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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 16.1905

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Frizzoni, Gustavo: Sandford Arthur Strong und sein Werk über die Handzeichnungen des Herzogs von Devonshire
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KUNSTCHRONIK

WOCHENSCHRIFT FÜR KUNST UND KUNSTGEWERBE

Verlag von E. A. SEEMANN in Leipzig, Querstr. 13

Neue Folge. XVI. Jahrgang 1904/1905 Nr. 1. 14. Oktober

Die Kunstchronik erscheint als Beiblatt zur »Zeitschrift für bildende Künste und zum »Kunstgewerbeblatt« monatlich dreimal, in den Sommer-
monaten Juli bis September monatlich einmal. Der Jahrgang kostet 8 Mark und umfaßt 33 Nummern. Die Abonnenten der »Zeitschrift für bildende
Kunst« erhalten die Kunstchronik kostenfrei. — Für Zeichnungen, Manuskripte etc., die unverlangt eingesandt werden, leisten Redaktion und Ver-
lagshandlung keine Oewähr. Alle Briefschaften und Sendungen sind zu richten an E. A. Seemann, Leipzig, Querstraße 13. Anzeigen 30 Pf. für
die dreispaltige Petitzeile, nehmen außer der Verlagshandlung die Annoncenexpeditionen von Haasenstein 8t Vogler, Rud. Mosse u. s. w. an.

SANDFORD ARTHUR STRONG UND SEIN WERK
ÜBER DIE HANDZEICHNUNGEN DES HERZOGS
VON DEVONSHIRE i)

Da der englische Gelehrte, von dem die Rede ist,
auch mit deutschen Kollegen in Beziehung gestanden,
so mag es nicht überflüssig sein, ihn, in Betracht
seiner Verdienste im Gebiete der Wissenschaft und
der Kunst, unseren Lesern wenigstens mit einigen
Worten hier bekannt zu machen. Sein im vergange-
nen Januar erfolgter Tod ist in den Kreisen der ge-
bildeten Gesellschaft allgemein bedauert worden. Die
von ihm hinterlassene Lücke wird um so mehr em-
pfunden, weil man das Bewußtsein hatte, daß er durch
seine unermüdlichen Bestrebungen noch gar vieles hätte
leisten können, wäre er nicht im frischen Alter von
vierzig Jahren seiner humanistischen Wirksamkeit ent-
rissen worden.

Schon als Student in der Universität Cambridge
entwickelte er sich in der Erlernung des Sanskrit und
anderer orientalischer Sprachen. Bereits 1885 siedelte
er als Bibliothekar nach Oxford über und kam daselbst
mit Max Müller in Berührung. Auf Neubauers Ver-
anlassung ging er später nach Paris, wo er sich Ernst
Renan in freundschaftlichem Verkehr anschloß und
seinen orientalischen Literaturstudien weiter hingab.

Seine geistige Begabung war eher die des Kritikers
als des Linguisten; und das, was ihn speziell kenn-
zeichnete, seine gesunde und schlichte Urteilsfähigkeit.

Seit zehn Jahren war er vom Herzog von Devonshire
zum Bibliothekar in seinem berühmten Wohnsitz zu
Chatsworth berufen und fast gleichzeitig zum Professor
des Arabischen in der Londoner Universität ernannt
worden.

Mit Kunststudien hatte er sich übrigens von früh
auf auch beschäftigt und sich demgemäß befähigt,
die Kunstschätze des genannten Herzogs in eigenen
Werken zu illustrieren, nämlich zuerst die Sammlung
der Gemälde, hernach diejenige der Handzeichnungen,
die wir eben hier in Betracht zu nehmen vorhaben.

Im Jahre 1897 verheiratete er sich mit Fräulein
Eugenie Seilers, einer bekanntlich im Gebiete der

1) Reproductions of drawings by old maslers in the
collection of his Grace the Duke of Devonshire at Chatsworth.
Edition limited to eighty copies. Duckworth & Co. 3 Hen-
riette Street, Covent Garden, London W. C.

griechischen Archäologie wohlbewanderten Gelehrten.
Schließlich wurde er im selben Jahre zum Bibliothekar
des Hauses der Lords ernannt. Als leidenschaftlicher
Politiker und Historiker veröffentlichte er gar manche
Schrift über Geschichtliches. Durch Überarbeitung
jedoch wurde mittlerweile seine Gesundheit arg zer-
rüttet und unterlag er den Folgen einer unüberwind-
lichen Blutarmut, so daß er verschiedene Arbeiten un-
vollendet zurücklassen mußte.

In dem von der Royal Asiatic Society ihm ge-
widmeten Nekrolog, welchem wir diese Angaben ent-
nommen, liegt eine lange bibliographische Liste seiner
Originalbeiträge vor, die sich auf orientalische Studien
beziehen. — Dem Schreiber dieser Zeilen, welchem das
Glück beschieden worden, den ernst gesinnten, recht-
schaffenen Mann persönlich kennen und schätzen zu
lernen, möge es hiermit gegönnt sein, etwas dazu
beizutragen, um sein Andenken unter den deutschen
Kunstbeflissenen wach zu erhalten.

* *

Kritische Bemerkungen über Handzeichnungen hat
Professor Strong zuerst bei einer Auswahl aus der
Sammlung Pembrooke zu Wilton House veröffentlicht,
worin gar manche wertvolle Stücke geschildert werden.
Noch bedeutender aber ist das die Sammlung De-
vonshire betreffende Werk, ein siebzig Faksimileblätter
mit erläuterndem Text enthaltender Prachtband. Zwar
war diese Kollektion bereits durch eine Anzahl Auf-
nahmen der Firma Braun bekannt und von Crowe
und Cavalcaselle, vornehmlich aber von Morelli unter-
sucht worden; die neuerdings getroffene Wahl jedoch
bezieht sich auch auf eine beträchtliche Zahl bisher
unbekannter oder unbeschriebener Exemplare von
künstlerischem sowohl als geschichtlichem Wert.

Von deutschen Meistern kommen nur sechs Blätter
vor, das heißt zwei echte Federzeichnungen Albrecht
Dürers (ein schönes männliches Bildnis, datiert
MDXVIII und eine heilige Familie), drei von Hans
Holbein d. j., von denen das eine die Könige Hein-
rich VII. und Heinrich VIII. in reicher Kleidung dar-
stellt, leider etwas verdorben, ein anderes ein herrliches
männliches Antlitz eines Unbekannten schildernd, ein
drittes seine Meisterschaft in Vorbildern von Arbeiten
für die Goldschmiedekunst bezeugend. Von Hans
Baidung Grien ein untrügliches Studium zu Adam
und Eva.
 
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