Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Hinweis: Ihre bisherige Sitzung ist abgelaufen. Sie arbeiten in einer neuen Sitzung weiter.
Metadaten

Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 16.1905

DOI Artikel:
Kisa, Anton Carel: Die Kunstwerke der Münsterkirche zu Essen
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.5901#0073

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
KUNSTCHRONIK

WOCHENSCHRIFT FÜR KUNST UND KUNSTGEWERBE

Verlag von E. A. SEEMANN in Leipzig, Querstr. 13

Neue Folge. XVI. Jahrgang 1904/1905 Nr. 9. 23. Dezember

Die Kunstchronik erscheint als Beiblatt zur Zeitschrift für bildende Kunst« und zum >Kunstgewerbeblatt< monatlich dreimal, in den Sommer-
monaten Juli bis September monatlich einmal. Der Jahrgang kostet 8 Mark und umfaßt 33 Nummern. Die Abonnenten der »Zeitschrift für bildende
Kunst« erhalten die Kunstchronik kostenfrei. — Für Zeichnungen, Manuskripte etc., die unverlangt eingesandt werden, leisten Redaktion und Ver-
lagshandlung keine Gewähr. Alle Briefschaften und Sendungen sind zu richten an E. A. Seemann, Leipzig, Querstraße 13. Anzeigen 30 Pf. für
die dreispaltige Petitzeile, nehmen außer der Verlagshandlung die Annoncenexpeditionen von Haas enstein & Vogler, Rud. Mosse u. s. w. an.

DIE KUNSTWERKE DER MÜNSTERKIRCHE ZU
ESSEN1)

Das Werk eines Jahrzehntes liegt vor uns. Mit seltener
Sorgfalt und Gründlichkeit hat der auf dem Felde der
kirchlichen Kunst des Mittelalters wohlvertraute Verfasser
den Kirchenschatz seiner Vaterstadt einer neuen, zusammen-
fassenden Bearbeitung unterzogen. Er selbst beklagt zwar,
daß es ihm in Essen durch den Mangel einer größeren
Bibliothek sehr? erschwert worden wäre, mit der Fach-
literatur "auf^dem Laufenden zu bleiben, umso höher ist
sein Verdienst gerade darin anzuschlagen, daß die lite-
rarischen Hinweise von einer musterhaften Vollständigkeit
sind und eine gründliche Durcharbeitung des vorhandenen
sehr umfangreichen Materiales verraten. Humann selbst
legt jedoch nicht-allzu großen Wert darauf, durch die
Brillen seiner Vorgänger zu sehen, sondern verläßt sich
lieber auf seine gesunden Augen. Ausgedehnte Reisen
setzten ihn instand weit auseinander liegende Dinge zu
vergleichen und sich ein selbständiges Urteil zu bilden.
Auf herrschende Schulmeinungen, namentlich in bezug
auf die byzantinische Frage, die Entwickelung der Miniatur-
malerei, Elfenbeinplastik und des Emails gibt er nicht
allzuviel. Trotz mancher vortrefflicher Vorarbeiten sind
sie von endgültiger Lösung immer noch weit entfernt, da
das in ganz Europa zerstreute Material erst zum kleinsten
Teile und da häufig durch ungenügende Abbildungen be-
kannt geworden ist, welche in bezug auf Technik und
Alter keine sicheren Schlüsse zulassen, ja nicht einmal
auf ihre Echtheit — oder besser gesagt, auf diese erst
recht nicht. So pflanzen sich Irrtümer von Geschlecht
zu Geschlecht, vonf Lehrer auf den Schüler fort. Dazu
kommt," daß die genannten Gebiete bei der jetzigen Vor-
liebe für ikonographische Studien mehr als Hintergrund
für diese, denn als Hauptsache betrachtet werden und An-
fängern angenehme und leichte Themata für Dissertationen
bieten, in welchen für geistreiche Vermutungen und Hypo-
thesen genug Raum vorhanden ist. Es werden auf Grund
unzureichender Stilkritik und rein zufälliger Kenntnis einer
geringen Zahl von Denkmälern' Schulzusammenhänge, ja
einzelne Künstlertypen aufgebaut, welche die nächste zu-
fällige Entdeckung wieder über den Haufen werfen kann.
So kann man es Humann nicht verübeln, daß er sich
gegen manche Ergebnisse neueren Registrierungseifers
skeptisch verhält. Sehr vorsichtig ist er auch in den
Datierungen. Seinen Standpunkt in dieser Sache hat er

