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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 16.1905

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Schmidt, Karl Eugen: Die Pariser Salons
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https://doi.org/10.11588/diglit.5901#0201

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KUNSTCHRONIK

WOCHENSCHRIFT FÜR KUNST UND KUNSTGEWERBE

Verlag von E. A. SEEMANN in Leipzig, Querstraße 13

Neue Folge. XVI. Jahrgang 1904/1905 Nr. 25. 19. Mai

Die Kunstchronik erscheint als Beiblatt zur »Zeitschrift für bildende Kunst« und zum »Kunstgewerbeblatt« monatlich dreimal, in den Sommer-
monaten Juli bis September monatlich einmal. Der Jahrgang kostet 8 Mark und umfaßt 33 Nummern. Die Abonnenten der »Zeitschrift für bildende
Kunst« erhalten die Kunstchronik kostenfrei. — Für Zeichnungen, Manuskripte usw., die unverlangt eingesandt werden, leisten Redaktion und
Verlagshandlung keine Gewähr. Alle Briefschaften und Sendungen sind zu richten an E.A.Seemann, Leipzig, Querstraße 13. Anzeigen 30 Pf. für
die dreispaltige Petitzeile, nehmen außer der Verlagshandlung die Annoncenexpeditionen von Haasenstein & Vogler, Rud. Mosse usw. an.

DIE PARISER SALONS

Der diesjährige Salon der Societe nationale ist
vielleicht nicht schlechter, aber gewiß nicht besser
als seine unmittelbaren Vorgänger. Ich wüßte nicht,
welchen neuen und guten Namen ich hervorheben
könnte, es sei denn der des Spaniers Claudio Caste-
lucho, auf den ich schon bei der Besprechung der
Ausstellung der Unabhängigen aufmerksam gemacht
habe und der jetzt drei lachende Weiber zeigt, die an
Lebendigkeit der Auffassung und an kräftiger Pinsel-
führung mit Frans Hals wetteifern, koloristisch aber
auf ganz modernem Boden stehen und jenen spezi-
fisch spanischen Zug besitzen, den man in Velasquez,
Goya und bei den Neueren sehr verschandelt in
Zuloagas und Angladas Malereien findet. Um gleich
diese beiden zu besuchen: Zuloaga hat drei große
Bilder ausgestellt, drei junge spanische Mädchen auf
dem einen Bilde, die an violetter und grüner Haut
wieder das Menschenmögliche leisten und die cha-
rakteristische Häßlichkeit bis aufs äußerste treiben.
Ein Stierkämpfer, der einem bremischen Sammler ge-
hört, ist ein gutes und bezeichnendes Stück, aber ich
glaube von Jahr zu Jahr weniger, daß dieser Maler
für die Jahrhunderte malt. Vielmehr vermute ich,
daß man uns in dreißig Jahren wegen dieser Zuloaga-
mode auslachen wird. Die verdiente Bewunderung,
die seine ersten, in Paris gezeigten Bilder fanden,
hat ihn in eine Manier getrieben, die anfängt, un-
ausstehlich zu werden. Nicht viel besser steht es
mit Anglada. In dem Bemühen, immer prächtiger
und herrlicher in der Farbe zu werden, hat er in
diesem Jahre ein Bild ausgestellt, aus dem kein
Mensch klug wird; im Katalog steht, daß es ein spa-
nischer Hahnenmarkt ist, und mit Hilfe dieser Er-
klärung kann man denn auch einen Käufer, einige
Marktweiber und eine große Anzahl buntbefiederter
und rotbekämmter Hähne entdecken. Als orienta-
lischer Teppich wäre die Sache ausgezeichnet, als
Gemälde ist sie ein schillerndes Bilderrätsel. Übrigens
hat Anglada das sehr umfangreiche Gemälde mit
einem Glase bedeckt, und das ist ein kleiner Trick,
der Beachtung verdient. Selbst das sogenannte farb-
lose Glas ist gleichsam eine harmonisierende und
ausgleichende Patina, die man über ein Bild legt,
und die schreiendsten und mißtönigsten Farben-
kontraste können durch dieses einfache Mittel in Ein-

klang gebracht werden. Ich habe gesehen, wie durch
ein blaues Glas eine im schreiendsten Sonnenlichte
dastehende Landschaft in die sanfteste und harmo-
nischste Mondscheinszenerie verwandelt wurde. Aber
das sind Kniffe, die sich ein Künstler auf den Aus-
stellungen nicht gestatten sollte. Herr Anglada sollte
seine Bilder ohne Glas zeigen, damit wir sehen, was
er gemalt hat, nicht aber, was die Glasdecke aus
seiner Malerei macht.

Die räumlich größte und auch vielleicht die inter-
essanteste Arbeit im Salon ist ein Teil des Plafonds,
den Besnard für das Französische Theater malt.
Besnard ist so oft als Maler des Lichtes und seiner
Wirkungen gefeiert worden, daß er darüber unmög-
lichen Zielen zugetrieben wird. In seinem Plafond
will er ganz einfach die Sonne selbst malen. Nun
ist das nicht so schwer, wie es auf den ersten Blick
scheint. Ein paar Jahre lang stellte ein Däne namens
Schönheyder-Möller regelmäßig sechs oder sieben
Bilder in der Societe nationale aus, und auf jedem
dieser Bilder war die Sonne so geschickt gemalt,
daß dem Hinschauenden die Augen wehtaten. Unter-
suchte man die Sache näher, so entdeckte man, daß
der Mann zunächst mit dem Zirkel einen Kreis schlug,
den er ganz weiß ließ, dann folgte Hellgelb, Orange,
Lila, Blau, Grün, Violett, und zwar nicht mehr in
vollen Kreisen, sondern in flimmernden Flecken, und
endlich kam dann das eigentliche Bild, die Wald-
bäume nämlich, durch deren Laub die Sonne schien.
Genau nach diesem Rezepte hat Besnard seine Sonne
gemalt, und die Wirkung ist die nämliche: man muß
die Augen schließen und kann fünf Minuten lang
überhaupt nichts mehr ansehen, so sehr wird man
von diesem Lichtquell geblendet. Und wie man bei
Schönheyder-Möller die Bäume nicht sah, so sieht
man bei Besnard Apollo, seinen Wagen, seine Pferde,
seine Musen und die vierundzwanzig »Stunden« erst,
wenn sich die Augen erholt haben und entschlossen
von der Sonne selbst abkehren. Wenn Besnard
seinen Plafond wirklich in dieser Verfassung an-
bringen läßt, so wird das kein kleines Hallo geben.
Indessen wird auch hier die gesegnete Patina der
Zeit helfen, sie wird alles mildern und harmonisieren,
und in zwanzig Jahren wird diese Malerei einfach
vollkommen sein.

Dieses Wunder hat die Zeit, der Tabaksrauch und
die schlechte Luft für Willettes Parce Domine ge-
 
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