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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 16.1905

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Literatur / Verschiedenes
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551

Bücherschau

552

Proben vor. Man kann diese Tafeln als eine Illustration
zur Geschichte der germanischen Völkerstämme betrachten,
so vollendet ist ihre Auswahl. Welche Aufgaben unseren
modernen Architekten noch erwachsen werden, wenn sie sich
erst einmal tiefer in den Geist der deutschen Vergangen-
heit versenkt haben, wenn sie die zahllosen ornamentalen
Motive, die unsere primitiv empfindenden Vorfahren an
Kirchenbauten zu einem reizvollen Liniengefüge vereinigt
hatten, in ihre eigene künstlerische Produktion aufge-
nommen haben, läßt sich heute noch nicht überschauen,
und doch drängt das ganze Streben der Gegenwart wieder
zurück zu unserer Vergangenheit. Wir sehen das vor
allem an den in den letzten Zeiten ausgeführten großen
öffentlichen Monumentalbauten, von denen ich an dieser
Stelle nur das Rathaus zu Kopenhagen und das zu
Leipzig erwähnen möchte. Aus den oben angedeuteten
Empfindungen heraus ist bei diesen beiden Bauten zum
Teil der bildhauerische Schmuck erwachsen, und man muß
sagen, wenn man an Hand der vorliegenden Tafeln die
Formensprache unserer Vorfahren betrachtet, fühlt man,
daß die älteste germanische Kunst seelisch mehr vertieft
gewesen ist als wie man bis auf den heutigen Tag ange-
nommen hat. Allzu lange hat uns die Bewunderung für
die Vollkommenheit der Renaissancekunst unsere altdeutsche
Kunst vorenthalten, und wir wollen es dem Verlag von
Tauchnitz als besonderes Verdienst anrechnen, daß er ver-
sucht, durch eine derartige Publikation unser Auge wieder
zu öffnen für die künstlerisch reizvolle Formensprache

frühgermanischer Kunst. Dr. Georg Biermann.

Theobald Hofmann. Bauten des Herzogs Federigo di
Montefeltro als Erstwerke der Hochrenaissance. Leipzig
1905. 100 Mark.
Der Architekt Theobald Hofmann in Elberfeld ist vor
einigen Jahren mit einer gehaltvollen Studie über die Villa
Madama in Rom hervorgetreten, die ihm den großen Staats-
preis der Kgl. Akademie der bildenden Künste in Dresden
eingetragen hatte. Die Untersuchungen über Raffael als
Architekten mußten ihn auf die »Urstätte für das bauliche
Wissen Bramantes und Raffaels« nach Urbino führen. Er
fand, daß nicht erst um 1500 Bramante die Hochrenaissance
geschaffen habe, sondern daß der aus Dalmatien gebürtige
Luciano da Laurana bereits 1465 in dem Palazzo Prefettizio
in Pesaro und in dem Schloßbaue von Urbino den ent-
scheidenden Schritt zur Hochrenaissance getan hat. Schon
Reber hatte (1889) Luciano da Laurana als Begründer der
Hochrenaissance gefeiert. Hofmann aber gibt erst durch
seine stilkritischen Untersuchungen die vollgültigen Beweise.
»Der Palastbau Lucianos in Urbino war der Urquell der
Hochrenaissance und es ist deshalb gerechtfertigt, deren
Beginn ein ganzes Menschenalter früher anzusetzen« (Sp 221).
Mit diesen Worten faßt Hofmann seine Untersuchung, zu-
sammen, die von einem stattlichen Abbildungsmaterial (112
Tafeln Lichtdruck mit 451 Einzelbildern) vortrefflich unter-
stützt wird. Nach kurzen »zeitgeschichtlichen« Bemer-
kungen über Federigo di Montefeltro, über Luciano da
Laurana, Francesco di Giorgio — dem Vasari das Haupt-
werk Lucianos zuwies — und über Baccio Ponteiii, Be-
merkungen, in denen die Überlieferung geprüft und be-
richtigt wird, wendet sich Hofmann dem Studium der
Bauten zu. Wiederholt hat er das ganze Gebiet durch-
quert und es ist ihm gelungen, den Baubestand aus der
Zeit Federigos IL vollständiger zu überblicken, als bisher
möglich gewesen ist. Freilich hat die Nachforschung er-
geben, daß von all den vielen Bauten Federigos nur der
Palastbau von Urbino allein als baukünstlerisches Werk
in Frage kommt.

