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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 16.1905

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Bernhard, Otto: Die erste Wanderausstellung des Verbandes der Kunstfreunde in den Ländern am Rhein
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Die erste Wanderausstellung des Verbandes

der Kunstfreunde in den Ländern am Rhein

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sehen Stromes, des Rheins, nach dem sich doch der
Verband nennt, der das einigende Moment in ihm
sein soll, läßt die Ausstellung nichts verspüren. Aber
auch von einem anderen Geiste nicht; die »Idee«
mangelt eben. Man fragt sich in der Ausstellung
beständig: »warum denn?« und wird den peinlichen
Eindruck der Zwecklosigkeit, des Zufallsproduktes
nicht los. Und gerade bei einer ersten und bei einer
Wanderausstellung, deren ausgesprochene Aufgabe es
doch ist, das Publikum über Wesen und Ziele des
Verbandes aufzuklären und damit den Zusammen-
schluß zu festigen, ist das doppelt schlimm. Von
dieser Ausstellung empfängt der Laie niemals eine
Vorstellung, ein Anschauungsbild; hundert Einzel-
eindrücke stürmen auf ihn ein, kämpfen miteinander
und schlagen sich tot, weil die höhere Einheit, zu
der sie sich verbinden und zusammenschließen könnten,
nicht vorhanden ist; wenn er nach dem Besuch über-
haupt noch zu einem Gedanken fähig ist, wird er
als Motto über seinen Katalog den alten Banausen-
spruch schreiben: »Wer vieles bringt, wird jedem
etwas bringen«, womit allerdings eine vernichtendere
Kritik geübt wäre, als ich sie gewagt habe.

Sieht man aber auch von dieser allgemeinen
Charakterschwäche der Ausstellung einmal einen Augen-
blick ab und legt nur den Maßstab an: sind die aus-
gestellten Werke alle oder doch ihrer Mehrzahl nach
gute Kunstwerke, bei denen es sich der Mühe, sie
auszustellen, verlohnt? auch dann erlebt man keine
reine Freude an der Ausstellung. Bilder, wie Winkels
(Düsseldorf) »Waldwiese«, Schmitz' (Düsseldorf)
»Triptychon«, Schmurrs (Düsseldorf) »Schönheit der
Farm« — unglaublich, wie der Künstler, der das
famose Porträt des Herrn Präsidenten zur Nedden
geschaffen hat, ein so flaches Bild machen konnte —
Janssens (Düsseldorf) »Een dolle Boel«, Professor
Grethes (Stuttgart) »Kapitän in spe«, Dirks (Düssel-
dorf) »Windstille«, Caspars (Stuttgart) »Bildnis« und
andere mehr bringen uns doch wahrhaftig nicht einen
Schritt weiter. Eine strengere Auslese wäre also sehr
wünschenswert gewesen. Auch sind nicht alle Künstler
mit für sie charakteristischen Werken vertreten, was
doch gerade das angewendete Prinzip, nur ein Werk
jedes Künstlers zu zeigen, hätte zur Voraussetzung
haben müssen. Trübners »Medusa« z. B. ist, man
mag über sie denken wie man will, jedenfalls für
sein Gesamtschaffen in keiner Weise typisch.

Kann demnach die Ausstellung als solche nicht
als geglückt bezeichnet werden, so muß andererseits
doch auch anerkannt werden, daß sie im einzelnen
eine Anzahl vorzüglicher, zum Teil erstklassiger
Meisterwerke enthält. An erster Stelle steht da
Thomas »Herbstlandschaft«. Wenn auch die Knickung
der abfallenden Landstraße vielleicht nicht ganz
plausibel gemacht ist, wie wird man für diese ge-
ringe technische Entgleisung entschädigt durch die
wunderbar poetische und prachtvoll komponierte Berg-
landschaft? Eine gewisse technische Unbeholfenheit
hat ja Thoma überhaupt nie ganz verloren; sie gehört
bei ihm aber gewissermaßen zu seinem Stil und ist
uns, weit entfernt uns im Genüsse zu stören, vertraut

