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Ostwalds Untersuchungen über Maltechnik
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er insbesondere die Bindemittel durch ihr Verhalten zu be-
stimmten Reagentien kennzeichnet.
Während die Erkennung des sogenannten Bildträgers
— sei es durch Betrachtung der Rückseite des Bildes, sei
es bei Wandgemälden durch die Bauart der Wand, kaum
erheblichen Schwierigkeiten unterliegt, ist die Erkenntnis
des Malgrundes und der Bildschicht, die beide dem An-
blick des Beschauers entgegen sind, bedeutend erschwert.
Einfacher wiederum ist die Frage nach der obersten Schicht
oder Schutzschicht; namentlich bei Öl- und Temperabildern
besteht sie meistaus einem Harzfirnis, zudem sichin neuester
Zeit noch der »Zaponlack« (Zellulosenitrat in Amylazetat)
zugesellt hat.
Handelt es sich darum, die Beschaffenheit des Mal-
grundes und der Bildschicht zu erkennen, so wird dies
stets möglich sein, wenn man etwa 0,1 mm breite Quer-
schnitte eines kleinen, etwa stecknadelkopfgroßen Frag-
mentes erhalten kann, dessen Verhalten gegen bestimmte
Reagentien unter dem Mikroskop bequem beachtet werden
kann. Die hauptsächlichste Schwierigkeit bieten die Binde-
mittel, da es sich bei diesen meist um zufällige Gemenge
handelt, wie sie im Gummi, Leim, Harz, Lein- und Mohnöl,
Eiweiß usw. vorhanden sind. Erkannt werden diese Stoffe
durch ihr verschiedenartiges Verhalten gegen Farblösungen.
Die Erkennung der Bindernittel ist darum besonders
wichtig, weil ausschließlich in ihnen die Unterschiede der
verschiedenen Arten der Maltechnik begründet sind, während
die Farbstoffe überall die gleichen sind. Die in der Kunst-
malerei am meisten benutzten Bindemittel sind die trocknen-
den Öle und besonders Leinöl, Mohnöl und Nußöl. Als
Bindemittel für Farben verhalten sie sich fast überein-
stimmend. Durch Oxydation an der Luft, die besonders
durch Bleiund Manganverbindungen sehr beschleunigt wird,
gehen diese flüssigen Öle in harte, harz- oder kautschuk-
ähnliche Stoffe über, welche die für Ölbilder charakteristische
Bindesubstanz zwischen den Farbkörnern bilden.
Das beste Reagens auf derartig trockenes Öl ist das
Methylviolett. Ein Tropfen einer verdünnten Lösung dieses
Farbstoffes auf festgewordenes Öl gebracht, färbt das fest-
gewordene Öl, das den Farbstoff dem Wasser entzieht,
die entstandene violette Färbung bleibt beim Abspülen
bestehen und kann selbst durch langes Auswaschen
nicht entfernt werden. Die Reaktion tritt schon bei
sehr verdünnten Farbstofflösungen ein und es besteht
darum nur sehr geringe Gefahr, daß auch andere vor-
handene Stoffe gefärbt werden. Empfehlenswert ist es
jedoch nach Professor Ostwalds Ausführungen, vorläufig
nur frische Lösungen zu benutzen, da längeres Aufbe-
wahren der Flüssigkeit die Reaktion nachteilig zu beein-
flussen scheint. Andere Stoffe als die trocknenden Öle,
wie Harze, Leim und sonstige stickstoffhaltige Bindemittel
werden durch Methylviolett nicht gefärbt, weshalb die
Färbung mit Methylviolett in sehr dünner Lösung als eine
spezifische Reaktion auf trockenes Öl zu bezeichnen ist.
Auch das Methylenblau zeigt wie Methylviolett in sehr
verdünnter Lösung fast die gleiche Reaktion auf die trock-
nenden Öle; auch Malachitgrün reagiert vorzüglich auf
trockenes Öl.
Die Anwendung der Methode läßt mit Sicherheit einen
Schluß auf die Art der Bindemittel bei der Ölmalerei zu.
