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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 16.1905

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Literatur / Verschiedenes
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Widmer, Karl: Karlsruher Kunst
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Wolf, August: Denkmalpflege in Venedig
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https://doi.org/10.11588/diglit.5901#0285

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553

Karlsruher Kunst — Denkmalpflege in Venedig

554

Beitrag über eine Miniatur der Leipziger Stadtbibliothek
und Oroß-St. Martin zu Köln in einem bemerkenswerten Auf-
satz den Sächsischen Kunstverein behandelt und C. Gurlitt
die Zukunft der Dresdener Museen zum Gegenstand der
Betrachtung gemacht.

KARLSRUHER KUNST

Die monumentale Ausschmückung städtischer Plätze
kann dem Künstler kaum eine reizvollere Aufgabe
stellen als den öffentlichen Brunnen. So selten es ist,
daß heutzutage einmal ein öffentliches Denkmal durch
eine originelle Abweichung vom ewigen Einerlei von
Sockel und Figur unser Interesse fesseln kann: beim
Brunnen hat der Künstler schon durch das belebende
Element des Wassers ein Mittel, die künstlerische Wir-
kung in aparter Weise zu steigern und zu bereichern,
und ist überhaupt bei der unendlichen Mannigfaltig-
keit der Brunnenformen, namentlich da, wo Architektur
und Plastik zusammenwirken, in keiner Weise an ein
hemmendes Schema gebunden. Es war daher ein
glücklicher Gedanke der Karlsruher Stadtverwaltung,
für die geplante künstlerische Ausgestaltung hiesiger
Plätze auch die Anlage künstlerischer Monumental-
brunnen ins Auge zu fassen, um so mehr, als dabei
vor allem unserer jüngeren Künstlergeneration Ge-
legenheit gegeben werden sollte, ihr Können in öffent-
lichen Werken zu zeigen. Zwei dieser Arbeiten sind
im Laufe dieses Sommers fertig geworden. Schon
seit einigen Monaten ist der Trinkbrunnen vor der
kleinen Kirche, eine Schöpfung des hiesigen Bild-
hauers Karl Taucher, dem Gebrauch übergeben. Die
streng und herb stilisierte Bronzefigur eines knienden
Knaben krönt den steinernen Aufbau des Brunnen-
körpers, der das Wasser durch mehrere Becken stufen-
förmig herableitet. Die Komposition des Brunnens
zeigt eine stille, vornehme Einfachheit, die sich um
so glücklicher dem anspruchslosen Louis seize-Cha-
rakter ihrer architektonischen Umgebung einfügt. Man
hat hier wirklich einmal das Gefühl, daß Altes und
Neues zusammengehört und sich harmonisch ergänzt,
nicht wegen einer pedantisch nachahmenden histori-
schen Strenge, sondern deshalb, weil ein feines künst-
lerisches Empfinden das Ganze zu einer Einheit der
Stimmung zusammengebracht hat.

Inzwischen ist auch ein größeres Werk der glei-
chen Gattung, auf dessen Vollendung das öffentliche
Interesse diesmal in besonderem Maße gespannt war,
seiner Vollendung entgegengegangen. Es ist der
Stephansbrunnen auf dem Stephansplatz (hinter der
Hauptpost), der in seinem architektionischen Teil von
Professor Hermann Billing, in seinem plastischen Teil
von Hermann Binz entworfen ist. Der Charakter
des Brunnens als reiner Zierbrunnen ohne irgend
eine praktische Nebenbestimmung ließ der Phantasie
des Künstlers um so freieren Spielraum. In der Tat
liegt die künstlerische Bedeutung der Arbeit vor allem
in der Selbständigkeit und Originalität des kompo-
sitionellen Gedankens, der in keiner Weise an irgend
ein vorhandenes Vorbild des gleichen Gegenstandes
erinnert. Das kreisrunde Wasserbecken wird von
einem Kranz hermenartiger Pfeiler umgeben, die oben

