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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 16.1905

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Vermischtes

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rung und des Nebels, bei denen die Farben ineinander-
fließen und zu phosphoreszieren scheinen und die Gegen-
stände zu Phantomen werden. Unfaßlich ist auch die
Technik. Die Farben gleichen selbst vollendeten Nebel-
massen. Die Kunst mit Nichts Unendliches zu suggerieren
ist hier aufs höchste getrieben. Ins Zimmer hängen
möchte man sich kaum eins von diesen Bildern, aber der
große Pfadfinder, der Monet sein Leben lang war, zeigt
sich hier noch einmal im hellsten Licht. Neben diesen
beinahe unmateriellen Werken wirkt Louis Corinth um so
grobsinnlicher. Weiter kann die Brutalität schlechterdings
nicht getrieben werden. Manchmal kommt es einem vor,
als erlaube die Kunst sich nur einen Scherz mit dem
Berlin W., das sich in Massen zu den Ringkämpfen drängt.
Für dieses Berlin mag das ja die richtige Kost sein.
Man fühlt sich wirklich wie mit Faustschlägen traktiert.
Das Schlimmste ist, daß sich in den Bildern kein Fort-
schritt zeigt. Ein vor zehn Jahren gemalter »Verlorener
Sohn« hat Feinheiten des Helldunkels, ein noch älteres
Porträt seines Vaters eine Kraft der Charakteristik, die
ein unausgegorenes starkes Talent verraten. Seitdem
hat sich Corinth Virtuosengriffe angeeignet, aber das biß-
chen Feinheit und Tiefe verloren. Schade um dieses
Malerauge und diese Malerhand! — Stephan Sinding, der
Meister der »Barbarenmutter«, brauchte wirklich nicht
nach so billigen Wirkungen zu haschen wie jetzt mit
seiner »Anbetung«. Ein nacktes junges Weib sitzt steif
wie ein Götzenbild auf einem Thron, ein nackter Jüngling
ist vor ihr auf die Knie gesunken und küßt ihr Bein.
Das ist akademisch empfunden und — trotz einzelner
individuellen Schönheiten — akademisch ausgeführt. Aber
es gibt allerlei zu denken, und das Publikum ist entzückt.
Vermutlich wird das Werk eine Rundreise durch Europa
antreten. Daneben sind die Worpsweder bei Keller & Reiner
wieder eingekehrt. Ich gönne diesen ernst und ehrlich
strebenden Künstlern ihre Erfolge und möchte auch dem
Publikum die Freude an ihnen nicht nehmen, aber ich
frage mich immer wieder erstaunt, wie es nur möglich
war, daß diese braven, etwas nüchternen, das Durch-
schnittsmaß nur hie und da (besonders bei Hans am
Ende) erheblich überragenden Bilder für etwas ganz Neues
und Großartiges genommen und ganze Bücher über sie
geschrieben werden konnten. — Den stärksten Eindruck
nimmt man aus der Gebhardt-Ausstellung im Künstler-
hause mit heim. Es sind meist nur Studien, und sie geben
sich auch nur als Studien, aber in den kleinsten steckt
oft mehr als in den großen Bildern anderer, mehr Ernst,
mehr Kraft und mehr Persönlichkeit. Wie mußte diesem
Maler, dem das Schaffen zu einer Art Gottesdienst wird,
in der Corinth-Ausstellung zu Mute sein! o.

Wien. Eine Ausstellung von Büchereinbänden in der
Hofbibliothek findet wegen der überraschenden Schönheit
und Bedeutung der ausgestellten Proben aus dem frühen
Mittelalter bis zur napoleonischen Zeit, aus dem Orient,
Deutschland, Österreich und Frankreich, die Bewunderung
der Bücherfreunde und weiter Kunstkreise.

Die bekannte Wiener Gemäldesammlung Lobmeyr
ist gegenwärtig im Wiener Künstlerhause ausgestellt. Ihre
Hauptstärke beruht auf den Werken neuerer österreichischer
Künstler der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts bis etwa
um 1890, wie Führich, Schwind, Fendi, Gauermann,
Schindler und die jetzt erst recht wieder zu Ehren ge-
kommenen ausgezeichneten Maler Waldmüller und Petten-

kofen. Besonders zahlreich sind die Arbeiten Rudolf Alst
vertreten.

Breslau. Im Lichtenbergschen Kunstsalon waren in
diesen Tagen zehn monumentale Gemälde aus dem Zyklus
eines Kreuzweges ausgestellt, den Prof. Eduard Kämpffer
für die katholische Pfarrkirche in Münsterberg im Staats-
auftrag ausführt. Diese Gemälde fanden als eine künst-
lerisch hervorragende Arbeit lebhafte Anerkennung.

