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Privater Kunstbesitz in Wiesbaden
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tisch mit den Allegorien der vier Jahreszeiten von
V. Cadorin vertreten. — Auffallen muß es, daß Österreich
die Ausstellung kaum beschickt hat. Wir begegnen
nur den Namen Carl Leopold Müller, v. Ehrmanns
und einigen wenigen anderen. Wie immer ist unter
den landschaftlichen Gemälden dieser Ausstellung
manches sehr Hervorragende; dagegen unter den
Figurenbildern auch nicht eines, welches nach irgend
einer Richtung hin überwältigend oder ergreifend den
Besucher fesseln oder sich einen Platz in dessen
Erinnerungsvermögen dauernd erobern könnte. Ich
spreche hier nur von den neuesten Schöpfungen, nicht
von hier befindlichen Bildern, die vor 30 und 40 Jahren
gemalt sind und einen Weltruf erlangt haben.
AUG. WOLF.
PRIVATER KUNSTBESITZ IN WIESBADEN
Wiesbaden hat eine aus Privatbesitz zusammengebrachte
Ausstellung eröffnet. Entgegen einem früheren Plane, der
auf eine lokale kunsthistorische Leihaustellung hinzielte,
hatte man sich noch in letzter Minute entschließen müssen,
wegen einer zu großen Beteiligung von der alten Kunst
für dieses Jahr ganz abzusehen. Die Eröffnung der wohl-
gelungenen Ausstellung, in der allerdings von irgend einer
Ordnung nach künstlerischen oder chronologischen Ge-
sichtspunkten nicht die Rede sein kann, fand am ersten
Sonntag im Mai statt.
Am stärksten ist natürlich, entsprechend dem konser-
vativen Lokalgeschmack der Rheinländer, die alte und
junge Düsseldorfer Schule vertreten, Hasenclever mit einem
alle Vorzüge der gediegenen alten Schule aufweisenden
männlichen Porträt, F. Th. Hildebrand mit einem altväter-
lich holdseligem Frauenbildnis, Camphausen mit einem
kleinen Bilde Friedrichs d. Or. Ein feines Mädchenköpfchen
von Ferdinand Sohn (Besitzerin Frau Naumann - Renier)
mutet trotz scharf umrissener Zeichnung merkwürdig modern
an. Lessing, Schirmer (Konsistoriatpräs. Dr. Ernst), Vautier
und die Achenbachs fehlen natürlich nicht. Der Schirmer
ist ein feines Stück und A. Achenbachs »Fischerdorf bei
Vollmond« (Dr. Heintzmann) gehört zu den besten Schöp-
fungen des Meisters. In Dücker, Oude und dem Holländer
H. W. Mesdag, den man hier unwillkürlich zur Konfrontation
heranziehen muß, hat die Ausstellung ein interessantes Drei-
gestirn der Marinemalerei vereinigt. Von ausgezeichneter
Qualität sind auch zwei Winterlandschaften Munthes (Dr.
Heintzmann und Dr. Hagemann). Ein Studienkopf von
Gebhardt (Dr. Fleischer) ist eines der interessantesten
kleineren Arbeiten dieses eigenartigen Künstlers. Scharf
und herb im Kontur, charakteristisch für den von Gebhardt
so eigenartig nachempfundenen Thesenstil der Reformations-
epoche. Im gleichen Besitz befindet sich noch ein »Früh-
ling« von Oeder, mit allen Mitteln subtilster Technik auf
eine weiche, duftgraue Stimmung abgetönt. In lebhaftesten
Gegensatz dazu tritt Dirks »Verschneiter Hafen« mit seinem
bunten Farbenakkord und Gerhard Janssen mit famosen
Bohemetypen. Schreuers Rokokoversunkenheit, Nikutows-
kis Architekturlyrik und Liesegangs echt niederrheinischer
Lokaltimbre schließen den Düsseldorfer Kreis.
In die übrige Gesellschaft ist schwer Ordnung zu bringen.
