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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 16.1905

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Boehn, Max von: Goya
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Verschiedenes / Inserate
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Bücherschau — Ausgrabungen und Funde

7*

Jahrzehnte unbenutzt lagen, daß sie dann überarbeitet
und wieder geätzt worden sind, so daß das Ursprüng-
liche völlig verloren ging. Die erste Stelle in Goyas
Oeuvre gebührt nicht seinen Radierungen, sondern
seinen Bildern; mag sein, daß er als Radierer ein
Denker und ein Philosoph ist, nur als Maler ist er
ein großer Künstler. Er führt uns mit dem malerischen
Empfinden eines Künstlers von heute die Welt seiner
Zeit vor Augen, er gehört zwar der Vergangenheit,
an, aber nur, weil er ihre Tradition überwunden, die
Gegenwart besitzt ihn ganz, denn er hat ihr die Frei-
heit verkündet. MAX VON BOEHN.

BÜCHERSCHAU
Andre" Fontaine. Conferences inedites de V'Academie royale

de Peinture et de Sculpture. Paris, Albert Fontemoing,

editeur, 4 rue Le Goff.
Die hier zum erstenmal nach den Manuskripten in
den Archiven der Pariser Kunstschule veröffentlichten Vor-
lesungen stammen aus der zweiten Hälfte des 17. Jahr-
hunderts, und ihre Autoren sind die Maler de Champaigne,
Le Brun, Blanchard und der Bildhauer Michel Anguier.
Ob diese Reden eine späte Auferstehung verdienten,
scheint mir nicht ganz erwiesen. Nur der Streit über den
Vorrang von Zeichnung und Farbe, wobei die beiden
Champaigne für die Zeichnung, Blanchard für die Farbe
stritten und Le Brun als Schiedsrichter die Zeichnung für
vornehmer erklärte, ist auch heute noch interessant. Fach-
leute mögen auch heute noch die beiden Abhandlungen
des trefflichen Bildhauers Anguier über die Anatomie des
menschlichen Körpers mit Genuß und Gewinn lesen.
Sonst handelt es sich um Schilderung und Beurteilung
einzelner Gemälde Poussins, Tizians, Guido Renis, Raffaels,
und dabei wird eigentlich wenig gesagt, was des Lesens
wert wäre. Interessant ist endlich noch die kleine Ab-
handlung Champaignes über Licht und Schatten, wenn
auch vielleicht nur aus dem Grunde, daß sie uns zeigt,
wie alt alle diese Streitfragen und Systeme schon sind,
die immer noch so viel Druckerschwärze kosten. Viel-
leicht hätte der Herausgeber besser getan, sich auf die
genannten Vorlesungen zu beschränken und die anderen
in ihrem vergessenen Staubgrabe der Archive zu lassen.

K. E. S.

W. Spemanns Kunstlexikon 1905. Unter den Neu-
heiten des Buchhandels fällt ein kleiner dicker Wälzer,
originell in Format, Einband und Ausstattung, besonders
in die Augen. Es ist W. Spemanns neues Kunstlexikon,
ein höchst praktisches, alphabetisch angeordnetes und
handliches Nachschlagewerk, das in mehr als zehntausend
Artikeln über Sachliches, Technisches und Biographisches
auf dem weiten Gebiete der Kunst aller Zeiten und Länder
kurz und treffend orientiert. Es will kein gelehrtes Buch
für Fachleute, sondern ein Handbuch für Künstler und
Kunstfreunde sein und wird dieser Aufgabe in ersprieß-
lichster Weise dienen. Ja, beim Einblick in dieses praktische
und im guten Sinne populäre, von vielen bekannten Kunst-
gelehrten mit Beiträgen bereicherte Werk fragt man sich
mit Verwunderung, wie es möglich war, daß ein solches
Buch nicht schon längst geschaffen worden ist, da doch
an alle, die mit den bildenden Künsten durch Beruf oder
Neigung in Beziehung stehen, unausgesetzt die Notwendig-
keit herantritt, sich über einen Kunstausdruck, über ein
Faktum oder Datum schnell zuverlässige Auskunft zu
holen. Dieser ganz unzweifelhaften Bedürfnisfrage wird
jetzt erst durch dieses Werk vollständig Rechnung getragen
und man kann im Interesse der Verbreitung richtiger Be-

griffe von den Dingen der Kunst dieses Lexikon mit leb-
hafter Freude begrüßen und ihm weiteste Verbreitung
wünschen. Wenn in der ersten Fassung hier und da an
Genauigkeit oder Ausführlichkeit etwas zu wünschen übrig
bleibt, so will das wirklich gar nichts sagen in Hinsicht
auf die wertvolle Gesamtleistung, in der sich eine unge-
wöhnliche Erfahrung und Geschicklichkeit im Zusammen-
fassen eines so weiten Stoffgebietes und viel Originalität
und viel Geschmack in der Ausstattung offenbart.

