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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 16.1905

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Bode, Wilhelm von: Rudolf Kann und seine Sammlungen
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Verschiedenes / Inserate
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https://doi.org/10.11588/diglit.5901#0155

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Nekrologe — Personalien — Funde

Über die Sammlung selbst habe ich vor einigen
Jahren in dem Text zu dem von der Gesellschaft für
vervielfältigende Kunst in Wien herausgegebenen
Prachtwerke ausführlich Rechenschaft gegeben. Hier
muß ein kurzer Überblick genügen. Den Clou der
Sammlung bilden die Gemälde von Rembrandt, ein
volles Dutzend, noch einmal so viel wie in den für
Rembrandt nächstbedeutenden Privatgalerien, und zwar
sämtlich gewählte Stücke aus den fünfziger und vom
Anfang der sechziger Jahre. Darunter Meisterwerke
wie der »Pilatus«, die »Samariterin am Brunnen«, der
»Philosoph an der Büste Homers«, das entzückende
Titusbild, das Porträt der Hendrikje, die herrliche
Frau mit der Nelke und eine ganze Reihe malerischer
Studienköpfe. Daneben die großen Sittenbildmaler
der Nachfolger Rembrandts: Maes, Vermeer und P. de
Hooch in je einem trefflichen Werke; von Metsu sein
unbestrittenes Meisterwerk, der Besuch bei der jungen
Mutter; vonTerborch, von beiden Ostade und Jan Steen
einige ausgewählte Stücke. Besonders reich ist Jakob
Ruisdael vertreten, mit einem halben Dutzend ganz
vorzüglicher und sehr verschiedenartiger Bilder, der
seltene Hobbema mit vier Bildern, darunter einem
seiner Meisterwerke, Cuyp, Potter, Wouwerman,
A. van der Neer in verschiedenen, ausgezeichneten
und besonders eigenartigen Bildern. Von Th. de Keyser
und F. Hals verschiedene vorzügliche Bildnisse, von
den Tier- und Stillebenmalern: Jan Weenix, Honde-
coeter, van Beyeren, vor allem aber von dem Vlamen Fyt
eine Fülle der prächtigsten, im besten Sinne deko-
rativen Gemälde. Von den großen Vlamen verschie-
dene tüchtige Bilder von Rubens, namentlich aber
von A. van Dyck; unter den Kleinmeistern von
Brouwer, Teniers und vor allem ein Meisterwerk von
Cocx. Die französischen Maler des 18. Jahrhunderts
sind in ihren Hauptmeistern fast vollzählig und in
sehr feinen Werken vertreten, denen sich ein paar
treffliche Bilder von Guardi, Tiepolo und Goya an-
reihen. Unter den Altitalienern ist das herrliche Profil-
porträt einer jungen Tornabuoni von Ghirlandajo
weltbekannt; daneben hängt ein charaktervolles frühes
Porträt von Botticelli und Bilder von Bellini und
Benozzo Gozzoli. In demselben Raum eine kleine
Zahl gewählter früher Niederländer: Rogier, Memling,
Gerard David, Q. Massys und Jan Joost d. ä.

Was wird aus allen diesen Schätzen werden? Das
Ganze ist in der prächtigen geschmackvollen Anord-
nung und Einreihung so bestechend, daß die Hoff-
nung nahe lag, Palais und Sammlung möchten der
Stadt Paris vermacht sein oder wenigstens Teile
davon an öffentliche Sammlungen gehen. Mit ähn-
lichen Plänen hat sich der Verblichene auch ge-
tragen, aber der Tod überraschte ihn, ehe er sie
niederschrieb. Nach einem alten Testament gehen
(abgesehen von einem dem Louvre vermachten
Porträt des Th. de Keyser) die Sammlungen mit
dem ganzen Vermögen an vier Geschwister, die
Versteigerung der Kunstsachen soll aber nicht vor
zwei Jahren erfolgen. Wird es zu einer solchen
kommen? werden die Geschwister die Sammlungen
als Ganzes nach Amerika verkaufen? oder unter sich