durch ein leichtes Gesims verbunden sind und deren
wasserspeiende Köpfe Karikaturen bekannter hiesiger
Persönlichkeiten darstellen. Damit ist auch dem Humor
eine kleine Konzession an sein altes deutsches Recht
gemacht worden. Die Hauptwasserquelle wird von
einer im Becken aufgestellten nackten weiblichen
Bronzefigur aus einer Urne ausgegossen. Recht glück-
lich ist die Lösung, wie die, nicht eigentlich streng
stilisierte, freistehende, dazu in einem andern Material
ausgeführte Statue mit der Steinarchitektur des
Brunnens im Raum zusammengeht. Seinen vollen
Reiz entfaltet das ganze Werk natürlich auch erst
dann, wenn der Brunnen läuft und das lebendige
Spiel der Wasserlinien als ergänzender Kompositions-
faktor mit der Architektur und Plastik zusammen-
wirkt. Der Stephansbrunnen ist die erstere größere
Schöpfung, die von dem Aufschwung der modernen
Kunst in Karlsruhe in einem öffentlichen Monumental-
werk Zeugnis ablegt. Bis jetzt war die moderne
Kunst, wenn man etwa von den Bilderkäufen für die
Galerie und dergleichen absieht, im wesentlichen auf
den Kunstsinn privater Auftraggeber angewiesen. Nun
steht auch noch die Ausführung weiterer öffentlicher
Projekte in nächster Zukunft in Aussicht. Wir wollen
also hoffen, daß mit der Errichtung des Stephans-
brunnens die für das Karlsruher Kunstleben so nötige
und lang erwartete neue Ära der staatlichen und
kommunalen Kunstpflege angebrochen ist.

K WIDMER.

DENKMALPFLEGE IN VENEDIG

Gegenwärtig nehmen besonders die Arbeiten in
der Frarikirche das Interesse in Anspruch. Dieselben
nehmen immer größere Dimensionen an: die ganze Sakristei
wird so gut wie neu gebaut. Das Gewölbe und die Seiten-
wände dieses ganzen Raumes, die Apsis der Bellinikapelle
waren in gefahrdrohendstem Zustande durch das entsetz-
liche Gewicht der auf dem Gewölbe lastenden Akten des
Staatsarchivs. Nach Entfernung der Barockstukkaturen
zeigte sich, wie dieser ganze Bau nur wie durch ein Wun-
der sich noch aufrecht erhalten konnte. Die große rechts
liegende Wand des Querschiffs der Kirche, durch deren
Pforte man die Sakristei betritt, mußte neu fundamentiert
werden. Die Verstärkung dieser hohen Wand wird wesent-
lich erschwert durch Rücksichtnahme auf die ornamentalen
Fresken, welche als Hintergrund für die an derselben an-
gebrachten Monumente dieselbe schmücken. Sehr wichtig
ist, daß beschlossen wurde, die im 17. Jahrhundert hoch
oben angebrachten riesigen halbkreisförmigen Fenster durch
die ursprünglichen kleinen gotischen Doppelfenster zu er-
setzen, auf Grund der noch vorhandenen Spuren. — Im
Hauptschiffe der Kirche und den beiden seitlichen Ka-
pellen des Haupteinganges sind die Arbeiten schon sehr
weit gediehen. Allüberall wird der zutage getretene ur-
sprüngliche Freskenschmuck wieder sorgfältig hergestellt.

Das Tizian- und Canovatnonument sind zurzeit noch
unter einem Wald von Gerüsten begraben. Noch lange
Zeit wird die gewaltige Arbeit in Anspruch nehmen, die
sich fast auf alle Teile der Kirche gleichzeitig erstreckt.
(Wie früher mitgeteilt, sind die wichtigsten Gemälde der
Kirche nach der nahegelegenen Filiale S. Torna verbracht
und dort gut aufgestellt worden.) Der Turmhelm von
S. Giorgio maggiore ist gegenwärtig, reparaturbedürftig,
vollkommen eingerüstet. Der Wiederaufbau der durch den
 
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