Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 16.1905

DOI article:
Schmidt, Karl Eugen: Pariser Brief, [3]
DOI article:
Verschiedenes / Inserate
DOI Page / Citation link:
https://doi.org/10.11588/diglit.5901#0172

DWork-Logo
Overview
Facsimile
0.5
1 cm
facsimile
Scroll
OCR fulltext
327

Nekrologe

328

pentier hat einen anderen Raum mit geschnitztem
Täfelwerk, mit Möbeln, Metallbeschlägen und allem
sonstigen künstlerischen und kunstgewerblichen Zu-
behör ausgestattet. Außer den erwähnten Skulpturen
Rodins sind im Luxembourg auch einige Radierungen
des Bildhauers ausgestellt, Arbeiten, die den Ruf
Rodins zwar nicht erhöhen, die ihm aber doch alle
Ehre machen und jedenfalls ernster zu nehmen sind
als die Zeichnungen, von denen blinde Bewunderer
des Künstlers so viel Aufhebens machen.

Zu den bestehenden fünfhundert Künstlerver-
einigungen hat sich jetzt noch die Gesellschaft der
»Intimisten« gesellt, die ihre erste Ausstellung bei
Henry Graves in der Rue Caumartin eröffnet hat.
Eigentlich Neues wird uns da nicht gezeigt, denn
alle Mitglieder der Gesellschaft sind von anderen
Ausstellungen bekannt. Am besten sind vertreten
Albert Belleroche mit drei ausgezeichneten Innen-
räumen und mehreren weiblichen Figuren, die das
starke persönliche Talent des Künstlers aufs neue be-
tonen und unterstreichen; Caro-Delvaille, der in
kühlen Harmonien überaus angenehm berührt und
den Beschauer gefangen nimmt, so daß die in allen
seinen Bildern wiederkehrenden Verstöße gegen die
Zeichnung den guten Eindruck nicht beeinträchtigen
können; Henry Morisset, ein ebenso starker Zeichner
wie gefühlvoller Kolorist, dessen solide Vorzüge den
Künstler mehr und mehr an eine erste Stelle bringen;
Richard Miller, der wahrscheinlich Amerikaner ist,
denn seine Malerei hat alle Vorzüge der diskret ab-
gestuften und dabei doch ungemein farbig wirkenden
Kunst, welche die amerikanischen Meister auf beiden
Seiten des Ozeans charakterisieren, die wir hüben bei
Whistler, Sargent, Gari Melchers, drüben bei Chase,
Vonnoh, Tryon bewundern. Maurice Lobre, Rene
Prinet, Ernest Laurent, Hugues de Beaumont haben
alle eine gewisse Familienähnlichkeit, die an die
beiden Bail erinnert und vor allem daran mahnt, daß
diese ganze französische Innenkunst unserer Tage mit
ihrem sanften blonden Lichte zunächst von Frangois
Bonvin herkommt, einem Meister, dessen Name wohl
schon bald einen glänzenden und dauernden Nach-
ruhm erwerben wird, nachdem er bei Lebzeiten und
auch bisher nach seinem Tode lange nicht genügend
geschätzt worden ist. Bonvin aber war der echte
Erbe Chardins und der holländischen Intimisten, und
in seinen Arbeiten finden wir nicht nur die Art,
sondern auch schon die sämtlichen Themen des
Innenraumes und seiner Beleuchtung, die seither von
Bail, Lomont, Lobre und wie sie alle heißen, mit
großem Erfolge behandelt werden.