und lieb geworden. Auf gleiche Höhe möchte ich
Schönlebers entzückend duftige und flüssig gemalte
Landschaft »Pfingsten« stellen. Küstners »Buchen-
wald« ist ein vorzügliches Bild, während sein »Moos«
mir zu ölig ist. Volkmanns »Aufklärender Abend«
zählt gleichfalls zu den besten Werken der Aus-
stellung. Mit guten Landschaften sind außerdem
noch vertreten: Ciarenbach (Bockum), Hardt (Düssel-
dorf), Hellwag (Karlsruhe), Kinsley (Cronberg), Luise
Kurtz (Osthofen), Osthoff (Grötzingen bei Durlach),
Strich-Chapell (Sersheim bei Vaihingen), Walter (Karls-
ruhe), Bertha Welti (Karlsruhe), Wondra (Darmstadt).
Wilhelm Baders (Darmstadt) »Dämmerung« ist etwas
allzu weich geraten. Beyers (Darmstadt) »Damen-
bildnis« und »Mohn« gehören zu dem besten,
was dieser Künstler geleistet hat. Dill vermag mit
seinen, sich stets wiederholenden, gelb-braunen Land-
schaften doch kaum mehr zu interessieren. Heins
(Karlsruhe) »Vor Schlafengehen« und Hoelschers
»Wasserholendes Mädchen« sind tüchtige Malereien.
Kalckreuth ist mit der bekannten »Scheune« und
einem »Nachtwächter« aus dem Jahre 1893 vertreten.
Oppenheim (Frankfurt) hat ein technisch flott ge-
maltes, wenn auch nicht sehr tiefgehendes Selbstporträt
geschickt. Sohn-Rethels (Düsseldorf) »Italienerin« ist
zwar nicht übel, reicht aber an die meisten anderen
Arbeiten dieses Künstlers nicht heran. Steinhausens
»Abend im Walde« ist nicht frei von Kompositions-
mängeln und sentimental in der Auffassung, wie
überhaupt unseres Erachtens die Bedeutung dieses
Künstlers nicht auf dem Gebiete der Landschafts-
malerei liegt. Die pointillistischen Arbeiten von
E. R. Weiß und Rohlfs (Hagen) fallen aus dem Rahmen
der Ausstellung heraus. Unter den graphischen
Arbeiten ragen die Lithographien von Nikutowski
und Schönnenbeck (Düsseldorf), sowie die Radierungen
von Cosomati (Cronberg) und Professor Mannfeld
(Frankfurt) hervor. Unter der Plastik möchten wir
Professor Habichs (Darmstadt) »Porträtbüste des Herrn
Dr. Praun« und Bosselts (Düsseldorf) reizender Bronze-
statuette »Junges Mädchen« den Preis zuerkennen.
Rettenmaiers (Frankfurt) »Judith« ist eine allseitig
vorzüglich durchgebildete, echt plastisch empfundene
Figur, wenn auch nicht gerade eine »Judith«. Pro-
fessor Kowarzik (Frankfurt) sandte eine vorzügliche
Porträtbüste des Zoologen Weismann, Professor Haus-
mann (Frankfurt) eine sehr anmutige Porträtgruppe
einer jungen Mutter mit ihren Kindern. Erwähnt
seien noch eine Hansjakob-Statuette von Professor
Dietsche (Karlsruhe) und Luise Staudingers (Darmstadt)
vielversprechende Plaketten.

Das Arrangement der Ausstellung, um das sich
J. V. Cissarz besonders verdient gemacht hat, ist sehr
feinsinnig und geschmackvoll. Es verdient dies um
so mehr anerkannt zu werden, als die räumlichen
Verhältnisse sehr beschränkt und ungünstig waren.
Der Katalog, von Cissarz geschmückt, ist ein reizendes
kleines Kunstwerk und buchgewerblich schlechthin
mustergültig. OTTO BERNHARD.
 
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