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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 16.1905

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KUNSTCHRONIK

WOCHENSCHRIFT FÜR KUNST UND KUNSTGEWERBE

Verlag von E. A. SEEMANN in Leipzig, Querstraße 13

Neue Folge. XVI. Jahrgang 1904/1905 Nr. 22. 20. April

Die Kunstchronik erscheint als Beiblatt zur »Zeitschrift für bildende Kunst« und zum »Kunstgewerbeblatt« monatlich dreimal, in den Sommer-
monaten Juli bis September monatlich einmal. Der Jahrgang kostet 8 Mark und umfaßt 33 Nummern. Die Abonnenten der »Zeitschrift für bildende
Kunst« erhalten die Kunstchronik kostenfrei. — Für Zeichnungen, Manuskripte usw., die unverlangt eingesandt werden, leisten Redaktion und
Verlagshandlung keine Gewähr. Alle Briefschaften und Sendungen sind zu richten an E. A. Seemann, Leipzig, Querstraße 13. Anzeigen 30 Pf. für
die dreispaltige Petitzeile, nehmen außer der Verlagshandlung die Annoncenexpeditionen von Haasenstein 81 Vogler, Rud. Mosse usw. an.

— LIT E RAT U

W. R. Valentiner. Rembrandt und seine Umgebung.
164 S. Mit sieben Lichtdrucktafeln. Straßburg. J. H.
Ed. Heitz. 1905.

Den großen Meister der holländischen Schule in seinem
Heim, unter seinen Anverwandten und Freunden, zwischen
seinen Kunstschätzen uns zu schildern und diese aus seinen
Werken wieder herauszufinden und zu bestimmen: das ist
die Aufgabe, die sich Dr. Valentiner, ein j"unger deutscher
Kunstgelehrter, welcher zur Zeit in Holland lebt, in dem
vorliegenden Buche gestellt hat. Daß wir in manchen der
Gemälde und Radierungen Rembrandts den Künstler selbst
und ihm Nahestehende zu erkennen haben, geht schon aus
den Benennungen hervor, die verschiedene seiner Werke
bereits zu Lebzeiten des Künstlers führten. Eine Reihe
darunter haben ihre Namen traditionell erhalten, vor allem
die Selbstbildnisse des Künstlers, wie einzelne Bildnisse
der Saskia und seiner Mutter. Andere Benennungen, die
sich seit dem 18. Jahrhundert eingeschlichen hatten, sind
von der neueren Kritik mit Recht als völlig unbegründet
zurückgewiesen worden; diese phantastischen Namen mögen
dazu beigetragen haben, daß sich die Kritik neuerdings
teilweise ablehnend gegen jedes weitere Suchen nach
dieser Richtung verhalten hat. So weist namentlich Neu-
mann in seinem »Rembrandt« ein Eingehen auf solchen
dilettantischen Sport vornehm von sich ab. Wie eine not-
wendige Reaktion dagegen erscheint das vorliegende Buch
von Valentiner, das gerade aus der Vertiefung in die
»Umgebung« Rembrandts eine Hauptanregung zu richtigeren
Verständnis des Künstlers und seiner Werke zu finden und
in eingehender Weise dies nachzuweisen sucht. Sicherlich
mit Recht, da nur eine vollständige Verkennung der Kunst
des Meisters den ausgeprägt subjektiven Charakter der-
selben, die Bedeutung, welche das eigene Heim, welche
seine Erlebnisse und Stimmungen auf die Entstehung
und den Inhalt seiner Werke geübt haben, leugnen kann.

