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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 16.1905

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Die Ausstellung italienisch-byzantinischer Kunst in Grottaferrata bei Rom
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Ostwalds Untersuchungen über Maltechnik
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https://doi.org/10.11588/diglit.5901#0211

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Ostwalds Untersuchungen über Maltechnik

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leider keinen wirklichen einheitlichen Zug aufweist.
Die Ordner scheinen nur darauf bedacht gewesen zu
sein, alles irgend Erreichbare in den byzantinischen,
oder wie es offiziell hieß, italienisch-byzantinischen
Rahmen zusammenzudrängen, so daß man oft staunt
über die Unbefangenheit, mit welcher altchristliche,
rein römische und karolingische Sachen herangezogen
sind, wie z. B. die wunderschöne afrikanische Capsella
argentea mit der Hirschdarstellung aus dem 6. Jahr-
hundert und die Photographien nach der Bibel Karls
des Dicken aus der Bibliothek der Benediktiner von
San Paolo fuori le mura, in welcher Ingobertas, der
Miniator, das Bewußtsein seiner eigenen nationalen
Kunst so stark hat, daß er sich den auswärtigen
Künstlern nicht nur tenore mentis gleichstehend fühlt,
sondern auch sie zu überflügeln glaubt. Neben diesen
Aufnahmen sind dann die der Mosaiken von Santa
Costanza zu sehen. Die Zusammenstellung ist wohl
kühn, aber sie ist eigentlich typisch für diese Ausstellung.
Anziehend ist die reichhaltige Serie kleiner byzantini-
scher Tafeln vom Museo cristiano des Vatikans und
aus dem Besitz des Commendatore Sterbini, die einen
interessanten Einblick in die Kleinmalerei aus ungefähr
sechs Jahrhunderten gestattet. Wohl müßte aber auch
hier mancher Autorname mit weniger Kühnheit aus-
gesprochen sein, wie z. B. der Cimabues unter einem
kleinen Diptychon, auf welchem ein von Giotto be-
einflußter umbrischer Maler des 14. Jahrhunderts in
lebhaft dramatischer Weise die Kreuzigung und die
Stigmatisation des hl. Franz dargestellt hat.

Unter den Miniaturen ist die Perle der Purpur-
kodex aus Rossano, in dem man mehr als ein byzan-
tinisches Werk ein Dokument des Weiterlebens kräf-
tiger christlicher Kunst sehen muß, wenn auch nicht
frei von fremden Einflüssen. Neben diesem Kodex
sind wohl das wertvollste, was an Miniaturen aus-
gestellt worden ist, die drei Exultet aus Gaeta.

An Kostbarem reicher ist die Sektion der Ge-
webe und Stickereien, wo neben der Altarverkleidung
aus Castel Arquato, welche wohl das wunderbarste
Beispiel dieser Kunst aus dem 11. Jahrhundert ist,
und dem Omophorion von Grottaferrata, aus dem
10. Jahrhundert, das vatikanische christliche Museum
eine ganze Sammlung koptischer Stoffe aus dem 4.
und 5. Jahrhundert ausgestellt hat.

Zwischen den Elfenbeinskulpturen findet man auch
einiges aus der vatikanischen Sammlung, wie die
Capsella aus dem 6. Jahrhundert und vieles aus dem
Museo civico aus Bologna, wie das Consulardiptychon
aus dem 5., die Capsella mit Abrahams Opfer aus
dem 5. Jahrhundert, Moses der die Priester kleidet,
der hl. Markus usw. Gipsabdrücke vom Diptychon
der Kathedrale von Aosta und der Lypsanothek von
Brescia sind auch mit ausgestellt.

