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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 16.1905

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Der erste internationale Archäologenkongress in Athen
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Der Bruch in der Wiener Sezession
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https://doi.org/10.11588/diglit.5901#0235

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453

Der Bruch in der

Wiener Sezession

454

»Tage für Denkmalpflege« haben gezeigt, wie schwer
es ist, auch nur die allgemeinsten Grundsätze für die
Denkmäler eines einzelnen Landes aufzustellen. Will
man solche Punkte international regeln, so stößt man
bald auf den toten Punkt, wo schon die Regeln
internationaler Höflichkeit und des Taktes eine un-
befugte Einmischung in die Angelegenheiten eines
anderen Landes verbieten. Th. Homolle (Paris) hatte
am Archäologenkongreß gezeigt, wie das Schatzhaus
der Athener zu Delphi aus den Trümmern wieder-
aufgebaut werden konnte, da fast kein Stein fehlte
und jedem vorhandenen Steine mit Sicherheit seine
ursprüngliche Stellung am Bau angewiesen werden
konnte. P. Cavvadias (Athen) legte dar, daß im all-
gemeinen nach ähnlichen Grundsätzen bei der
Rekonstruktion des Apollontempels von Phigaleia
wird verfahren werden. Der Ingenieur N. Balanos
(Athen), der die Wiederherstellungs- und Konsoli-
dierungsarbeiten am Parthenon und Erechtheion leitet,
setzte die Prinzipien der Rekonstruktion und des da-
bei befolgten äußerst vorsichtigen und sorgfältigen
Verfahrens auseinander. Als aber im Anschluß an
ein Referat von Theodor Wiegand (Konstantinopel):
Ȇber Ausgrabungsmethode und Erhaltung der aus-
gegrabenen Denkmäler«, der es mit Recht als eine
Pflicht der Ausgrabungsunternehmungen bezeichnete,
nicht bloß für die Aufdeckung der Ruinen, sondern
auch für deren bestmögliche Erhaltung von vorn-
herein genügende Mittel bereitzustellen, die Frage er-
örtert wurde, wie der immer mehr der Zerstörung
entgegengehende Rest des westlichen Parthenonfrieses
vor dem sicheren Untergange bewahrt werden solle,
setzte es eine zum Teil fast erregte Diskussion ab.
Der Generalephoros Cavvadias teilte seine Absicht
mit, nach einem Vorschlage von Ad. Michaelis den
Fries durch eine Holzdecke zu schützen. Andere
wandten dagegen ein, daß dadurch die Sichtbarkeit
im höchsten Grade beeinträchtigt werde und die
Holzdecke ihrerseits als Schutz gegen das Verfaulen
einer Blechverschalung bedürfe, die, wie die Holz-
decke selber, vom ästhetischen Gesichtspunkt aus
höchst anfechtbar sei. Von mehreren Rednern wurde
der radikale Vorschlag von Wilhelm Dörpfeld, den
Fries herunterzunehmen und im Akropolismuseum in
bequemer Aufstellung dem Studium zugänglich zu
machen, ihn an Ort und Stelle aber durch eine Nach-
bildung in Marmormasse zu ersetzen, unterstützt, so
von Ad. Furtwängler und Charles Waldstein, während
andere, wie Jos. Strzygowski und R. Heberdey, ebenso
lebhaft für das Belassen des Frieses an seinem Ort
plädierten. Mit der Zurückhaltung, wie sie die inter-
nationale Höflichkeit gebot und mit Rücksicht auf die
mehr zufällige Zusammensetzung der zahlreichen Ver-
sammlung unterblieb ein förmlicher Beschluß. Es
kann aber keinem Zweifel unterliegen, daß die große
Mehrzahl der anwesenden kompetenten Gelehrten für
die Verbringung des Frieses ins Akropolismuseum
gestimmt hätte, weil nur so eine sichere Garantie für
möglichst lange Erhaltung geboten werden kann.
Natürlich wäre, wenn dieser Beschluß gefaßt worden
wäre, darin energisch betont worden, daß es sich hier

