Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Hinweis: Ihre bisherige Sitzung ist abgelaufen. Sie arbeiten in einer neuen Sitzung weiter.
Metadaten

Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — 22.1887

DOI Artikel:
Korrespondenz Düsseldorf, [2]
DOI Artikel:
Köhler, Reinhold: Erklärung zweier Bilder Bartolomeo Montagna's
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.4107#0334

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
663

Erklärung zweier Bilder Bartolomeo Montagna's.

664

Erstlingsarbeit, wird in Berlin dnrch harmonische
Färbung in tiefer Lage und durch die Eleganz der
Haltung sicher die Beachtung auf sich ziehen. —
E. Schwabe hat den wohlverdienten Borzug, ein ver-
kauftes Bild nach Berlin zu schicken. Seine Politiker
im Weinhaus, ein Geistlicher, ein Rechtsanwalt und,
waltet keine Täuschung ob, der Landrat, erfüllen vollauf
die Erwartung, die man von dem Künstler als Cha-
rakteristiker gehegt hat. Schwabe stellt sich mit diesem
Werk in die vordere Reihe. Auch Bennewitz von
Loefen hat mit seinen „Nachbarn" einen kräftigen
Schritt vorwärts gethan. Ein Danziger Straßenmotiv,
mit der ihm eigenen technischcn Sicherheit und ge-
schmackvollen Behandlung veranschaulicht, wird belebt
durch eincn alten Diener im Rococokostüm, der anf
dem „Wolm" stehend durch den Gruß einer schmucken
jungen Köchin von seinen Tauben abgelenkt wird.
Sie kehrt vom Markte heim und erweckt den neidischen
Groll zweier alter Weiber, die sich im Hintergrunde
an die Mauer drücken.

Emil Pütz, ein Schüler von Peter Janssen, de-
bütirt niit einem Genrebilde im Kostüm deutscher Re-
naissance. Der Künstler hat das Bild „Der Thu-
nichtgut" genannt, jedenfalls ein geschmackvollerer Titel
als der untergeschobene: „Das bestrafte Ständchen".
Ein Jüngling im Verhör vor einem Alten und drei
Frauen, welchen man das Bedauern ansieht, über die
Zeit der Ständchen längst hinaus zu sein. Ein Zu-
viel in Farbe nnd Charakteristik beeinträchtigen den
Eindruck des Bildes, das an guten Qualitäten rcich
genannt werden darf. Nur noch ein wenig Abklärung,
und volles Gelingen ist zu verbürgen.

Man sieht, es waltet an der Akademie ein frisches
Leben, und Einseitigkeit steht nicht mehr zu fürchten.
Jch denke, die monumentale Strömung, welche mit
Gewalt hereinbrechen wollte, ist glücklich abgedämmt
und allgemeines Behagen erfüllt auch die Förderer
jener künstlich unnatürlichen Jdee.

Zwei Stillleben, Pfingstrosen, von Volkhardt
Uberraschten und entzückten zugleich. Da reicht keiner
von den Professionsmalern auch nur entfernt heran.

Heute sei nur noch Oeders gedacht, der in der
Reihe gleichartig empfundener Landschaften, welche scine
interessante Künstlerlaufbahn in den letzten zwei Jahren
charakterisiren, bei Schulte eine ganz besvnders schöne
ausgestellt hat, ein simples Motiv aus dcr Umgegend
von Blankenberghe. Ein solches Bild ist ein Genuß
für jeden Feinschmecker. Eine Folge davon macht un-
ruhig. Ein vorher festgestellter Ton, der weniger der
Natur als der künstlich gewerblichen Farbenwelt, frei-
lich mit unnachahmlichem Geschmack, entnommen ist,
läßt die dem Künstler in seinen früheren Arbeiten
eigene Naivetät nicht mehr zu Wort kommen. Bei

der großen Verehrung sür ihn, darf ich ihm wohl zu-
rufen: Ein Berjüngungsbad in dcr Natur, und das
Auge wird gesunden! o Q

Lrklärung zweier Bilder Bartolomeo Montagna's.
von Reinhold Köhler.

Jn der „Kunstchronik" vom 10. Mai vorigen
Jahres (Sp. 590 ff.) beschreibt Gustav Frizzoni zwei
an der Fronte eines Cassone eingelegte medaillonartige
Rundbilder Bartolomeo Montagna's im Museum
Poldi Pezzoli zu Mailand solgendermaßen:

„Jhre nicht ganz bestimmt zu crklärenden Dar-
stellungen beziehen sich augenscheinlich auf phantastische
Heiratsgedanken. Jn dem einen, rechter Hand, be-
merkt man einige lebendig und ausdrucksvoll be-
wegle Figuren auf einer perspektivisch behandelten
Straße. Die Hauptperson ist jedenfalls eine schlanke,
behend vorschreitende junge Frau, die eine Gabe dar-
zubringen scheint, welche man nicht genau unterscheiden
kann: es sieht aus, als wäre es eine von kleinen
Wellen bewegte Wassermasse anf einem großen Teller,
den sie mit beiden Händen vorhält. — Jn dem andern
Rundbilde ist ein junges Paar dargestellt, ebenfalls
in wirksamer perspektivischer Umgebung, im Hinter-
grunde bergige Landschaft; das Paar macht sich mit
feicrlichem Ernste seine Erklärungen. Dies erhellt denn
auch zweifellos aus der daneben stehenden lateinischen
Jnschrift, die aus dem Munde des spröden Frauen-
zimmers hervorgegangen gedacht werden muß, und
deren Wortlaut folgender ist: äixisssm tidi, nisi
pu.tg.886m vMnidu8 virio 08 olors."

Der italienische Gelehrte irrt sich, wenn er an-
nimmt, daß die Darstellungen nicht ganz bestimmt zu
erklären seien und sich augenscheinlich auf phantastische
Heiratsgedanken bezögen. Die Bilder laffen sich viel-
mehr ganz bestimmt erklären als Darstellungen zweier
aus dem römischen Altertum überlieferter Beispiele
weiblicher Kcuschheit. Das Bild rechter Hand nämlich
stellt die besonders aus der Erzählung des Valerius
Maximus') bekannte Vestalin Tuccia dar, wie sie,
um die Beschuldigung der Unkeuschheit zu widerlegen,
in einem Sieb aus der Tiber geschöpftes Wasser nach
dem Vestatempel trägt. Was Frizzoni für einen großen
Teller angesehen hat, ist das Sieb. Wie ich aus
Gottfried Kinkels schöner Abhandlung „Anfänge welt-
licher Malerei in Jtalien auf Möbeln" in seiner
„Mvsaik zur Künstgeschichte", Berlin 1876, S. 388 ff.,
sehe, findet sich die Geschichte der Tuccia auch auf

l) Oiotorum tÄetorumgus Momoiabilium lid. VIII, 1,
5. Vgl. auch Diou^sius Dalies.ru., Vutiguitates rom. II, 69;
kliuius, Distoris, uatur. XXVIII, A 12; XuAustiuus, Ds
Oivitate voi X, 16.
 
Annotationen