Man muß sie in ihrem wunderlichen Nebeneinander auf
sich wirken lassen. Zwei Feuerbachs flankieren ein in
wattiges Samtgrün und rot gemaltes »Dachau« von Keller-
Reutlingen. Namentlich die »Römerin« (Bes. C. Helmrich),
Feuerbachs schönes Iphigenienmodell, prägt sich einem
als etwas unvergeßlich Schönes ein. Sie allein ist einen
Besuch der Ausstellung wert. Um sie herum tummelt sich
etwas ältere Kunst kleineren Formates, ein typischer Veit,
ein guter Chodowiecki und der Abwechslung halber ein
Lenbachscher Studienkopf von guter Qualität. Unter den
älteren Stücken paradiert eine äußerst delikat gemalte
Porträtgruppe von Lawrence (Frau A. Mandl), ein vorzüg-
licher Graff (Dr. Wichern) und Diaz mit zwei herrlichen
Werken. Besonders die »Waldlandschaft« (Durlacher), ein
echtes Stück Wald von Fontainebleau mit jener für Diaz
typischen satten, goldigen Tiefe zwischen den Stämmen,
ist von bestrickendem Reiz. In ihre Nähe hätte der
»Sonnenuntergang« (W. Laaff), ein kleines pointillistisches
Bijou von Camille Pisarro, gehört, das etwa den Ausgang
jener Richtung markiert, an deren Anfängen sich Diaz
beteiligte.
Von Knaus fesselt ein emailfein gemalter Mädchenkopf
von 1863 (Prof. Pagenstecher), sowie ein Bildnis eines
sitzenden Mädchens in Weiß (Regierungsrat Müller), von
Baisch ein gutes Schmalbildchen, Tierstück, und das große
wirksame »Krevettenfänger«. Ganz brillant ist das »Jung-
vieh« von Braith (Prof. Pagenstecher). Zügel interessiert
durch zwei Tierstücke, beide Schafherden darstellend. Das
eine von 1891 verrät den französischen Einfluß, unter dem
Zügel einst stand, das andere von 1905 zeigt den Künstler
in seiner neuesten Phase, in der die frühere fleckige Licht-
gebung zugunsten einer breiteren einheitlichen Massen-
wirkung in Form und Farbe überwunden ist. Von Stuck, Sam-
berger und der lenbachisierenden Tini Rupprecht, an älteren
Landschaftstypen wie Wenglein oder Voltz und dem alten
Ed. Schleich vorüber, führen uns Preller und Rottmann
wieder in romantische Gefilde. Von ihnen wenden wir
uns zu Luga, dem letzten Romantiker unserer nüchternen
Zeit. Seine vier Landschaften bilden neben dem Feuerbach
den Clou der Ausstellung. Von dem »Sommer« (Prof.
Pagenstecher), dieser üppigen wogenden Wiese und der
mächtigen Baumgruppe im Hintergrund, wo ein Paar, von
dem rauschenden Reigen der Sommerstimmung hingerissen,
sich willenlos in die Arme sinkt, kann man sich schwer
trennen. Auch die »Schwarzwaldlandschaft« mit ihrer süß-
traurigen Hirtenpoesie, die Sehnsucht weckende »Abend-
stimmung« (Neff) und der arkadische »Sommertag« (Berg-
mann) mit seinen Thomareminiszenzen sind von unver-
gleichlichem Reiz. In dieser Nähe wagt man nur noch
den freilich ganz anders gearteten Kalckreuth zu nennen,
dessen herbgezeichnetes Bildnis eines Landmädchens eigen-
artig packt. Um noch kurz das Beste herauszugreifen,
wollen wir noch Canal, Buttersack, Baum, Schreyer und
M. Liebermann erwähnen, letzteren mit einer famosen
Stallszene (Alois Mayer) und einem meisterhaften Pa-
stell; ferner Dill mit Arbeiten seines früheren Stiles,
den Wiener Schuch mit warmblütigen »Pfingstrosen«,
L. v. Hofmann mit flotten Studien und einem »Armide«
benannten glühenden Farbenaufschrei. Ein paar erlesene
Holländer, Israels, Valkenburg, Schampheleer, die Poin-
tillisten Signac und Nibbrig (Dr. Koch) repräsentieren
würdig das Ausland. Schließlich dürfen wir an den
hiesigen Künstlern nicht vorübergehen, den gediegenen
Porträtisten Kögler, Watzelhan und Kossuth und dem
feinsinnigen Stimmungslyriker Hans Völcker, dessen »Im
Watt« (A. Mayer) mit seinen leichten über mattgrünem
Land hinfliehenden Wolken zu den besten modernen
Leistungen dieser Art gehört. Ebenso ist auch der
»Gutshof im Mondschein« von einer vollendeten Ge-
schlossenheit der Stimmung und vor dem kleinen »Morgen-
tau« (Hessenberg), einem wunderbaren Wiesenausschnitt,
wo nasses Spinnweb schier greifbar an den Halmen zittert,
fragen wir uns vergeblich, warum Völckers Name über
Wiesbaden hinaus noch so wenig bekannt ist.