Der Vatikan hat das Beste zur Abteilung der
Goldschmiedearbeiten beigesteuert mit den vielen
Limosineremaillen, aus dem 12. Jahrhundert und der
Sammlung von Encolpien, die vom 6. bis zum 12.
reichen. Aus Cosenza ist das herrliche goldene
emaillierte Kreuz gekommen, aus Nonantola und
Modena schöne silberne Einbanddecken aus dem 11.

und 12. Jahrhundert. Die Mönche von Grottaferrata
haben es sich nicht nehmen lassen, auch die Erzeug-
nisse ihrer jetzigen paläographischen Schule auszustellen
und es mutet einen sonderbar an, die von Novizen
aus dem 20. Jahrhundert in altbyzantinischem Stil
ausgeführten Miniaturen zu sehen.

Im ganzen kann man also sagen, daß man mit
der Ausstellung mehr hätte erreichen können, aber
daß sie trotzdem eine schöne Gelegenheit bietet, mit
wenig Mühe sonst schwer erreichbare wertvolle
Sachen zu sehen.

Eine Fahrt nach Grottaferrata ist auch in ge-
wöhnlichen Zeiten für den Kunsthistoriker wichtig,
denn außer den altbekannten Mosaiken über Eingangs-
tür und Triumphbogen der Kirche, welche so recht
die engen Beziehungen des alten basilianischen Klosters
bei Rom zu den Kunstströmungen von Campanien
zeigen, die sich am strengsten den byzantinischen
Kunstlehren anpaßten, sind die in letzter Zeit ent-
deckten mittelalterlichen Fresken, jetzt gut restauriert,
dazugekommen. Auf der Mauer über dem Mosaik
des Triumphbogens die heilige Dreifaltigkeit, auf den
Seitenmauern des Schiffes Szenen aus dem Neuen und
Alten Testament, unter welchen eine Figur Moses,
der vor der Schlange flieht, uns deutlich zeigt, daß
neben den auswärtigen Einflüssen, selbst in einer
Burg des Byzantinismus, die alte, gesunde Tradition
der altchristlichen Kunst sich in der zweiten Hälfte
des 13. Jahrhunderts halten konnte und Werke
schaffen, die den gefeierten von Cavallini, Rusutti
und Torriti fast gleichkommen. FED. H.

OSTWALDS UNTERSUCHUNGEN ÜBER
MALTECHNIK

Der Leipziger Universitätsprofessor W. Ostwald hat
unlängst in der Zeitschrift »Die Woche« (1905. Heft 6
S. 249 ff.) von seinen mikroskopischen Untersuchungen
malerischer Kunstwerke berichtet. Die Ausblicke, die er
dort eröffnet hat, sind verheißungsvoll, insofern sich einer-
seits durch die angewendete Methode Aufschluß über die
rätselhafte Maltechnik der Alten erwarten läßt; anderer-
seits sind objektive Kennzeichen von Fälschungen auf dem
vorgeschlagenen Wege ermittelbar, endlich wird für die
Frage der Dauerhaftigkeit neuer und Wiederherstellung
alter Bilder allerlei erhofft werden dürfen.

Für die Untersuchung genügt ein kleines Spänchen,
das von dem Bildrande entnommen werden kann und
das zum Zweck der mikroskopischen Untersuchung in
eine Reihe von Querschnitten geteilt wird. Jeder Quer-
schnitt zeigt die verschiedenen Schichten, aus denen
das Bild entsteht: den Bildträger (Holz, Leinwand usw.),
die Grundierung, die Untermalung, die Pigmente und
ihre Bindemittel, den Firnis usw. Spätere Übermalungen
sind durch ihre Lage erkennbar; gefälschte Signaturen
werden also ohne große Schwierigkeit erkannt werden
können. Die mit dem bloßen Auge kaum sichtbaren
Splitterchen gestatten aber auch die Untersuchung der
verwendeten Stoffe auf chemische Reaktionen. Der ge-
nannte Gelehrte, welcher gewohnt ist, alles was er in
Angriff nimmt, mit Ernst und Liebe zu betreiben, hat nun
neuerdings in den Sitzungsberichten der kgl. preußischen
Akademie der Wissenschaften (1905, 5. Gesamtsitzung vom
2. Februar) Ikonoskopische Studien veröffentlicht, in denen
 
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