Ähnlich verhält es sich bei der Aquarellmalerei. Bei den
für Wasserfarben benutzten Bindemitteln unterscheiden
wir zwischen den beiden Gruppen der stickstoffreien und
stickstoffhaltigen. Für die erste Gruppe kommt eigentlich
nur arabisches Gummi in Betracht. Dasselbe wird leicht
gekennzeichnet durch seine Löslichkeit in kaltem Wasser
und das Nichtvorhandensein jener Reaktionen, die die
zweite Gruppe der stickstoffhaltigen Bindemittel erkennen
lassen. Zu diesen gehört vorwiegend Leim, Eiweiß und
Kasein. Sie werden durch die verschiedensten Farbstoffe
mehr oder weniger intensiv gefärbt. Verschiedene Ver-
suche des genannten Gelehrten ergaben, daß Säuregrün
der geeignetste Stoff für Gelatine ist, weil sich dieselbe
zu einer stark verdünnten Lösung des Farbstoffes genau
so verhält, wie die trocknenden Öle zu dem oben be-
sprochenen Methylviolett. Fast gleich gut ist Jodeosin,
doch bleibt Säuregrün vorzuziehen, wo nicht die An-
wendung eines neutralen oder basischen Stoffes geboten
erscheint.
Die drei erwähnten stickstoffhaltigen Bindemittel färben
sich fast gleich; um den Unterschied zwischen ihnen zu
erkennen, muß man ihre bekannten Löslichkeitsverhältnisse
berücksichtigen. Eiweiß löst sich stets in kaltem Wasser,
auch wenn es sauer reagiert, was Kasein nicht tut, und
Gelatine quillt in beiden nur, löst sich aber in warmem
Wasser. So wird man mit Säuregrün Kasein und Leim
kennzeichnen können, mit einer ammoniakalischen Lösung
von Jodeosin nur letzteren, während Kasein in Lösung
geht. Auf diese Weise ist die Unterscheidung der drei
Stoffe grundsätzlich ermöglicht.
In diesen Ausführungen, die ihrem Resume nach dem
oben zitierten Sitzungsberichte der Akademie der Wissen-
schaften entnommen wurden, scheint klar und deutlich ge-
kennzeichnet zu sein: erstlich die Methode der mikro-
skopischen Untersuchung, die aus zahlreichen und peinlich
genauen Versuchen erwachsen ist, in zweiter Linie auch
die Sicherheit des Verfahrens, welche sowohl dem Restau-
rator wie dem Forscher von großer Wichtigkeit sein muß.
Was die chemische Methode des näheren angeht, so finden
sich in demselben Sitzungsbericht noch äußerst interessante
Versuche beschrieben, die das Verfahren illustrieren, um
die in Lösung gegangenen Stoffe in so minimalen Mengen,
wie sie der mikroskopische Querschnitt ergibt, nachweisen
zu können. Für Eiweiß z. B. liegt die Grenze des erkenn-
baren Nachweises bei einem hunderttausendstel Milli-
gramm. Wir können an dieser Stelle jeden Interessenten
nur auf die mehrfach angeführte Quelle verweisen.
In einem anderen interessanten Aufsatz desselben Ge-
lehrten im »Tag« empfiehlt Professor Ostwald das Litopon
als wichtigen Farbstoff für die Malerei. Dasselbe ist dem
Bleiweiß in seinen mechanischen und Deckeigenschaften
viel ähnlicher als Zinkweiß und hat vom chemischen
Standpunkte aus bedeutende Vorzüge. »Litopon« ist ein
Gemenge von Baryumsulfat und Schwefelzink, welches
durch eine eigentümliche Behandlung in die Form eines
schweren weißen Pulvers gebracht worden ist, das fast
genau so wenig Öl aufnimmt wie Bleiweiß. Seine Be-
standteile sichern ihm eine unbedingte Dauerhaftigkeit,
denn keines von ihnen bietet die Gefahr der Bildung eines
andersfarbigen Umsetzungsproduktes. Sogar in Vermischung
mit Bleiweiß, Wasser und einem Bindemittel zeigte sich
keinerlei Bildung von Schwefelblei, da der Schwefel im Lito-
pon auffallend fest gebunden ist. Es ist nach Professor
Ostwalds Ansicht, im höchsten Grade zu wünschen, daß
der Künstler künftig auf die Benutzung von Bleifarben ver-
zichte. An Stelle des Bleiweiß trete Litoponweiß und an
Stelle der gelben Bleifarben und ihr Gemische ist »Kadmium«
in allen Tönen von reingelb bis mennigrot zu haben. Auch
die anderen Farben wie Ultramarin, Zinnober, insbesondere
die Eisenfarben wie Ocker, Siena, Caput Mortuum, Eng-
lisch Rot sprechen, auf ihre etwaige Reaktionsfähigkeit
gegen die Bestandteile des Litopons hin geprüft, nur zu
gunsten des letzteren. Professor Ostwald hat, um seine
theoretisch-chemischen Ergebnisse auch experimentell zu
prüfen, selbst seit einiger Zeit Ölbilder mit Litoponweiß
gemalt. Während anfangs die nur mit Mohnöl angeriebene
Ostwalds Untersuchungen über Maltechnik
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er insbesondere die Bindemittel durch ihr Verhalten zu be-
stimmten Reagentien kennzeichnet.
