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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 16.1905

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Simon, Karl: Das Kaiser Friedrich-Museum in Posen
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https://doi.org/10.11588/diglit.5901#0012

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Das Kaiser Friedrich-Museum in Posen

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Das nach Plänen des Oberbaudirektors Karl Hinckel-
deyn vom Reg.-Baumeister Ahrns in den Formen der
Hochrenaissance aufgeführte Gebäude steht im Zentrum
der Stadt, mit der Front nach dem Wilhelmsplatz, auf
drei Seiten von Straßen umgeben. Die Front — in-
folge der Gestaltung des zur Verfügung stehenden
Terrains die Schmalseite — und die Südseite sind in
Wünschelburger Sandstein über einem Granitsockel
aufgeführt. Der Mittelbau der Frontseite wird durch
vier Halbsäulen, mit Giebelfeld darüber, gegliedert; die
etwas zurücktretenden Flügel durch Pilaster. Über und
zwischen den Fenstern zeigen Füllungen aus Glas-
mosaik die Bildnisse von Künstlern der Vergangenheit,
an der Südseite die Allegorien der Künste und Ge-
werbe. An der Rückseite ist ein Sgraffitogemälde
mit der Darstellung der drei Naturreiche angebracht.
Die Entwürfe zu dem malerischen Schmuck rühren
von Hans Koberstein-Berlin her.

Im Inneren des Vestibüls haben die Orignal-
modelle von zwei Standbildern der Siegesallee Auf-
stellung gefunden: Friedrich II. von Joseph Uphues
und Friedrich Wilhelm II. von Adolf Brütt — die
Standbilder der Könige, unter deren Regierung der
Netzedistrikt und Neu-Südpreußen dem Königreiche
einverleibt wurde.

Den Mittelpunkt im Inneren bildet der große
Lichthof, in dem größere Skulpturwerke Aufstellung
finden sollen. Vorläufig sind außer der Büste des
Schlüterschen Großen Kürfürsten Ludwig Manzels
»Friede von Waffen geschützt« und Stephan Sindings
»Barbarenmutter« hier untergebracht, beides Geschenke
des Kultusministers. An den Langseiten des Licht-
hofes harren über einem plastischen Kinderfries sechs
große Wandfelder des malerischen Schmuckes, der
einmal eine wundervolle Aufgabe sein wird. Die
Lünetten der Schmalseiten sind mit dekorativen Malereien
von Hans Koberstein provisorisch versehen.

Um den Lichthof gruppieren sich in zwei Ge-
schossen die Geschäfts- und Sammlungsräume; auf
der Rückseite kommt noch ein Untergeschoß hinzu.

Außer den eigentlichen Kunstsammlungen umfaßt
das Museum, der Geschichte seiner Entstehung ent-
sprechend, eine naturwissenschaftliche und eine prä-
historische Sammlung.

Die naturwissenschaftliche Sammlung, im Unter-
geschoß (an der östlichen Schmalseite) ungünstig auf-
gestellt, hat im wesentlichen die Aufgabe, die Flora
und Fauna der Provinz zur Anschauung zu bringen.

Über dieser Sammlung befinden sich im Erd-
geschoß die vorgeschichtlichen Altertümer, die in der
Provinz Posen in außerordentlich großer Zahl ge-
funden werden. Der wichtigste zusammenhängende
Fund, der hier gemacht ist, ist der von Gorszewice,
der seinerzeit die Aufmerksamkeit Virchows in höchstem
Grade erregte, wichtig durch den Handelsverkehr mit
Italien beweisende Stücke und die mehrfach hervor-
tretenden Versuche, die Gefäße in Tierformen herzu-
stellen. Während die eine Langseite des Gebäudes
(Norden) vorläufig dem Schulmuseum der Posener
Lehrervereinigung mit Anschauungsmaterial aller Art
eingeräumt ist, nimmt die südliche Langseite die

Sammlung der Gipsabgüsse ein, die die Hauptepochen
der Plastik an typischen, möglichst noch nicht allzu
abgegriffenen Beispielen veranschaulichen soll. Freilich
mußte vorläufig ein Raum für Antike, Mittelalter und
italienische Renaissance in Anspruch genommen wer-
den, ein zweiter enthält die Werke späterer Zeit. Als
besonders bemerkenswert sei das als Abguß nicht
häufige Grabmal des Grafen von der Mark von
G. Schadow genannt, auch dieses ein Geschenk des
Kultusministers.

* *
*

Die Verbindung mit dem Obergeschoß stellt an
der Frontseite eine Wendeltreppe, vom Lichthof aus
die doppelarmige Haupttreppe her. Nach Westen zu
erstrecken sich hier im Obergeschoß die Sammlungen
kulturgeschichtlicher Altertümer und kunstgewerblicher
Objekte, die in drei großen, hohen Räumen unter-
gebracht sind. Die Schwierigkeit lag hier an der ge-
ringen Höhe künstlerischer Kultur in den ehemals
polnischen Landesteilen. Von einer selbständigen
Entwicklung kann hier nicht gesprochen werden.
Die bedeutsameren Denkmäler werden importiert; aus
Deutschland (als Beispiel seien die Vischerschen Grab-
platten genannt), aus Italien. Das bedeutsamste Bau-
werk der Stadt Posen selbst ist das Werk eines
Italieners, Giovanni Battista di Quadro.

Auch das Kunsthandwerk in engerem Sinne hat,
wie es scheint, keine allzu bedeutende Rolle gespielt;
freilich mag viel verloren gegangen, anderes noch
nicht wieder ans Licht getreten sein. Bemerkenswert
ist die große Zahl schöner kirchlicher Geräte, die sich
noch in den Kirchenschätzen finden.

So kann die kulturgeschichtliche Sammlung des
Museums nur den ärmlichen Charakter der künst-
lerischen Vergangenheit der Provinz widerspiegeln.

Am bemerkenswertesten sind noch die Altertümer
der deutschen Innungen, die von deren kräftigem Ge-
deihen ein ehrenvolles Zeugnis ablegen. Sonst wären
noch zu erwähnen: Proben einheimischer Weberei
(Lissa) und Keramik (Fraustadt). Auch die Stickerei-
sammlung zeichnet sich durch Reichhaltigkeit und
Schönheit aus.

Sonst hat einen Hauptanteil an dem Zustande-
kommen der kunstgewerblichen Sammlung das Ber-
liner Kunstgewerbemuseum, aus dem eine Anzahl
von Objekten überwiesen wurde. So konnte von
Keramik und Glas eine Übersicht geboten werden.
Dazu kommen Erwerbungen des Museums selbst:
Möbel, Porzellan, Gobelins usw. Mit einer Sammlung
modernen Kunstgewerbes ist ein verheißungsvoller
Anfang gemacht. Zu einem Glasfenster im kunst-
gewerblichen Saal hat Hans Christiansen den Entwurf
geliefert.

Die eigene Gemäldesammlung des Museums ist
nicht groß und besteht noch zum Teil aus Leih-
gaben der Königlichen Nationalgalerie zu Berlin.
An Erwerbungen, Schenkungen oder sonstigen Leih-
gaben ist indessen doch einiges vorhanden; wir
nennen Werke von M. Brandenburg, Paul Bürck, Hans
 
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