durchaus um eine Ausnahme handle, die nicht etwa
anderwärts, z. B. im Norden, wo ja die Einflüsse der
Witterung noch viel verderblicher sind, bei anderen
Bauwerken nachgeahmt werden dürfe. Jedenfalls wer-
den die maßgebenden Persönlichkeiten in Athen aus
der lehrreichen Diskussion die Überzeugung gewonnen
haben, daß unsere Zeit die Pflicht hat, diesen Fries,
eines der herrlichsten Kunstwerke der Welt, vor
weiterer Zerstörung nach besten Kräften zu schützen
und der Nachwelt zu erhalten.

Ein beherzigenswertes Wort aus dieser Diskussion
mag hier noch einen Platz finden, die Mahnung, die
Charles Waldstein ergehen ließ, nicht um jeden Preis
zu restaurieren und da, wo man restauriert, echt
künstlerischen Sinn walten zu lassen, vor allern darauf
bedacht zu sein, den malerischen Eindruck, den eine
Ruine bietet, nicht zu zerstören.

Daß der Wert eines solchen internationalen Kon-
gresses sich nicht in den gefaßten Beschlüssen und
den geäußerten Wünschen und Anregungen erschöpft,
ist klar. Es braucht hier nicht näher ausgeführt zu
werden, daß auch bei diesem Kongresse das persön-
liche Zusammensein mit Fachgenossen der verschie-
densten Länder ebenso für den einzelnen eine Quelle
von Anregung war, wie es indirekt für die Wissen-
schaft mannigfache Förderung verspricht. Es war da-
her gewiß allen Anwesenden aus dem Herzen ge-
sprochen, als der Generalsekretär Th. Homolle in der
Schlußsitzung sagte, die Aufgabe der folgenden Kon-
gresse werde sein, das begonnene Werk fortzusetzen
und größere Aufgaben zu erfüllen; das werde aber
um so eher möglich und zu erwarten sein, je mehr
die Vertreter dieser Wissenschaft sich sehen und sich
persönlich kennen und schätzen lernten. Sss.

DER BRUCH IN DER WIENER SEZESSION

Die Wiener Kunstkreise sind in Aufruhr versetzt. Aus
der Wiener Sezession ist eine Sezession erfolgt. Nicht
weniger als fünfzehn Mitglieder sind aus der Vereinigung
ausgetreten. Unter ihnen einige der Bahnbrecher und
führenden Persönlichkeiten Wiens. Gustav Klimt und Otto
Wagner sind unter ihnen. Auch die Professoren Hoff-
mann und Moser, denen das Wiener Kunstgewerbe so
viel von seiner Weltgültigkeit dankt. Dann der Bildhauer
Professor Metzner, Karl Moll, einer der Begründer der
Sezession, Böhm, Luksch, Bernatzik, List, Kurzweil und
andere. Gewiß eine tief bedauerliche Tatsache, wenn auch
ihre hauptsächlichen Motive »ideal« genannt werden müssen.
Der Austritt Karl Molls, der eine leitende Stellung in der
Galerie Miethke annahm, wogegen die Mitglieder den
»antigeschäftlichen« Paragraphen ins Treffen führten, war
doch eigentlich nur das Steinchen, das die Lawine zum
Rollen brachte. Schon seit einundeinhalb Jahren wogte
es in der Vereinigung. Die Angelegenheit von St. Louis,
wo die Sezession fast nur Klimt ausstellen wollte und bei
der Regierung den kürzeren zog, so daß sie der Ausstel-
lung lieber ganz fern blieb, hatte die Dinge bereits auf
die Spitze gestellt. Persönliche und grundsätzliche Schwierig-
keiten taten das übrige. Der Punkt, an dem der sprengende
Hebel sich ansetzte, war aber jener Grundparagraph, daß
die Jury aus sämtlichen Mitgliedern besteht. Dies führte
zu leichterer Majorisierung einer oder der anderen Partei.
Es hatten sich aber, dem Umschwung im Kunstempfinden
 
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