Der Schwerpunkt der bautechnischen und künstleri-

schen Untersuchungen liegt denn auch in den Kapiteln,
die sich mit dem Palazzo Ducale von Urbino als eine
Schöpfung Lucianos und des Umbaues des Palastes in
Gubbio als einem in Anlehnung an das Schloß in Urbino
entstandenen Werk Francesco di Giorgios befassen.

Mit dieser Ausscheidung des Palastes von Gubbio aus
dem Werke Lauranas tritt Hofmann der allgemein herr-
schenden, im Cicerone kodifizirten Meinung entgegen. Die
baustilistische Untersuchung aber und der Hinweis auf die
schriftliche Überlieferung Giovanni Santis gibt diesem
Schluß Hofmanns eine kaum zu erschütternde Beweiskraft.
An diese Kapitel schließt eine Erörterung über die für die
Hochrenaissance charakteristische Formengebung, die in
dem Streben nach architektonischer Geschlossenheit, nach
folgerichtiger, der konstruktiven Idee gemäßer Anwen-
dung der Formen gefunden wird. In feinsinniger Analyse
wird auf die unterscheidenden Merkmale von der Weise
der Frührenaissance, hingewiesen und hervorgehoben, was
in technischer, tektonischer und formaler Hinsicht von
Laurana Neuartiges geleistet worden ist. Den Schluß der
sorgfältigen Studie bildet ein Abschnitt über den Einfluß
auf die Blütezeit der Renaissance. Erwähnt sei noch ein
Beitrag von Prof. Dr. Breitfeld über die Steinmaterialen,
die bei den untersuchten Bauten zur Verwendung gekom-
men sind.

Die überaus reichliche und sorgfältige Illustration
des Werkes, zumeist Lichtdrucke nach bekannten und
neuen Aufnahmen und einigen gezeichneten Aufnahmen
erhöht außerordentlich den Wert dieser fleißigen und
von begeisteter Liebe zum Gegenstand getragenen Arbeit.
In einer Zeit, in der sich viele der Jüngeren ganz abwen-
den möchten von der Lehre und dem Beispiel älterer
klassischer Kunst, verdient diese gediegene Arpeit doppelte
Aufmerksamkeit. Wer sie mit Aufmerksamkeit studiert,
wird in ihr auch dann Anregung und Förderung finden,
wenn sein Ideal auch auf anderes als auf die harmonische
Klassizität italienischer Renaissance orientiert ist. r. Graul.

Dresdener Jahrbuch 1905, Beiträge zur bildenden Kunst.
Herausgegeben von Dr. Karl Koelschau und Dr. Fortunat
Schubert-Soldern. Dresden 1905, Verlag von Wilh.Baensch.
Preis brosch. 12. M.

Das Dresdener Jahrbuch soll in erster Linie der ört-
lichen und künstlerischen Kultur der Stadt Dresden dienen
und stellt vorläufig einen Versuch dar, von dem man mit
Recht wünschen kann, daß er überall Beifall finden möchte.
Von den vierundzwanzig in diesem Jahrbuch enthaltenen
Aufsätzen behandelt ungefähr die Hälfte die Kunstgeschichte,
die Museen und Privatsammlungen, die andere Hälfte die
moderne Kunstund die Ausstellungen. Neunzehn der bekann-
testen, meist in Dresden ansässigen Kunsthistoriker haben
Beiträge geliefert. So spricht H. Wölfflin nochmals über
Dürers Dresdener Altar, wobei er seinen früheren Widerspruch
gegen Dürers Urheberschaft fallen läßt; Woermann behandelt
Dycks frühe Apostelfolge; Georg Treu bringt neue Beweise
zu der Dresdener »Mänade«, die er auf das berühmte Werk
des Skopas zurückführt, Koetschau aber gibt schätzenswerte
Anregungen über die Verwertung der Museen. Weitere Auf-
sätze entstammen der Feder von W. von Seidlitz, der Courbets
»Steinklopfer« behandelt und eine Würdigung des jetzt als
Direktor an das Berliner Kupferstichkabinett berufenen
Professors Max Lehrs unternimmt. Max Lehrs selbst hat
über Toni Stadler geschrieben, während P. Hermann über
französische Plaketten und speziell über Ovid Vencesse
spricht. Beiträge zur Architektur haben E. Hänel und Fritz
Schumacher gegeben, E. Zimmermann wirft einen Rück-
blick auf das Dresdener Kunstgewerbe im Jahre 1904.
Endlich hat Robert Bruck neben einem kunstgeschichtlichen
 
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