Die zweite Ausstellung der Darmstädter Künstler-
kolonie wurde am 11. Oktober geschlossen. Der Besuch,
auch von auswärts, war hinter den Erwartungen zurück-
geblieben, so daß das finanzielle Ergebnis mit einem
Fehlbetrage abschließen dürfte.

Bonn« Im Obernier-Museum wurde die erste Winter-
ausstellung der Gesellschaft für Literatur und Kunst mit
einer reichen und interessanten Exlibrissammlung eröffnet.

Eine Kunstausstellung in einem abgelegenen Eifel-
dorfe von etwa 250 Seelen dürfte ein volles Novum sein
und verdient daher wohl, in der »Kunstchronik« verzeichnet
zu werden. Der kühne Gedanke, in dem Dorfe Eschfeld
(Kreis Prüm) eine Kunstausstellung einzurichten, ist, der
»Kölnischen Zeitung« zufolge, vom Pfarrer des Dorfes
ausgegangen, der nicht nnr ein begeisterter Kunstfreund
und Sammler, sondern auch selbst ausübender Künstler ist.
So hat er seine eigenen Studien und Arbeiten, darunter
die lebensgroße Figur eines Eschfelder Holzhackers aus
Lehm geformt, ausgestellt, ferner geschnitzte Hausgeräte,
alte Uhren, Porzellan, Gemälde, Skulpturen, Bücher, Ur-
kunden, einige römische Altertümer und Versteinerungen,
die er alle aus der Umgegend gesammelt hat.

Auf der Weltausstellung in St. Louis wurde die Kunst-
anstalt August Gerber in Köln für die künstlerisch
vollendete und den Originalen entsprechende Ausführung
ihrer dort im Liberal Arts ausgestellten Skulpturen-Statuen,
Büsten und Reliefs der verschiedenen Zeitepochen mit
dem Grand Prix und außerdem für die in der deutschen
Unterrichtsausstellung, Abteilung »Universitäten« und »Tech-
nische Hochschulen« ausgestellten antiken Statuen und
Porträtbüsten mit der goldenen Medaille ausgezeichnet.

Dem Leipziger Musiksalon auf der Ausstellung in
St. Louis ist ebenfalls der Grand Prix zuerkannt worden.

VERMISCHTES

Zum Gedächtnis des hundertsten Geburtstages Wil-
helm von Kaulbachs am 15. Oktober hat die Münchener
Akademie der Künste in treuem Gedenken seiner unver-
geßlichen Verdienste um die Akademie und das Kunst-
leben Münchens eine Feier an seinem Grabe veranstaltet,
bei der nicht nur die Münchener Künstlerschaft, sondern
auch auswärtige Akademien, Museen und Institute offiziell
vertreten waren.

Max Klingers Brahmsdenkmal für Hamburg soll
in der neuen Musikhalle, die aber erst im Herbst 1906
vollendet sein wird, zur Aufstellung kommen. Das Denk-
mal hat die Form einer gewaltigen Herme mit der Büste
von Brahms. Die Muse der Tonkunst umschlingt von
der Seite die Statue, neigt ihr Antlitz zu dem Brahmskopfe
und scheint dem Meister überirdische Weisen zuzuraunen.
— Das Werk wird in Marmor ausgeführt, und der Künst-
ler hat schon in den Marmorbrüchen von Scravezza (Alpen),
die Michelangelo 1517 im Auftrage Leos X. angelegt hat,
einen schönen Block ausgewählt. Das Originalmodell ist
schon seit längerer Zeit fertig.

Inhalt: Fünfter Tag für Denkmalpflege. Von Paul Schumann. — Karl Lötz f; Professor Härtel f, Karl Jauslin f. — Dr. M. J. Friedländer zum
zweiten Direktor des Kaiser Friedrich-Museums ernannt. — Wien, Museumseröffnung; Eröffnung des Kaiser Friedrich-Museums. — Lenbach-
Gedächtnisausstellung im Leipziger Kunstverein; Ausstellungen in Berlin; Wien, Ausstellung von Büchereinbänden; Ausstellung der Wiener
Gemäldegalerie Lobmeyr; Breslau, Gemäldeausstellung; Zweite Ausstellung der Darmstädter Künstlerkolonie; Bonn, Obernier-Museum;
Kunstausstellung in der Eifel; Von der Weltausstellung in St. Louis.— Wilhelm von Kaulbachs 100. Geburtstag; Klingers Brahmsdenkmal.

Herausgeber und verantwortliche Redaktion: E. A. Seemann, Leipzig, Querstraße 13
Druck von Ernst Hedrich Nachf., o.m.b.H., Leipzig
 
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