M. ESCHERICH.
Privater Kunstbesitz in Wiesbaden
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tisch mit den Allegorien der vier Jahreszeiten von
V. Cadorin vertreten. — Auffallen muß es, daß Österreich
die Ausstellung kaum beschickt hat. Wir begegnen
nur den Namen Carl Leopold Müller, v. Ehrmanns
und einigen wenigen anderen. Wie immer ist unter
den landschaftlichen Gemälden dieser Ausstellung
manches sehr Hervorragende; dagegen unter den
Figurenbildern auch nicht eines, welches nach irgend
einer Richtung hin überwältigend oder ergreifend den
Besucher fesseln oder sich einen Platz in dessen
Erinnerungsvermögen dauernd erobern könnte. Ich
spreche hier nur von den neuesten Schöpfungen, nicht
von hier befindlichen Bildern, die vor 30 und 40 Jahren
gemalt sind und einen Weltruf erlangt haben.
AUG. WOLF.
PRIVATER KUNSTBESITZ IN WIESBADEN
Wiesbaden hat eine aus Privatbesitz zusammengebrachte
Ausstellung eröffnet. Entgegen einem früheren Plane, der
auf eine lokale kunsthistorische Leihaustellung hinzielte,
hatte man sich noch in letzter Minute entschließen müssen,
wegen einer zu großen Beteiligung von der alten Kunst
für dieses Jahr ganz abzusehen. Die Eröffnung der wohl-
gelungenen Ausstellung, in der allerdings von irgend einer
Ordnung nach künstlerischen oder chronologischen Ge-
sichtspunkten nicht die Rede sein kann, fand am ersten
Sonntag im Mai statt.
Am stärksten ist natürlich, entsprechend dem konser-
vativen Lokalgeschmack der Rheinländer, die alte und
junge Düsseldorfer Schule vertreten, Hasenclever mit einem
alle Vorzüge der gediegenen alten Schule aufweisenden
männlichen Porträt, F. Th. Hildebrand mit einem altväter-
lich holdseligem Frauenbildnis, Camphausen mit einem
kleinen Bilde Friedrichs d. Or. Ein feines Mädchenköpfchen
von Ferdinand Sohn (Besitzerin Frau Naumann - Renier)
mutet trotz scharf umrissener Zeichnung merkwürdig modern
an. Lessing, Schirmer (Konsistoriatpräs. Dr. Ernst), Vautier
und die Achenbachs fehlen natürlich nicht. Der Schirmer
ist ein feines Stück und A. Achenbachs »Fischerdorf bei
Vollmond« (Dr. Heintzmann) gehört zu den besten Schöp-
fungen des Meisters. In Dücker, Oude und dem Holländer
H. W. Mesdag, den man hier unwillkürlich zur Konfrontation
heranziehen muß, hat die Ausstellung ein interessantes Drei-
gestirn der Marinemalerei vereinigt. Von ausgezeichneter
Qualität sind auch zwei Winterlandschaften Munthes (Dr.
Heintzmann und Dr. Hagemann). Ein Studienkopf von
Gebhardt (Dr. Fleischer) ist eines der interessantesten
kleineren Arbeiten dieses eigenartigen Künstlers. Scharf
und herb im Kontur, charakteristisch für den von Gebhardt
so eigenartig nachempfundenen Thesenstil der Reformations-
epoche. Im gleichen Besitz befindet sich noch ein »Früh-
ling« von Oeder, mit allen Mitteln subtilster Technik auf
eine weiche, duftgraue Stimmung abgetönt. In lebhaftesten
Gegensatz dazu tritt Dirks »Verschneiter Hafen« mit seinem
bunten Farbenakkord und Gerhard Janssen mit famosen
Bohemetypen. Schreuers Rokokoversunkenheit, Nikutows-
kis Architekturlyrik und Liesegangs echt niederrheinischer
Lokaltimbre schließen den Düsseldorfer Kreis.
In die übrige Gesellschaft ist schwer Ordnung zu bringen.