Der erste Teil behandelt »Rembrandts persönliche
Umgebung«. Zu den altbekannten Gestalten des Künst-
lers selbst, seiner Gattin Saskia van Uilenborch und seiner
Mutter, die wir in den letzten Jahrzehnten um zahlreiche
verschollene oder nicht erkannte Bildnisse haben be-
reichern können, hatte Otto Eisenmann zuerst in einem
Bilde von G. Dou zu Kassel den Vater Rembrandts er-
kannt, welchen unabhängig davon Emile Michel in einer
Reihe ganz früher Studienköpfe und Bildnisse nachwies.
Schon früher hatte ich selbst Rembrandts Schwester Lijs-
beth, seinen Sohn Titus, seine Gefährtin Hendrikje Stoffels
und seinen Bruder Adriaen Harmensz in seinen Bildern
festzustellen gesucht. Auf fast alle diese Gestalten geht
Valentiner noch näher ein und fügt neue hinzu, die uns erst

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in den letzten Jahrzehnten aus den Urkunden bekannt ge-
worden sind: Rumbartus, den ältesten Sohn, Geertje Dircx,
die »Amme« des Titus, Elisabeth van Leeuwen, Rembrandts
Schwägerin und Titus' Gattin Margarethe van Loo wie ihre
Mutter will er in den Gemälden, Zeichnungen und Radie-
rungen des Künstlers erkannt haben und sucht dies mög-
lichst eingehend zu begründen.

Der Verfasser warnt selbst im Eingang seiner Aus-
führungen vor den Täuschungen, denen man dabei aus-
gesetzt sei; ich glaube aber, daß er in seinem Eifer sich
selbst davon nicht ganz frei gehalten hat. Gleich bei der
ersten Kinderfigur, dem ältesten Sohne der Saskia, Rum-
bartus, muß er, um die Zeichnungen und Bilder ihm anzu-
passen, seine Geburt um fast ein Jahr früher ansetzen, als
es den Urkunden nach wahrscheinlich ist, und muß ihn
fünf bis sechs Jahre alt werden lassen, während er viel-
leicht schon im zartesten Alter gestorben ist. Wenn
Valentiner Titus schon in der Wiege erkennen will, so ist
das doch fast Hellseherei; da könnte man schließlich auch
auf die Gestalten hinter den verschlossenen Türen raten.
Bei diesen Kinderstudien, denen ja alles Individuelle noch
abgeht, genügt es wahrlich, wenn darauf hingewiesen wird,
daß sie wohl zum Teil in der eigenen Kinderstube ge-
macht worden seien. Auch Hendrikje sucht der Verfasser
gar zu weit rückwärts zu verfolgen; er verfällt dabei in
zweifellose Irrtümer dadurch, daß er offenbar die meisten
der fraglichen Bilder nur aus farblosen Nachbildungen
kennt. Das »Mädchen am Fenster« in Dulwich (datiert
1645) und die »Kleine mit der Medaille« bei Mr. Robert
Hoe in New York sind in der Tat noch halbe Kinder,
während Hendrikje 1645 bereits neunzehn Jahre alt war;
und das junge Waisenmädchen im Museum zu Chicago
aus diesem Jahre, das etwa dieses Alter hat, ist von ganz
abweichendem Typus und Farbe. Dagegen ist in dem
»jungen Mädchen am Fenster lehnend« in der Galerie zu
Stockholm, wie ich in meinem Rembrandtwerk schon an-
gedeutet habe, mit Wahrscheinlichkeit Hendrikje zu er-
kennen. Ebenso mißlich ist es, in den historischen Kom-
positionen mit Bestimmtheit das eine oder andere Porträt
entdecken zu wollen; Rembrandt hat die Köpfe in diesen
Bildern offenbar meist ohne direkte Modelle gemalt, hat
nur ältere Studien und Zeichnungen benutzt und aus dem
Kopfe umgemodelt. Ganz selten ist uns einmal eine direkte
Studie erhalten, z. B. für die Susanna im Berliner Bilde
(Sammlung Bonnat), die aber ganz überzeugend beweist,
daß Hendrikje für jenes Bildnis nicht als Modell gedient
haben kann. Porträts von Hendrikjes Mutter oder von
der Mutter von Titus' Gattin unter den zahlreichen Bildern
alter Frauen der letzten Zeit ausfindig machen zu wollen,
 
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