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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 16.1905

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Die neuen Erwerbungen der Berliner Nationalgalerie
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Bode, Wilhelm von: Rudolf Kann und seine Sammlungen
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https://doi.org/10.11588/diglit.5901#0154

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Rudolf Kann und

seine Sammlungen

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und Ludwig Vordermeyer mit einem prächtigen bron-
zenen Hahn, die Münchener Adolf Hildebrand mit
der von der Familie geschenkten Büste von Werner
von Siemens. Ferner finden wir einen St. Georg in
getöntem Marmor und Granit von Hugo Kauf/mann
und Statuetten von Taschner und Löbach. Von Rodins
»Denker« ist schon in der letzten Nummer der »Chronik«
die Rede gewesen. Sehr glückliche Erwerbungen
sind die prächtigen Vertreter der Antwerpener Gilden
von Julian Dillens, dem kürzlich verstorbenen genial-
sten Vertreter der dekorativen Plastik in Belgien, und
die lebensvolle Büste dieses schönen Menschen von
Lagae. Ausgezeichneten Zuwachs hat endlich die
Abteilung der Handzeichnungen durch Werke von
Schadow, Weitsch, Buchhorn, Kobell, Alt, Menzel,
Schwind, Franz Meyerheim, Thöny, Otto Fischer und
vor allem Käthe Kollwitz erhalten. o.

RUDOLF KANN UND SEINE SAMMLUNGEN
In Paris starb am 14. Februar im fast vollendeten
sechzigsten Jahre der eifrigste und erfolgreichste
Sammler alter Gemälde seit der Zeit des Marquis of
Hertford, Rudolf Kann. Sohn eines sehr wohlhaben-
den Frankfurter Kaufmanns war er einige Jahre nach
dem Kriege von 1870 nach Paris übergesiedelt, um
hier mit seinem älteren Bruder Moritz eine Bank zu
begründen. Als anfangs der achtziger Jahre in Südafrika
die ersten großen Gold- und Diamantenfunde gemacht
wurden und die Ausbeutung der großen Schätze durch
Minen begann, für die in Europa das Kapital ge-
sucht wurde, übernahm Rudolf Kann die Einführung
der shares dieser Minen in Frankreich. Seinem rich-
tigen Blicke verdankte er es, daß er dazu von vorn-
herein mit Männern in Verbindung trat, welche am
Kap selbst in harter Arbeit ihre Erfahrungen ge-
sammelt hatten und Verständnis und Energie zur Aus-
nützung derselben bewiesen. In nächste Beziehung
trat er namentlich mit Jules Porges und später mit
Alfred Beit und Julius Wernher, eine Beziehung, die
auch für die Gestaltung des Lebens dieser Männer
von Bedeutung geworden ist. Die Anregung zum
Sammeln von Kunstwerken erhielt Kann, nachdem
ihm die Mittel hierzu reichlich zur Verfügung standen,
durch den Kreis von Verwandten und Freunden, in
dem er in Paris lebte. Seine ersten Gemälde alter
Meister, die ihn stets das eigentliche Ziel beim Sam-
meln blieben, erwarb er vor nahezu dreißig Jahren
unter der Leitung seines Bruders Moritz, der als älterer
Sammler schon reichere Erfahrungen hatte. Die engen
Beziehungen zu diesem einzigen Bruder sind stets
die gleichen geblieben, sind aber von Fernerstehenden
meist sehr falsch beurteilt worden. Moritz, um
mehrere Jahre älter, hat Rudolf stets als Baby und
als seinen Schutzbefohlenen betrachtet, auch beim
Sammeln, wo beide ihr Leben hindurch Konkurrenten
blieben. Er konnte daher, wenn der jüngere Bruder
Erwerbungen machte, ohne ihn zu fragen, oder die
seine volle Zustimmung nicht hatten, sich sehr ab-
fällig über diesen äußern; nichtsdestoweniger waren
sie stets gute Freunde, und der jüngere hat im Leben
seine Abhängigkeit vom älteren und seine Anhäng-

lichkeit an ihn nie verleugnet. Bauten sie doch auch
schließlich das schöne Doppelpalais in der Avenue
d'Jena, dessen Fertigstellung in den Sammlungs-
räumen des Moritzschen Hauses Rudolf leider nicht
mehr erleben sollte.

Seit etwa zwanzig Jahren lebte Rudolf Kann fast
ganz der Kunst und dem Sammeln. So leidenschaft-
lich er dabei war, so vorsichtig war er doch. Er
liebte es, erst alle schlechten Eigenschaften eines
Bildes hervorzuheben und sich klar zu machen, und
entschloß sich daher sehr schwer, besprach auch fast
jeden Ankauf mit seinen Freunden. Jahrelang hat man
Schreiber dieser Zeilen als seinen Ratgeber bezeichnet;
später, als Krankheit mich am Reisen verhinderte, hat
mein Kollege Lippmann diesen Platz eingenommen;
lange stand ihm, neben seinem Bruder, auch Charles Sedel-
meyer mit Rat und Tat zur Seite: aber die Entscheidung
hat Kann doch schließlich immer selbständig getroffen,
er fragte nur, um seine Skrupel beseitigt zu sehen.
Wenn auch andere ihm bei der Zusammenbringung
geholfen haben, so gebührt der Ruhm seiner Samm-
lung ihm allein; seinem Geschmack, seiner vorsich-
tigen Wahl, seinem künstlerischen Blicke verdankt die
Sammlung die Gewähltheit und glückliche Mannig-
faltigkeit und die geschmackvolle Installierung und
Aufstellung, Eigenschaften, in denen sie durch keine
andere Privatsammlung übertroffen, ja kaum erreicht
wird.

Rudolf Kann benutzte jede Gelegenheit zu einem
vorteilhaften Kauf; auf fast allen größeren Versteige-
rungen in Paris und London und bei zahlreichen
Kunsthändlern in Frankreich wie in England, in Italien,
Spanien und Deutschland, selbst in Rußland hat er
seine Erwerbungen gemacht. Bei seinen Ankäufen
war er keineswegs verschwenderisch; er wußte sogar
billig zu kaufen und hat sehr hohe Preise nur aus-
nahmsweise gezahlt, wenn er, wie zur Beschaffung
von passenden Statuen für sein neues Palais, auf keine
andere Weise das Gewünschte bekommen konnte.
Seine ursprüngliche und bleibende Vorliebe waren
die holländischen Meister, vor allem Rembrandt, den
er recht eigentlich erst salonfähig in Paris gemacht
hat. Später hat er, namentlich zur dekorativen Aus-
stattung seiner Räume, die streng im Stil Ludwigs XIV.
und XV. gehalten sind, auch französische Gemälde
gekauft; und wie so viele erste Sammler gewann er
mit der Zeit besondere Freude an den Primitiven,
den alten Italienern wie den alten Niederländern, die
er in einem besonders ausgestatteten Räume aufstellte.
Für die würdige Inszenierung dieser Sammlung hat
er, schon lange ehe er zu bauen begann, hervor-
ragende Möbel und Dekorationsstücke erworben und
bei ihrer Auswahl, gerade wie bei den Gemälden,
auf beste Qualität und tadellose Erhaltung gesehen.
Seine Gobelins, seine Louis' XV- und Louis' XVI.-
Möbel, seine Bronzen und Porzellane stehen daher
den eigentlichen Kunstsachen nicht nach und tragen
zu der vornehmen, prächtigen Wirkung der Räume
sehr wesentlich bei, deren Genuß dem Verblichenen
die schweren Leiden der letzten Jahre verhältnismäßig
leicht und ohne Klagen tragen ließ.
 
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