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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — 22.1887

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Frizzoni, Gustavo: Die Ausstellung der Konkurrenzprojekte für die Fassade des Mailänder Domes
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Verschiedenes / Inserate
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https://doi.org/10.11588/diglit.4107#0284

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Die Ausstellung der Konkurrenzprojekte sür die Fassade des Mailänder Domes.

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ernste und besonnene Vorschläge faklen in diese Kate-
gorie, welche gewiß die besondere Aufmerksamkeit der
Jury auf sich lenken werden. Es handelt sich dabei nicht
uur um rationelle Angaben für neue Thüren und
Fenster, sondern auch um eine richtigere Einteilung
und Vereinfachung der Strebepfeiler der Faffade. Die
Breiten- und Höhenverhältnisse der Faffade und ihr
organischer Zusammenhang mit dem Körper der Kirche
überhaupt kommen dabei in Betracht. Eine besonders
wichtige Frage ist die, wie man der entschieden ge-
drückten Hauptform der Faffade abhelfen könne. Es
sind als Hülfsmittel teilweise konstruktive, teilweise rein
ornamentale Erhöhungen ersonnen worden, von anderer
Seite ward wieder eine Accentuirung, ja sogar eine
Vorstreckung der drei mittleren Teile geplant, wobei bis
zur Unterdrückung der Eingangsthüren zu den zwei
äußersten Schiffen vorgegangen wurde.

Sehr mannigfaltig gestalten sich die Projekte der
Neuerer. Der Grundgedanke, der sie vereinigt, ist
der, daß dem Übelstande der gedrückten Verhältniffe der
Fassade auf keine andereWeise entgegengearbeitet werden
könne, als indem man den Bau mit einem oder
mehreren Türmen ausstatte. Auch hierbei kam das
Bescheidenste und das Kllhnste zu Tage, je nachdem
die Türme nur sozusagen angedeutet werden oder
himmelhoch in die Wolken streben. Gar viele Ver-
suche finden sich, welche an und für sich fein und ge-
diegen studirt und ausgeführt sind, aber schließlich kaum
eine praktische Bedeutung haben dürften. Dies ist
ganz besonders der Fall bei solchen Projekten, die
nichts Geringeres anstreben, als den Mailänder Dom
vollständig umzubauen, um ihn etwa dem Straßburger
Münster, der Kathedrale von Rheims oder der Notre
Dame in Paris, ja sogar dem Freiburger MUnster
ähnlich zu machen.

Die Zuthat von Türmen überhaupt hätte beim
Mailänder Dom etwas sehr Bedenkliches, da durch
sie die Wirkung der großen, Uber der Kuppel empor-
steigenden Fiale (FUZIIa), die ja den hervorragendsten
Teil der Kirche bilden soll, mehr oder weniger beein-
trächtigt werden würde, abgesehen von den beträcht-
lichen Kosten, die sie verursachen würde.

Ein anderes Element, welches im Einklang mit
dem Charakter der Kirche behandelt werden muß, ist
die Gestaltung der Portale und der darüber anzu-
bringenden Fenster, namentlich des mittleren, dem eine
bedeutende Größe gebührt, damit es der Erhabenheit
des Ganzen entspreche. Da das ganze Äußere des
Domes keineswegs mit der streng und stilgemäß
durchgeführten Erscheinung nordischer Kirchen zu iden-
tifiziren ist, wird die Lvsung dieser Aufgabe sehr
schwierig und bleibt der genialen Einsicht des Archi-
tekten anheimgestellt. Vergleicht man z. B. diese Be-

standteile am Mailänder Dome mit ähnlichen an
dem von Florenz, so tritt sosort der Unterschied klar
hervor.

Am Florentiner Dom haben die Seitenportale
wenigstens der Hauptrichtung nach maßgebende An-
haltspunkte für die an der Hauptfaffade neu zu schaffen-
den Portale geliefert, dort fehlten serner auch die Mo-
tive für die Anordnung eines stattlichen, mittleren
Rundfensters nicht; auch andere toskanischen Kirchen
boten solche dar; für Mailand fehlen derartige Ana-
logien gänzlich.

Auch für diesen Punkt sinden sich in der Aus-
stellung mannigfaltige Vorschläge, teils nüchterne, teils
reich dekorative.

Was endlich die obere Hauptöffnung anbelangt,
so kann damit jedenfalls ein entschiedener Vorteil sür
einen wohlthuenden Gesamteindruck der neuen Faffade
gewonnen werden, sei es daß die Einführung eines
ausgeprägten Spitzbogenfensters, in der Art der mäch-
tigen Fenster der Apsis, sei es daß ein edles Rund-
fenster acceptirt wird, wie solche ja in den alten lom-
bardischen Kirchen oft vorkommen.

Alles in allem genommen dürfte anerkannt werden,
daß die gebildetsten und begabtesten der einheimischcn
Architekten der besriedigenden Lösung des Problenis
am nächsten gekommen sind, und zwar aus keiner
anderen Ursache, als weil sie sich von Ansang an in
der günstigen Lage befanden, mit dem eigentümlichen
Gepräge des Gebäudes innig vertraut zu sein.

Wie dem auch sei, wir wollen uns der Hoffnung
hingeben, daß, nachdem die erste Wahl der zehn bis
fünfzehn Bevorzugten getroffen sein wird, unter den
Erwählten der Meister sich sinden möge, welcher
schließlich sich als der bernfene Mann für die Aus-
führung des großartigen Vorhabens bewährt!

Mailand, d. 27. Mai 1887.

Gustav Frizzmn.

Aorrespondenz.

Düsseldorf, im Mai 1887.

Noch kurz vor Eröffnung der jährlichen Aus-
stellung des Rheinisch-Westfälischen Kunstvereins haben
die permanenten Ausstellungen eine Reihe interessanter'
zum Teil ganz hervorragender Werke von der Hand
hiesiger Künstler gebracht. Den ersten Platz nimmt
unbedingt die Episode aus der Schlacht von Vionville
(Mars la Tour) ein, welche Theodor Rocholl im
Austrage der Verbindung fllr historische Kunst soeben
vollendet und in der Kunsthalle dem Publikum vor-
geführt hat. Es galt die Darstellung jenes als „Todes-
ritt" zu geschichtlichem Weltruhm gelangten Reiter-
angriffs, in dem die 16. Ulanen unter Major von der
 
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