Während die Erkennung des sogenannten Bildträgers
— sei es durch Betrachtung der Rückseite des Bildes, sei
es bei Wandgemälden durch die Bauart der Wand, kaum
erheblichen Schwierigkeiten unterliegt, ist die Erkenntnis
des Malgrundes und der Bildschicht, die beide dem An-
blick des Beschauers entgegen sind, bedeutend erschwert.
Einfacher wiederum ist die Frage nach der obersten Schicht
oder Schutzschicht; namentlich bei Öl- und Temperabildern
besteht sie meistaus einem Harzfirnis, zudem sichin neuester
Zeit noch der »Zaponlack« (Zellulosenitrat in Amylazetat)
zugesellt hat.
Handelt es sich darum, die Beschaffenheit des Mal-
grundes und der Bildschicht zu erkennen, so wird dies
stets möglich sein, wenn man etwa 0,1 mm breite Quer-
schnitte eines kleinen, etwa stecknadelkopfgroßen Frag-
mentes erhalten kann, dessen Verhalten gegen bestimmte
Reagentien unter dem Mikroskop bequem beachtet werden
kann. Die hauptsächlichste Schwierigkeit bieten die Binde-
mittel, da es sich bei diesen meist um zufällige Gemenge
handelt, wie sie im Gummi, Leim, Harz, Lein- und Mohnöl,
Eiweiß usw. vorhanden sind. Erkannt werden diese Stoffe
durch ihr verschiedenartiges Verhalten gegen Farblösungen.
Die Erkennung der Bindernittel ist darum besonders
wichtig, weil ausschließlich in ihnen die Unterschiede der
verschiedenen Arten der Maltechnik begründet sind, während
die Farbstoffe überall die gleichen sind. Die in der Kunst-
malerei am meisten benutzten Bindemittel sind die trocknen-
den Öle und besonders Leinöl, Mohnöl und Nußöl. Als
Bindemittel für Farben verhalten sie sich fast überein-
stimmend. Durch Oxydation an der Luft, die besonders
durch Bleiund Manganverbindungen sehr beschleunigt wird,
gehen diese flüssigen Öle in harte, harz- oder kautschuk-
ähnliche Stoffe über, welche die für Ölbilder charakteristische
Bindesubstanz zwischen den Farbkörnern bilden.
Das beste Reagens auf derartig trockenes Öl ist das
Methylviolett. Ein Tropfen einer verdünnten Lösung dieses
Farbstoffes auf festgewordenes Öl gebracht, färbt das fest-
gewordene Öl, das den Farbstoff dem Wasser entzieht,
die entstandene violette Färbung bleibt beim Abspülen
bestehen und kann selbst durch langes Auswaschen
nicht entfernt werden. Die Reaktion tritt schon bei
sehr verdünnten Farbstofflösungen ein und es besteht
darum nur sehr geringe Gefahr, daß auch andere vor-
handene Stoffe gefärbt werden. Empfehlenswert ist es
jedoch nach Professor Ostwalds Ausführungen, vorläufig
nur frische Lösungen zu benutzen, da längeres Aufbe-
wahren der Flüssigkeit die Reaktion nachteilig zu beein-
flussen scheint. Andere Stoffe als die trocknenden Öle,
wie Harze, Leim und sonstige stickstoffhaltige Bindemittel
werden durch Methylviolett nicht gefärbt, weshalb die
Färbung mit Methylviolett in sehr dünner Lösung als eine
spezifische Reaktion auf trockenes Öl zu bezeichnen ist.
Auch das Methylenblau zeigt wie Methylviolett in sehr
verdünnter Lösung fast die gleiche Reaktion auf die trock-
nenden Öle; auch Malachitgrün reagiert vorzüglich auf
trockenes Öl.
Die Anwendung der Methode läßt mit Sicherheit einen
Schluß auf die Art der Bindemittel bei der Ölmalerei zu.