Die Ausstellung der Aquarellisten bei Georges
Petit bringt nichts Erwähnenswertes. Man kann sagen,
daß das Aquarell eine spezifisch englische Kunst ist,
wie das Pastell ganz den Franzosen gehört. Die Aus-
nahmen bestärken nur die Regel, und auf den einen
Jaquemart kommen hundert Engländer, die technisch
ebenso hoch stehen wie der Franzose. Allein die An-
sichten aus Palästina von Dinet müssen genannt
werden, sonst ist hier nichts Bemerkenswertes. Schlimm
sieht es bei den weiblichen Künstlern aus, die wieder

beinahe zweitausend Nummern zusammengebracht
haben, ein wahrer Ozean der Mittelmäßigkeit, worin
die wenigen guten Sachen ertrinken und verschwinden.
Die beiden Salons der Cercles in der Rue Boissy
d'Anglas und der Rue Volney sehen ihren Vorgängern
auch so ähnlich, sie bringen wieder so durchaus
salonfähige, glatte und geleckte Kunst, wie sie in den
guten Stuben reicher und wenig kunstverständiger
Leute gefällt, daß es Verschwendung von Zeit und
Raum wäre, auf diese Ausstellung näher einzugehen.

Endlich sei noch die Sonderausstellung des Malers
Picabia erwähnt, eines jungen Landschafters, der seit
einigen Jahren von sich reden macht und gegenwärtig
einige sechzig Bilder bei einem Händler des Boulevard
Haußmann zeigt. Picabia hängt ersichtlich mit den
Impressionisten und besonders mit Sisley zusammen,
dem er sogar sein Lieblingsmotiv, die Brücke über
den Loing bei Moret, abgenommen hat, um sie in
verschiedener Beleuchtung ein halbes Dutzend Mal
darzustellen. Zu der impressionistischen Technik, die
seinen Bildern ihre Leuchtkraft gibt, gesellt sich aber
bei Picabia noch etwas, das er mit den älteren Land-
schaftern gemein hat und was die Impressionisten
prinzipiell zu verleugnen gewohnt sind. Picabia gibt
sich nicht mit dem getreu abgeschriebenen Ausschnitt
aus der Natur zufrieden, sondern er setzt zusammen
und schafft sich aus verschiedenen Teilen der wirklich
geschauten Natur ein Gesamtbild. Seine Kompositionen
sind nicht immer glücklich, aber oft erreicht er sehr
schöne Resultate, und alles in allem scheint Picabias
Art ein Schritt über das gedankenlose Nachschreiben
der Natur, wie es uns so lange gepredigt worden
ist, hinaus zu sein. Vielleicht stehen wir hier vor
einer neuen Entwickelung der Landschaftsmalerei, die
mit Sisley, Monet und Pissarro auf einem toten Punkte
angekommen war, welchen die jüngeren Impressionisten
nicht überwinden zu können scheinen.

KARL EUGEN SCHMIDT.

NEKROLOGE

Am 5. April verschied in Brüssel unerwartet Constantin
Meunier. Was sein Vaterland, was die Welt an ihm ver-
loren, wird einer seiner Freunde im nächsten Hefte der
Zeitschrift für bildende Kunst aussprechen. Hier sollen
nur die Lebensdaten hergesetzt werden: Constantin Meunier
ward am 12. April 1831 in Brüssel geboren. Nachdem er
bei seinem Bruder Zeichenunterricht genossen hatte, wandte
er sich zunächst der Malerei zu. Schon damals studierte
er mit besonderer Liebe das Leben der Bergarbeiter; ein
vorzügliches Stück aus dieser Periode bewahrt die Dresdner
Galerie. Zur Bildhauerei kam er verhältnismäßig spät und
noch später zu allgemeiner Anerkennung. In Deutschland
war sein eifrigster und erster Apostel Georg Treu, der
seinerseits wiederum durch Henri Hymans auf den Künstler
aufmerksam gemacht worden war. Meunier hat im Leben
mit Bitternissen verschiedener Art zu kämpfen gehabt; die
Narben seiner Lebenswunden waren ihm im Antlitz sicht-
bar. Diese Andeutungen mögen für heute genügen. In
dem nächsten Hefte unserer »Zeitschrift für bildende Kunst«
wird seine Persönlichkeit gekennzeichnet werden.

Der Genremaler Paul Böhm, geboren am 28. De-
zember 1839 z" Großwardein in Ungarn und seit Jahren
in München lebend, ist am 30. März gestorben.
 
Annotationen