Man muß sie in ihrem wunderlichen Nebeneinander auf
sich wirken lassen. Zwei Feuerbachs flankieren ein in
wattiges Samtgrün und rot gemaltes »Dachau« von Keller-
Reutlingen. Namentlich die »Römerin« (Bes. C. Helmrich),
Feuerbachs schönes Iphigenienmodell, prägt sich einem
als etwas unvergeßlich Schönes ein. Sie allein ist einen
Besuch der Ausstellung wert. Um sie herum tummelt sich
etwas ältere Kunst kleineren Formates, ein typischer Veit,
ein guter Chodowiecki und der Abwechslung halber ein
Lenbachscher Studienkopf von guter Qualität. Unter den
älteren Stücken paradiert eine äußerst delikat gemalte
Porträtgruppe von Lawrence (Frau A. Mandl), ein vorzüg-
licher Graff (Dr. Wichern) und Diaz mit zwei herrlichen
Werken. Besonders die »Waldlandschaft« (Durlacher), ein
echtes Stück Wald von Fontainebleau mit jener für Diaz
typischen satten, goldigen Tiefe zwischen den Stämmen,
ist von bestrickendem Reiz. In ihre Nähe hätte der
»Sonnenuntergang« (W. Laaff), ein kleines pointillistisches
Bijou von Camille Pisarro, gehört, das etwa den Ausgang
jener Richtung markiert, an deren Anfängen sich Diaz
beteiligte.
Von Knaus fesselt ein emailfein gemalter Mädchenkopf
von 1863 (Prof. Pagenstecher), sowie ein Bildnis eines
sitzenden Mädchens in Weiß (Regierungsrat Müller), von
Baisch ein gutes Schmalbildchen, Tierstück, und das große
wirksame »Krevettenfänger«. Ganz brillant ist das »Jung-
vieh« von Braith (Prof. Pagenstecher). Zügel interessiert
durch zwei Tierstücke, beide Schafherden darstellend. Das
eine von 1891 verrät den französischen Einfluß, unter dem
Zügel einst stand, das andere von 1905 zeigt den Künstler
in seiner neuesten Phase, in der die frühere fleckige Licht-
gebung zugunsten einer breiteren einheitlichen Massen-
wirkung in Form und Farbe überwunden ist. Von Stuck, Sam-
berger und der lenbachisierenden Tini Rupprecht, an älteren
Landschaftstypen wie Wenglein oder Voltz und dem alten
Ed. Schleich vorüber, führen uns Preller und Rottmann
wieder in romantische Gefilde. Von ihnen wenden wir
uns zu Luga, dem letzten Romantiker unserer nüchternen
Zeit. Seine vier Landschaften bilden neben dem Feuerbach
den Clou der Ausstellung. Von dem »Sommer« (Prof.
Pagenstecher), dieser üppigen wogenden Wiese und der
mächtigen Baumgruppe im Hintergrund, wo ein Paar, von
dem rauschenden Reigen der Sommerstimmung hingerissen,
sich willenlos in die Arme sinkt, kann man sich schwer
trennen. Auch die »Schwarzwaldlandschaft« mit ihrer süß-
traurigen Hirtenpoesie, die Sehnsucht weckende »Abend-
stimmung« (Neff) und der arkadische »Sommertag« (Berg-
mann) mit seinen Thomareminiszenzen sind von unver-
gleichlichem Reiz. In dieser Nähe wagt man nur noch
den freilich ganz anders gearteten Kalckreuth zu nennen,
dessen herbgezeichnetes Bildnis eines Landmädchens eigen-
artig packt. Um noch kurz das Beste herauszugreifen,
wollen wir noch Canal, Buttersack, Baum, Schreyer und
M. Liebermann erwähnen, letzteren mit einer famosen
Stallszene (Alois Mayer) und einem meisterhaften Pa-
stell; ferner Dill mit Arbeiten seines früheren Stiles,
den Wiener Schuch mit warmblütigen »Pfingstrosen«,
L. v. Hofmann mit flotten Studien und einem »Armide«
benannten glühenden Farbenaufschrei. Ein paar erlesene
Holländer, Israels, Valkenburg, Schampheleer, die Poin-
tillisten Signac und Nibbrig (Dr. Koch) repräsentieren
würdig das Ausland. Schließlich dürfen wir an den
hiesigen Künstlern nicht vorübergehen, den gediegenen
Porträtisten Kögler, Watzelhan und Kossuth und dem
feinsinnigen Stimmungslyriker Hans Völcker, dessen »Im
Watt« (A. Mayer) mit seinen leichten über mattgrünem
Land hinfliehenden Wolken zu den besten modernen
Leistungen dieser Art gehört. Ebenso ist auch der
»Gutshof im Mondschein« von einer vollendeten Ge-
schlossenheit der Stimmung und vor dem kleinen »Morgen-
tau« (Hessenberg), einem wunderbaren Wiesenausschnitt,
wo nasses Spinnweb schier greifbar an den Halmen zittert,
fragen wir uns vergeblich, warum Völckers Name über
Wiesbaden hinaus noch so wenig bekannt ist.
M. ESCHERICH.