1) 72 Lichtdrucktafeln, in Groß-Folio, herausgegeben
von dem Kirchenvorstande der St. Johannes-Gemeinde in
Essen, beschrieben von Georg Humann. Text in gr. 8°
(440 Seiten) illustriert. 72 Tafeln in Lichtdruck, in Kaliko-
mappe 75 Mk. — Verlag von L. Schwann in Düsseldorf.

in einem Aufsatze des Repertoriums f. K., Jahrgang 1901
entwickelt, welcher dem Essener Werke als Anhang bei-
gefügt ist, und er macht ihn auch jetzt in einer sehr
sympathischen Weise geltend, welche angenehm von der
tötlichen Sicherheit mancher »Autoritäten« absticht. Wo
bloß stilistische Gründe zur Bestimmung des Alters oder
Entstehungsortes vorliegen, spart er die Fragezeichen nicht,
eingedenk der Tatsachen, daß Stilformen nicht überall an
dieselben Zeiten gebunden und die Werke der Kleinkunst,
namentlich Bücher, Elfenbeine und Goldarbeiten sehr be-
weglich sind. Fast könnte man Humann allzu vorsichtig
und allzu bescheiden nennen, wenn er für seine Arbeit
nur Inschriften und dokumentarische Beweise als unbedingt
verläßlich gelten läßt.

An Vorarbeiten hat es ihm nicht gefehlt. Franz Bock,
Ernst aus'm Weerth, Labarte haben die hervorragendsten
Stücke des Schatzes beschrieben und mit allerdings ganz
ungenügenden Abbildungen herausgegeben. Molinier, de
Linas haben viel davon publiziert, ohne ihn gesehen zu
haben, Didron genügten hierzu und für das ganze übrige
Deutschland einige Tage. Auch Falke, Rohault de Fleury
und andere urteilten ohne Autopsie, nur auf Grund der
vorhandenen Abbildungen. Die kunstgeschichtlichen Hand-
bücher und volkstümlichen Darstellungen enthalten allerlei,
auf den Ansichten der genannten Schriftsteller beruhende
Notizen größeren oder kleineren Umfanges über den
Schatz. An ihrer geringen Zuverlässigkeit tragen in der
Hauptsache die ungenügenden Abbildungen Schuld, welche
dem Kunsthistoriker hier, wie für die mittelalterliche
Kunst bis zum 15. Jahrhundert überhaupt, zur Verfügung
stehen. Bei der Veröffentlichung ist daher gerade
auf diese großer Wert gelegt worden. Die Tafeln, von
der Kunstanstalt B. Kühlen in München-Gladbach ausge-
führt, füllen eine stattliche Mappe und führen die be-
deutendsten Stücke, von dem Evangelienbuche des
8. Jahrhunderts bis zu einigen in Silber getriebenen Ge-
räten des 18. Jahrhunderts vor. Man hat von einer
farbigen Wiedergabe abgesehen, weil diese, ungerechnet
die großen Kosten, gegenüber den durch die Zeit ver-
änderten Tönen der Buchmalerei und des Schmelzwerkes
oft versagt und sich mit Lichtdrucken begnügt, welche
nach neuen photographischen Aufnahmen hergestellt sind.
Obwohl diese in der Kirche selbst unter ungünstigen Be-
leuchtungsverhältnissen vorgenommen werden mußten,
sind sie doch sehr scharf geworden und geben die
Originale in der erwünschten Größe und Deutlichkeit
wieder. Von einzelnen hervorragenden Stücken, wie dem
siebenarmigen Leuchter und den Vortragekreuzen sind
Detailaufnahmen gemacht, welche in Verbindung mit den
Textillustrationen nach Zeichnungen des Verfassers ein
eingehendes Studium möglich machen.

Der Schwerpunkt des Schatzes von Essen, des be-
 
Annotationen