Ähnlich verhält es sich bei der Aquarellmalerei. Bei den
für Wasserfarben benutzten Bindemitteln unterscheiden
wir zwischen den beiden Gruppen der stickstoffreien und
stickstoffhaltigen. Für die erste Gruppe kommt eigentlich
nur arabisches Gummi in Betracht. Dasselbe wird leicht
gekennzeichnet durch seine Löslichkeit in kaltem Wasser
und das Nichtvorhandensein jener Reaktionen, die die
zweite Gruppe der stickstoffhaltigen Bindemittel erkennen
lassen. Zu diesen gehört vorwiegend Leim, Eiweiß und
Kasein. Sie werden durch die verschiedensten Farbstoffe
mehr oder weniger intensiv gefärbt. Verschiedene Ver-
suche des genannten Gelehrten ergaben, daß Säuregrün
der geeignetste Stoff für Gelatine ist, weil sich dieselbe
zu einer stark verdünnten Lösung des Farbstoffes genau
so verhält, wie die trocknenden Öle zu dem oben be-
sprochenen Methylviolett. Fast gleich gut ist Jodeosin,
doch bleibt Säuregrün vorzuziehen, wo nicht die An-
wendung eines neutralen oder basischen Stoffes geboten
erscheint.
Die drei erwähnten stickstoffhaltigen Bindemittel färben
sich fast gleich; um den Unterschied zwischen ihnen zu
erkennen, muß man ihre bekannten Löslichkeitsverhältnisse
berücksichtigen. Eiweiß löst sich stets in kaltem Wasser,
auch wenn es sauer reagiert, was Kasein nicht tut, und
Gelatine quillt in beiden nur, löst sich aber in warmem
Wasser. So wird man mit Säuregrün Kasein und Leim
kennzeichnen können, mit einer ammoniakalischen Lösung
von Jodeosin nur letzteren, während Kasein in Lösung
geht. Auf diese Weise ist die Unterscheidung der drei
Stoffe grundsätzlich ermöglicht.
In diesen Ausführungen, die ihrem Resume nach dem
oben zitierten Sitzungsberichte der Akademie der Wissen-
schaften entnommen wurden, scheint klar und deutlich ge-
kennzeichnet zu sein: erstlich die Methode der mikro-
skopischen Untersuchung, die aus zahlreichen und peinlich
genauen Versuchen erwachsen ist, in zweiter Linie auch
die Sicherheit des Verfahrens, welche sowohl dem Restau-
rator wie dem Forscher von großer Wichtigkeit sein muß.
Was die chemische Methode des näheren angeht, so finden
sich in demselben Sitzungsbericht noch äußerst interessante
Versuche beschrieben, die das Verfahren illustrieren, um
die in Lösung gegangenen Stoffe in so minimalen Mengen,
wie sie der mikroskopische Querschnitt ergibt, nachweisen
zu können. Für Eiweiß z. B. liegt die Grenze des erkenn-
baren Nachweises bei einem hunderttausendstel Milli-
gramm. Wir können an dieser Stelle jeden Interessenten
nur auf die mehrfach angeführte Quelle verweisen.
In einem anderen interessanten Aufsatz desselben Ge-
lehrten im »Tag« empfiehlt Professor Ostwald das Litopon
als wichtigen Farbstoff für die Malerei. Dasselbe ist dem
Bleiweiß in seinen mechanischen und Deckeigenschaften
viel ähnlicher als Zinkweiß und hat vom chemischen
Standpunkte aus bedeutende Vorzüge. »Litopon« ist ein
Gemenge von Baryumsulfat und Schwefelzink, welches
durch eine eigentümliche Behandlung in die Form eines
schweren weißen Pulvers gebracht worden ist, das fast
genau so wenig Öl aufnimmt wie Bleiweiß. Seine Be-
standteile sichern ihm eine unbedingte Dauerhaftigkeit,
denn keines von ihnen bietet die Gefahr der Bildung eines
andersfarbigen Umsetzungsproduktes. Sogar in Vermischung
mit Bleiweiß, Wasser und einem Bindemittel zeigte sich
keinerlei Bildung von Schwefelblei, da der Schwefel im Lito-
pon auffallend fest gebunden ist. Es ist nach Professor
Ostwalds Ansicht, im höchsten Grade zu wünschen, daß
der Künstler künftig auf die Benutzung von Bleifarben ver-
zichte. An Stelle des Bleiweiß trete Litoponweiß und an
Stelle der gelben Bleifarben und ihr Gemische ist »Kadmium«
in allen Tönen von reingelb bis mennigrot zu haben. Auch
die anderen Farben wie Ultramarin, Zinnober, insbesondere
die Eisenfarben wie Ocker, Siena, Caput Mortuum, Eng-
lisch Rot sprechen, auf ihre etwaige Reaktionsfähigkeit
gegen die Bestandteile des Litopons hin geprüft, nur zu
gunsten des letzteren. Professor Ostwald hat, um seine
theoretisch-chemischen Ergebnisse auch experimentell zu
prüfen, selbst seit einiger Zeit Ölbilder mit Litoponweiß
gemalt. Während anfangs die nur mit Mohnöl angeriebene