchen in den Äther empor,
nach neuem Werden und Blühen verlangend. Es ist
erstaunlich, mit welcheni unsäglichen Fleiß und doch
scheinbar mllhelos dieses Geäst in allen seinen zahl-
losen Verzweigungen und Ausläusern behandelt ist.
Und noch erstaunlicher, daß dadurch keineswegs der
verwirrende Eindruck allzu minutiöser Detailmalerei
hervorgerufeu wird, sondern die Fülle der Einzelheiten
durchaus der einheitlichen Stinimung des Ganzen
untergeordnet bleibt. Ein gleich schwieriges Problem
ist selten von einem Landschaster in so vollendeter Weise
gelöst worden.

Auch die drei anderen Hauptvertreter der Wiener
Landschaftsmalerei, Lichtenfels, Schindler und
Darnaut sind mit gediegenen Leistungen erschienen,
der letztere vornehmlich mit einem großen „Eichenwald
an der Ostsee" von streng nordischem Ernst in Zeich-
nung und Malerei, und mehreren reizenden kleineren
Bildern, unter denen das „Waldbild" in goldiger
Abendstimmung den Preis verdient. Ungemein inter-
estant und reich in der Terrainbildung, sowie von voll-
endeter Kunst in der Führung des Lichts ist die „Partie
bei Gmllnd in Niederösterreich" von Lichtenfels. Von
den übrigen einheimischen Landschastern seien noch Karl
Brioschi d. Ä. — der cinige hübsche kleine Bildchen
ausgestellt hat, viel farbiger als des jüngeren Brioschi
matter grauer Klostergarten, — serner der talentvolle
Ed. Zetsche, E. v. Ransonnet. Tina Blau, Dit-
 
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