verteilen? Das letztere ist das Wahrscheinlichere, da
der eine Erbe, der Bruder Moritz, ein ebenso leiden-
schaftlicher Sammler ist, wie es sein Bruder war, und
Sammlungen besitzt, die nach einzelnen Richtungen
sogar die des Verstorbenen noch übertreffen. Jeden-
falls wird Moritz Kann jetzt die Aufstellung seiner
eigenen Sammlungen rasch vollenden, und die Kunst-
freunde in Paris werden für ein paar Jahre in den
vereinigten Sammlungen der beiden Brüder Kann
einen der reichsten und gewähltesten Kunstchätze be-
wundern können, welche sich noch im Privatbesitz
befinden. Diese Ausstellung wird das Bild des großen
Sammlers in der würdigsten und edelsten Weise den
Beschauern zur Anschauung bringen.

WILHELM BODE.

NEKROLOGE

Die deutsche Kunst hat wieder einen ihrer Fürsten
verloren: Rudolf von Alt, der greise Dreiundneunziger,
ist am 12. März in Wien sanft entschlummert. An dieser
Stelle von seinem Lebensgange (der übrigens der einfachste
war), von seiner Persönlichkeit und von der Größe seiner
Kunst zu sprechen, erübrigt sich; Ludwig Hevesi hat ihm
zu seinem neunzigsten Geburtstage im August 1902 ein
volles Heft der Zeitschrift für bildende Kunst gewidmet,
auf dessen Lektüre hier wieder verwiesen sei. Aber die
Worte sollen festgehalten werden, die der Präsident der
Wiener Sezession Professor Rudolf Bacher sprach, als der
Trauerzug vor dem Wiener Sezessionshaus Halt machte:
»An der Schwelle dieses Hauses, das du mit erbauen ge-
holfen, begrüßen wir deine irdischen Überreste. Mit
zitternder Hand und doch jugendfrohem Herzen hast du
an dieser Stelle die ersten Hammerschläge auf den ersten
Stein geführt, und diesem Hause, das einer freien und
reinen Kunst gewidmet sein soll, die Weihe gegeben. Du
hast das stolze Wort geprägt: »Wir fühlen uns noch jung
genug, von vorne zu beginnen.« Nun ruht deine Hand,
und dich umfängt die stolze Ruhe der Ewigkeit. Wir
stehen in einer Welt des Streites und des Unfriedens.
Mit schwerem Herzen lege ich diesen Kranz auf deinen
Sarg. Ehrwürdig durch dein Alter, ehrwürdig durch dein
reines Streben, durch deine schlichte, innige Kunst leuchte
uns voran und sei uns ein Leitstern für das ganze weitere
Leben!«

PERSONALIEN

Am 2. März beging der Berliner Maler religiöser
Bilder Bernhard Plockhorst seinen 80. Geburtstag.
Der älteste Hamburger Maler, der Landschafter Rudolf
Hardorff, feierte am 8. März seinen 90. Geburtstag.

FUNDE

Auffindung von deutschen Renaissancewand-
teppichen im Schlosse zu Eisenberg. Gelegentlich
von Nachforschungen über Alt-Thüringer Porzellan ent-
deckte Herr Direktor Dr. Kurzwelly im Schlosse zu Eisen-
berg (Sachsen-AItenburg) in einem nur schwach erhellten
und aus dem 18. Jahrhundert intakt erhaltenen Räume hinter
der Kapelle drei große Wandteppiche und zwar charakte-
ristische und zum Teil bezeichnete und 1551 datierte Arbeiten
des nunmehr durch sieben vortreffliche Teppiche bekannt
kannt gewordenen Leipziger Webers Seger Bombek. Der
eine dieser Wandteppiche, ein ca. 4 Meter langer und
1V3 Meter breiter Streifen mit dem lebensgroßen Brustbilde
Christi, »wie es Lentulus gemalt«, flankiert von zwei ge-
flügelten Kentauren mit ornamental verlaufenden Leibern,
 
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