F. Becker.

AUSGRABUNGEN UND FUNDE

Zu den kretischen Ausgrabungen. Datierungen^).

Die diesjährige Ausgrabungskampagne in Knosos auf Kreta
hatte einen dreifachen Zweck: zunächst die Untersuchung
der unteren Strata des großen Palastes, dann diejenige
der außerhalb der inneren »Enceinte« liegenden Depen-
dancen, endlich die Eröffnung von ungefähr hundertGräbern,
die in die letzte Periode des großen Palastes, des so-
genannten »Hauses der Doppelaxt«, zu datieren sind. Auf
letztere hat sich diesmal Dr. Evans' Tätigkeit hauptsächlich
konzentriert. Das hervorragendste der Gräber lag auf
einer Anhöhe ungefähr drei Kilometer vom Palast entfernt,
und es schien zuerst, als es sich mit dem legendären Grab
des Idomenetts identifizieren lassen würde, von dem Diodor
im 70,. Kapitel seines fünften Buches erzählt. Aber ob-
wohl ein kleineres Grab derselben Art ganz nahe dabei
aufgedeckt wurde, kam nichts aus diesem letzteren zum
Vorschein, welches auf das Grab des Meriones (von dem
Diodor an gleicher Stelle schreibt) hätte schließen lassen
können; man muß sich also mit der Bezeichnung »Grab
eines Königs« für das erstgenannte begnügen. Unter den
zahlreichen in diesem Grab gefundenen Vasen war eine
aus poliertem Porphyr, zweifellos ägyptischer Herkunft,
wie auch eine Anzahl mitgefundener Alabastervasen ägyp-
tische Importware aus der Frühzeit der 18. Dynastie sind,
und den damals noch fortdauernden Stil des mittleren
Königreichs zeigen. Unter den anderen, auf einem Hügel
näher an dem Palast gelegenen Gräbern enthielt das größte
ein in eine viereckige Kiste gedrängtes Skelett, wie sie
auch in Mykenä gefunden worden sind. Dabei lagen Reste
eines Elfenbeinkästchens, eine Bronzescheibe und ein Drei-
fußherd aus Gips mit Holzkohlen darauf. Auch ein merk-
würdig primitiver Typus eines Bronzedreifußes wurde mit
einer größeren Anzahl Vasen aus gleichem Material ge-
funden. In anderen, späteren Gräbern traten Bügelkannen
des gewöhnlichen mykenäischen Typus auf, von denen
sich auch ein Exemplar in der Dependance oder könig-
lichen Villa nordöstlich von dem Palast und im Palaste
selbst die Zeichnung einer solchen auf einer Tontafel ge-
funden hat, so daß man annehmen kann, daß die myke-
näische Bügelkanne sich in Kreta gegen Ende der letzten
Periode des »Palastes der Doppelaxt« zu entwickeln be-
gonnen hat. Dafür sprechen auch gleiche Formen, welche
die Italiener zu Hagia Triada gefunden haben. Die Bügel-
kannen zeigen zwar Ähnlichkeiten im Dekorationsstil und
der Modellierung mit den Töpfereien aus der allerletzten
Zeit, in der der Palast noch stand, sie müssen aber doch
durch einen Zeitraum davon getrennt sein. Ein gleichfalls
gefundenes langes Stichschwert hat reiche Goldeinlagen
auf dem Griff von entschieden mykenäischer Zeichnung.
Im ganzen sind diese Gräberfunde aus der Zeit der myke-
näischen reiferen Kultur, während die Palastfunde aus
dessen letzter Zeit zur mykenäischen Frühkultur gehören.

1) Hauptsächlich nach Berichten der amerikanischen
archäologischen Monatsschrift »Biblia«.
 
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