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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 16.1905

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Das Museo Baracco
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Schmidt, Karl Eugen: Pariser Brief, [4]
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https://doi.org/10.11588/diglit.5901#0194

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371

Pariser Brief

372

Sockel steht eine Marmorwiederholung der bronzenen
verwundeten Hündin des Lysippos, von der Plinius
sagt, sie sei bis zum vitellischen Brand des kapito-
linischen Jupitertempels dort in der Cella der Juno
aufgestellt gewesen. Ein Votivrelief aus dem 5. Jahr-
hundert, eine Wiederholung eines archaischen Hermes
Krioforos, ein weiblicher Kopf aus pergamenischer
Schule, ein Kentaurenkopf rhodischer Kunst, zwei
Orabvasen und vieles andere köstliche. Von römischer
Kunst ein Knabenporträt des Nero, eine männliche
Büste aus der späteren republikanischen Zeit und
ein vermeintlicher Marcus Brutus aus dem auguste-
ischem Zeitalter, vervollständigen diesen Teil der
Sammlung. Neben dieser Gruppe steht aber noch
ein Grabrelief aus Palmyra, welches in der über-
reich mit Geschmeiden und Juwelen geschmückten
Gestalt einer Frau so recht den Wohlstand charakterisiert,
den diese Oasenstadt in der Wüste zwischen Sirien
und Mesopotamien im 2. und 3. Jahrhundert nach
Christi Geburt erreicht hatte.

Ein Glasschrank enthält kostbare kleine etruskische
und griechische Vasen, Glasampullen, Gemmen und
sonstige kleine Schmucksachen aus ägyptischen,
griechischen und römischen Werkstätten. FED. H.

PARISER BRIEF

Von den beiden kleinen Ausstellungen, die all-
jährlich in Paris die besten zu sein pflegen, ist in
diesem Jahre nicht besonders viel zu sagen. In der
Societe nouvelle sind Thaulow, Walter Gay, Besnard,
Cottet, und wie sie alle heißen, gut wie immer, aber
weder in ihrer Art noch in ihren Themen hat sich
irgend etwas geändert, so daß es unnötig ist, diese
bekannten Leute und ihre bekannte Kunst eingehend
zu erwähnen. Nur Lucien Simon und der Spanier
Zuloaga lohnen ein näheres Eingehen. Lucien Simon
hat in seiner Maskerade, wo malerisch kostümierte
Herren und Damen in einem mit bunten Papier-
laternen beleuchteten Garten um einen Teetisch stehen
und sitzen, vielleicht das schönste Bild geschaffen,
das wir bisher von diesem starken und eigenartigen
Künstler gesehen haben. Zuloaga, der gerade in der
Festigkeit und Energie seiner Malerei Berührungs-
punkte mit dem Franzosen hat, fällt gegen Simon
sehr ab. Seine Gestalten sind neben denen Simons
flach, es fehlt die alles einhüllende und plastisch
machende Luft, und dann ist alles Charakteristische,
das Simon kräftig unterstreicht und hervorhebt, bei
Zuloaga bis zur Karikatur übertrieben. Damit ist
nicht gesagt, daß Zuloaga kein bedeutender, merk-
würdiger und eigenartiger Künstler sei. Aber nach-
dem er mit seinen ersten Sachen vor fünf Jahren
den großen Erfolg erzielt hat, reitet er nun ohne
Unterlaß dasselbe Paradepferd, und in seinem Be-
streben, noch schlagender und kräftiger zu wirken
und Fortschritte zu zeigen, ist er schon dahin gekommen,
sich selber zu karikieren. In der Art, wie er breite
Farbenflächen nebeneinander setzt, ist er immer noch
schön und eigenartig, sonst aber sind seine jetzigen
Bilder beinahe die Karikaturen seiner früheren.

Von den Pastellisten ist in diesem Jahre noch
weniger zu sagen als von der Societe nouvelle.
Aman-Jean hüllt das Modell, das er seit zehn Jahren
benutzt, alljährlich in die nämlichen roten oder blauen
Tücher, gibt ihm die nämliche Pose und malt es in
der nämlichen Art, die sehr anziehend und apart ist,
wenn man ihr zum erstenmale begegnet, die aber
manieriert und eintönig wirkt, wenn man sie so lange
Zeit immer gleichmäßig sieht, und wenn sie, wie in
der heurigen Ausstellung der Pastellisten, gleich mit
zehn oder zwölf nebeneinander hängenden Bildern ver-
treten ist. Lhermitte ist gut wie immer in seinen
altbekannten Bildern von arbeitenden Landleuten,
Billottes stille, melancholische Landschaften, Menards
poetische Idylle am Seeufer, Eliots farbenglühende
Landschaften, La Touches fein zusammengestimmte
purpurne und goldene Interieurs, Guignards Schaf-
herden, Mesles Abend- und Nachtlandschaften bedürfen
keiner Beschreibung und keines Lobes mehr, und
Leandre nnd Thevenot sind als die besten Porträtisten
unter den Pastellisten bekannt. Beide haben in diesem
Jahre auch Landschaften ausgestellt, Thevenot sonnige
Mittagsbilder von außerordentlichem Leuchtglanze der
Farben, Leandre einen herbstlich gefärbten, von der
Abendsonne vergoldeten Waldessaum, vor dem ein
Pflüger arbeitet, während sich dahinter eine unend-
liche Fernsicht auftut.

Bei den Unabhängigen, wo sonst immer nur der
unfreiwillige Humor zu hausen pflegt, finden wir in
diesem Jahre auch freiwillige Komik und sogar sehr
gute. Der Schwede Arosenius hat rund hundert kleine
Aquarelle geschickt, die ebenso komisch gedacht wie
gezeichnet und gemalt sind, und worin Gott, die
Welt und die Menschen ausgelacht werden, sein
Landsmann Blix hat die berühmtesten Bilder im Louvre
karikiert und aus Madame Vigee-Lebrun und ihrer
Tochter, aus der Empfängnis Murillos, aus Davids
Madame Recamier und anderen weltbekannten Gemälden
die respektlosesten und komischsten Zerrbilder gemacht.
Als dritter auf dem Plane ist der Bremer Ernst
Matthes erschienen, der noch schlimmer ist als Blix.
Dieser hat sich doch nur an tote Meister gewagt,
Matthes aber nimmt in einem seiner Aquarelle gleich
den berühmtesten lebenden Künstler her und zeigt
uns einen Rodin, der zum Wälzen ist. Das Atelier
des gefeierten Bildhauers ist in den letzten fünf oder
sechs Jahren eine Sehenswürdigkeit für die Fremden
geworden wie der Eiffelturm und die Morgue, und
Rodin, der als Reklamemacher nicht weniger groß ist
denn als Künstler, empfängt alle diese Besucher, be-
sonders wenn sie eine Feder führen und für irgend
eine Zeitung schreiben, mit aller nur wünschens-
werten Freundlichkeit und macht den Fremdenführer
von einer Figur zur andern. Matthes hat ihn bei
dieser Tätigkeit belauscht und umringt von andächtig
lauschenden englischen und amerikanischen Damen
und Herren dargestellt, denen er die unübertrefflichen
Schönheiten und die geheimen Intentionen eines Fi-
gürchens erklärt. Andere Sachen von Matthes, so
Yvette Guilbert, die Champs Elysees, die Folies Ber-
gere sind nicht minder gut als der Besuch bei Rodin.
 
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