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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — 22.1887

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Die Jahresausstellung im Wiener Künstlerhause, [3]
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531

Die Jahresausstellung im Wiener Künstlerhause.

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Weidengebüsch, am Ufer drüben den Hirtenknaben. Huber
will kein Grandville sein, er giebt die Tiernatur in
ihrer schlichten Realität. Aber er ist ein gediegener
Kenner seines Fachs und ein markiger, geschmackvoller
Kolorist.

Wir tragen hier zunächst einige Bilder verschiedener
Gattung nach, welche in den beiden ersten Berichten
keine Stelle gefunden haben: so die zarte dekorative
Darstellung der „Poesie" von A. Hynais in Paris,
dem begabten Schüler A. Feuerbachs; ferner das fein
empfundene, leider aber etwas allzu farbenmatte Bild
von Matthias Schmid: „Auf der Wallfahrt", das uns
einen kräftigen Sohn der Berge vorführt, der in seinem
Rückenkorb ein krankes junges Weib zum Gnadenorte
trägt; dann Fritz Paulsens fesselndes Porträt des Vr.
Jul. Stinde, ein kleines Meisterstück der Feinmalerei von
glücklicher Charakteristik; ferner die stets gern gesehenen
Stillleben von Camilla nnd HedwigFriedländer und
die Gruppe japanischer Kleinkunstwerke und Gefäße von
Max Schödl; dann das poesievolle, in weichen me-
lodischen Tönen ausklingende Landschäftchen von Geza
Meszöly; endlich die Reihe der Aquarelle des phan-
tasievollen Hans Schwaiger, vornehmlich die siguren-
reiche Komposition: „Die Wiedertäufer in Münster".
Wir staunen über die Gestaltenfülle, den Erfindungs-
überfluß, die Mannigfaltigkeit der Charakteristik und
des kostümgeschichtlichen Apparats; aber das Ganze ist
doch eine Bizarrerie, wie Schwaigers Märchen mehr
phantastifche Schnurren als wirkliche Nachschöpfungen
der Gebilde Les Volksgeistes sind.

Bon den Stichen und Radirungen sei ein meister-
haster Studienkopf des trefflichen Stauffer-Bern,
(in Berlin) von Gaillardscher Geistesart und Be-
handlung hervorgehoben, von den Zeickmungen eine
Anzahl vorzüglicher Sepiablätter von Prof. Georg
Niemann für das archäologische Werk über Pam-
phylien, welches Graf Karl Lanckoronski vorbereitet.
Die Blätter bieten Aufnahmen des Theaters von As-
pendos, der Basilika und des Hadriansbogens in Adalia
u. a. von ebenfo großer Genauigkeit wie malerischer
Kraft; sie sollen, heliographisch reproduzirt werden und
erfüllen alle an derartige Publikationen zu stellenden
Bedingungen aufs Gediegenste.

Unter den Wiener Bildhauern hat Prof. Rud.
Weyr dieses Jahr den Preis davongetragen, mit zweien
seiner schönen Marmorreliefs für die Exedra des Wiener
Grillparzer-Denkmals, das hoffentlich bald den Volks-
garten zieren wird. Es sind Scenen aus zwei Haupt-
werken des Dichters: „Der Traum ein Leben" und
„Sappho", welcher letzteren der Künstler eine unver-
kennbare Ähnlichkeit mit Frau Wolter verliehen hat,
Ler berühmten Heroine Les Burgtheaters, welche eben
Las fünfundzwanzigjährige Jubiläum ihrer Bühnen-

wirksamkeit mit der Darstellung dieser ihrer Glanzrolle
seierte. Die Reliefs sind malcrisch komponirt, in der
Weise der Wiener Schule des vorigen Jahrhunderts,
mit landschaftlichen Hintergründen und den stets ge-
fährlichen plastischen Wolkenbildungen, welche hier als
Darstellungsmittel der Traumerscheinung sunktioniren.
Die Frage ist immer, wie sich Ler Bildhauer ans dieser
gewagten Situation herausgefunden hat. Man muß
im vorliegenden Falle sagen: mit großem Geschick und
jenem sein gebildetcn Schvnheitssinn, welcher die Werke
des hochbegabten Künstlers auszeichnet. — Zwischen
Weyrs Reliefbildwerken steht Prof. Zumbuschs für
das Treppenhaus der Wiener Universität bestimmtc
Marmorstatue Sr. Maj. des Kaisers Franz Josef I.,
die schon im Gipsmodell vor Jahren vollendet ward:
ein würdiger Schmuck der pompösen Sticgcnhallc
Ferstels, von tadellos vollendetcr Marmortechnik. —
An der Wand gegenüber sind zwei in Laaser Marmor
ausgeführte Statuen von Joh. Benk aufgestellt, dic
„Weisheit" und die „Schönheit", Welche das Treppen-
haus des neuen Burgtheaters zieren sollen. Die eine
klingt an dcn Athenatypus, die andere an dcn der
Venus an, doch in freier, moderner Ausfassung. Die
Formen der „Weisheit" sind überschlank; sehr gefällig
und schön bewegt ist die Gestalt der „Schönheit". —-
Unter den übrigen plastischen Wcrken desselben Saales
fällt Michael Locks (Berlin) lebensvolle Gruppe des
„Dädalus nnd Jcarus" wohlthuend in die Augen.
Das Übrige ist, von Myslbecks „Hcil. Joses" abge-
sehen, dekoratives oder akademisches Mittelgnt.

Jn den übrigen Sälen bilden die reizvollen
Tilgnerschen Büsten und Köpfe mit ihrer geistreichen
Behandlung und ihreni polychromen Reiz die plastischen
Hauptanziehungspunkte. Diemit dem Namen „Alexan-
drine" versehene Mädchenbüste bezeichnet nach der Seite
des Anmutigen und Zarten hin so ziemlich den Höhe-
punkt dessen, was Tilgner geleistet hat. Nicht minder
bedeutend in lebenswahrer Charakteristik ist der als
Herme behandelte Bronzekopf Prof. Leop. Müllers.
— Ein schönes Grabrelief hat Alois Düll ausgcstellt;
in trefflichen Holzbildwerken bewährt Herm. Klotz von
Neuem seine Tüchtigkeit; Steph. Schwarz bringt u. a.
eine wohlgelungene Büste Eitelbergers; in verschiedenen
Gattungen der Kleinplastik excelliren Pendl, Rat-
hausky, Brandstätter, der Tierbildner Otto Jarl
und der in seinen polychromen Statuetten fremdländi-
scher Volkstypen stets gern gesehene Arthur Str asser.

Zu dieser mannigfaltig und reich besetzten Tafel
hätte man einen lebhafteren Zudrang des Publikums
erwarten sollen, als er sich thatsächlich eingestellt hat.
Vollends die Kauflust war wiederum eine auffalleiid
flaue. Es ist dringend zu wünschen, daß in dieser
Hinsicht bald eine Wendung zum Besseren eintrete, wenu
 
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