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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 16.1905

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Hevesi, Ludwig: Wiener Brief, [1]
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Daun, Berthold: Wittenberg die Geburtsstätte der deutschen Renaissance?, [1]
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https://doi.org/10.11588/diglit.5901#0084

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Wittenberg die Oeburtsstätte der deutschen Renaissance? 152

15'

die Moderne Galerie erworben) sieht man seine ma-
lerische Biographie ausgebreitet. Darunter Hauptwerke,
zum Teil aus der Berliner Nationalgalerie: die »Schuster-
werkstatt«, die große »Flachsscheuer in Laaren«
(1887), die »Bleiche« (1882), auch »Simson und
Delila«. Den Lesern der »Kunstchronik« ist über alle
diese Dinge nichts Neues mehr zu sagen. Beson-
deres Vergnügen machen auch wieder die zahlreichen
Studien, in denen die unwägbaren Dinge dem Auge
fühlbar werden, und die summarischen Zeichnungen,
in denen mit einem Minimum an Mitteln ein Maxi-
mum an Andeutungen erreicht wird. Im übrigen
zeigt die Ausstellung vielfachen Fortschritt der Jüngeren
{Hugo Baar, Irma v. Dutczynska, Aug. Roth, Rudolf
Junk, Viktor Stretti und andere). Einige Honoratioren
und Gäste (Goltz, Hudecck, Uprka, Ranzoni, Luntz
und andere) haben auffallend gut ausgestellt.

WITTENBERG DIE GEBURTSSTÄTTE DER
DEUTSCHEN RENAISSANCE?
Von Berthold Daun

Der kleinste archivalische Fund, der über einen
bestimmten Lebensabschnitt eines Meisters Auskunft
gibt, kann zu bedeutsamen Schlüssen führen und be-
antwortet zuweilen manche »Frage«, die jahrzehnte-
lang die Kunstforschung beschäftigt hat. Aber eine
neu aufgefundene Notiz kann auch zu der wunder-
lichsten Behauptung verleiten, und der glückliche
Finder geht dann in seiner Freude sogar so weit,
ein Faktum, woran sich eben nicht rütteln läßt, ge-
waltsam über den Haufen zu werfen. Die neue Be-
hauptung würde freilich von vornherein nicht ernst
genommen werden, wenn nicht eine urkundliche
Nachricht scheinbar dafür spräche.

Dr. Robert Bruck schreibt in seinem Buche: Fried-
rich der Weise als Förderer der Kunst1), von dem
er in manchen Punkten ein neues Bild zeichnet, auf
Seite 83 folgenden unzulässigen Passus: »In Witten-
berg lernen die deutschen Künstler den Akt kennen,
hier wurden Adam und Eva von Dürer, Meit und
Cranach geschaffen, das intensive Studium des Nackten
aber durch den Italiener Jacopo de' Barbari vermittelt.
Mir scheint dieser Zusammenhang für unsere deutsche
Kunstgeschichte von höchster Bedeutung. Er läßt
uns Wittenberg als die Geburtsstätte unserer deutschen
Renaissance und das Jahr 1504 als das Geburtsjahr
derselben erkennen.«

Man fragt sich, welche feststehenden Tatsachen
konnten Bruck zu diesen fast chauvinistisch klingenden
Schlüssen führen?

Dürers Kupferstich Adam und Eva von 1504 hat
als Wasserzeichen den Wittenberger Ochsenkopf.
Deshalb, schließt Bruck, ist dieser Stich in Wittenberg
angefertigt (!) und zeigt den ersten Akt im Renaissance-
sinne in Deutschland; also vollzog sich damals in
Wittenberg die Geburt der deutschen Renaissance (!).

Bald nach der Rückkehr von seiner Wanderschaft

1) Studien zur deutschen Kunstgeschichte, Heft 45,
Straßburg, J. N. Ed. Heitz, 1903.

nach Nürnberg verließ Dürer, nachdem er geheiratet
hatte, auf einige Zeit seinen Geburtsort und war Ende
1494/95 für den Kurfürsten Friedrich den Weisen in
Wittenberg tätig'). Dieser sächsische Landesherr war
einer der wenigen Fürsten, die sich der deutschen
Kunst annahmen, und hatte schon früher mit Dürers
Lehrer Michael Wolgemut in Verbindung gestanden.
Nicht unwahrscheinlich ist es, daß derjunge Meister
vielleicht durch Vermittlung Wolgemuts eine Be-
gegnung mit dem Kurfürsten hatte, als dieser sich 1494
in Nürnberg aufhielt. Nachdem Dürer für Friedrich
den Weisen, der dessen erster fürstlicher Gönner
wurde, mit Malereien im Wittenberger Schlosse be-
schäftigt gewesen war, finden wir ihn seit 1495 in
Nürnberg wieder fest ansässig. Die von Terey aus-
gesprochene und von Händcke wiederholte Vermutung
Dürer sei nach der Rückkehr von der Wanderschaft
nach Italien gegangen, erweist sich hiermit als irrig2).

Die Beziehungen Dürers zum Kurfürsten blieben
in der Folgezeit bestehen. Im Jahre 1496 hatte
Friedrich der Weise das heute in Dresden befind-
liche Altarwerk bestellt und im selben Jahre noch
bekommen. Vom Jahre 1501 —1503 hatte er einen
Knaben, für den er väterlich sorgte, bei Dürer in die
Lehre gegeben8), und 1503 berief er den Meister zum
zweitenmale nach Wittenberg, um bei der inneren
Ausschmückung des Schlosses tätig zu sein. Dürer
war jedoch im folgenden Jahre schon wieder nach
seinem Heimatsorte zurückgekehrt, denn das erfahren
wir aus der Notiz, daß er mit seiner Frau Agnes in
der Woche vom 10.—17. August 1504 bei Jacopo
de' Barbari, mit dem zusammen er im vorigen Jahre
vom Kurfürsten berufen war, auf kurzen Besuch in
Wittenberg weilte4).

Dürer hat seinen Stich Adam und Eva 1504
datiert. In Nürnberg also, wo er wieder sein eigner
Herr war, hat er Zeit gefunden, Proportions- und
Aktstudien zu machen. In Nürnberg ist natürlich
auch der Druck der fertigen Platte besorgt. Daß
die Drucke als Wasserzeichen »den Wittenberger
Ochsenkopf« haben, wie Bruck nachdrücklich hervor-
hebt, beweist doch gar nichts.

Wenn Bruck sich die kleine Mühe gegeben hätte,
noch andere Dürerstiche daraufhin zu untersuchen,
so würde er entdeckt haben, daß eine ganze Reihe
von Blättern aus früherer und späterer Zeit als
Wasserzeichen denselben Ochsenkopf haben. Dann
müßten ja alle diese Stiche in Wittenberg entstanden
sein! Hausmann sagt in seiner Einleitung5), daß die
Hauptpapiersorte, die Dürer in der ersten Zeit ver-
wendete, den Ochsenkopf trug, ein Zeichen, das sich

1) In den Amtsrechnungen Wittenbergs 1494—1495
steht: »Item ij/?xlgl. Albrecht maier von der ussladung
treu malen« vgl. Bruck, p. 145.

2) Terey, Albrecht Dürers venezianischer Aufenthalt
1494—1495, 1892. Händcke, Die Chronologie der Land-
schaften Dürers, 1899.

3) Bruck, p. 146. Dürer bekam dafür Lehr- und
Kostgeld.

4) Bruck, p. 167.

5) Hausmann, Die Wasserzeichen bei Dürer.
 
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