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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 16.1905

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Kisa, Anton Carel: Die Kunstwerke der Münsterkirche zu Essen
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Wolf, August: Angeblich neue Gefahr für die Markuskirche in Venedig
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https://doi.org/10.11588/diglit.5901#0077

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Angeblich neue Gefahr für die Markuskirche in Venedig

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Ausschnitte für den Kopf. Dagegen hat es so viel mit
altchristlichen, speziell niailänder Arbeiten geniein, daß ich
es am liebsten für eine solche halten möchte.

Bei Besprechung der bereits erwähnten Reliquientafel
(T. 33), welche einen Nagel vom Kreuze Christi enthält,
zitiert Humann eine Äußerung Sökelands (Verhandlungen
der anthropol. Gesellschaft zu Berlin 1891 vom 18. Juli,
S. 607) über die sogenannten Roggenkorngemmen. Diese
kleinen, häufig auf kirchlichen Goldschmiedearbeiten der
frühen romanischen Zeit neben anderen Edelsteinen ange-
wandten Gemmen sind eirund oder halbkugelförmig ge-
staltet und mit kleinen länglich ovalen Einkerbungen ver-
sehen, in verschiedener Anzahl und willkürlichen Grup-
pierungen, von 1—21. Sökeland hält sie für mittelalterlich
und glaubt, daß sie eigens für den christlichen Kult ge-
macht worden seien. Er zählt im ganzen zweiundachtzig,
jedenfalls gibt es deren mehr, denn Humann fand allein
im Essener Schatze achtzehn anstatt der früher bekannten
vier. Daß sie nicht für kirchlichen Schmuck angefertigt
wurden, weist er aus dem Umstände nach, daß viele Ein-
kerbungen durch die Fassung verdeckt werden. Ihre
ursprüngliche Bedeutung bleibt ungewiß. Ich möchte sie
für antike Spielsteine halten, bei welchen Einkerbungen
die Würfelaugen vertreten.

Auf Tafel 42 wird ein Kästchen abgebildet, das mit
Beinstreifen belegt ist und auf diesen ein mit Würfelaugen
kombiniertes Wellenband und Zickzackmuster zeigt. Hu-
mann weist mit Recht darauf hin, daß diese Ornamentik
nicht auf nordische, sondern auf antik-orientalische Motive
zurückgeht. Ein ähnliches Kästchen in St. Gereon zu
Köln (abgeb. bei Bock, Das heilige Köln T. I 2, 5) hat
eine arabische Inschrift. Es ist nun gerade nicht nötig,
alle derartigen Arbeiten als Import aus dem Orient anzu-
sehen. Humann zählt eine Anzahl solcher auf, darunter
auch das Kästchen zu Werden, welches 1902 in Düsseldorf
ausgestellt war. Durch den Ausstellungskatalog, welcher
es als irische oder angelsächsische Arbeit des 8.—9. Jahr-
hunderts bezeichnet, läßt er sich dazu verleiten, neben den
antikisierenden Bandverschlingungen Figuren im Charakter
der nordischen Kunst zu sehen. Ich muß gestehen, daß
ich nichts Irisches oder Angelsächsisches an dem Kästchen
entdecken konnte, wohl aber eine Verwandtschaft mit
spätrömischen Arbeiten, die nicht im Oriente, sondern am
Rhein und in Belgien entstanden sind. In den römischen
Gräbern Kölns vom 4. und Anfange des 5. Jahrhunderts
sind Kästchen mit solchem Beinbelag nichts Seltenes.
Manche, die man späteren Jahrhunderten zuschreibt, mögen
noch römisch sein, andere zeugen für die Fortdauer der
Tradition bis ins Mittelalter hinein.

Das auf Tafel 49,2 abgebildete Glasgefäß ist ein soge-
nannter »Magelein«, die gewöhnliche Becherform des
späten Mittelalters und noch des 16. Jahrhunderts. Es
hat einen dicken Boden im Gegensatze zu den halb-
kugeligen Tummlern, welche auf den Rand oder auf einen
besonderen Untersatz gestellt werden mußten.

Das aus Silberblech getriebene Standkreuz (T. 58),
jetzt als Vortragekreuz benutzt, wird mit Recht in das
Ende des 15. oder den Anfang des 16. Jahrhunderts ver-
setzt. Es ist keine hervorragende Arbeit, im Gegenteil,
die Komposition ist sogar recht geschmacklos. Interessant
aber ist der langbärtige, greisenhafte, vergrämte Kopf mit
dem strähnigen, herabfließenden Haar und der magere
naturalistisch gebildete Körper. Der Kopf, die zu kleinen,
fast schwächlichen Füße, das laubsägeartige Maßwerk
der Vierpässe an den Enden des Kreuzbalkens enthalten
keine Spur von rheinischer oder französischer Spätgotik.
Das Ganze dürfte spanische Arbeit sein. Viel besser und
sympathischer sieht das Kopfreliquiar des heiligen Marsus

(T. 59) aus, mit den individuell durchgearbeiteten Zügen
diese Gattung vortrefflich repräsentierend. Am vorteil-
haftesten aber kommt die späte Gotik in einer Reihe von
Agraffen und Mantelschließen zur Geltung, (T. 62) die
ursprünglich zu weltlichem Gebrauche bestimmt, nachträg-
lich in die Kirche gestiftet wurden. Diese reizvollen
Schmuckstücke bestehen aus einem kreisförmig gebogenen
Aste mit Blättern und Blüten von größter Feinheit. Die
Knospen werden durch Perlen dargestellt. In der Mitte
prangt eine große Blume, ein Frauenkopf, eine Jagdszene,
irgend ein Vogel oder Vierfüßler. Sie sind in Goldblech
getrieben und in leuchtenden Farben emailliert (sogenanntes
Goldschmiedeemail). Humann weist auf die kunstvollen
Agraffen auf Gemälden der kölnischen und altnieder-
ländischen Schule hin und vermutet, daß sie zu Ende des
14- und im 15. Jahrhundert im prunksüchtigen Flandern
entstanden sind, der Heimat jener prachtvollen Brokate
und Goldstickereien, welche sie verzieren halfen. Von
den am Niederrhein häufigen flandrischen Goldstickereien
enthält der Essener Kirchenschatz eine nicht sehr bedeutende
Probe in den Stegen einer Casula (T. 61) aus der zweiten
Hälfte des 15. Jahrhunderts. Wenn gesagt wird, daß man
»den nicht verzierten Gewandteilen durch feine, zwischen
den Plattstichen unregelmäßig aufgeheftete Goldfäden
wirkungsvollen Schimmer verlieh«, so ist die Technik da-
mit nicht richtig gekennzeichnet. Diese Goldfäden sind
nicht nachträglich aufgeheftet, sondern bilden, dicht
nebeneinander gelegt, den Grund, auf welchen mit farbiger
Seide gestickt ist. Je nach der Dichtigkeit der farbigen
Fäden schimmert der Goldgrund mehr oder weniger
deutlich hindurch und erzeugt prächtige Wirkungen. Die
Falten der dargestellten Gewänder erscheinen gleichsam,
wie auf flandrischen und französischen Miniaturen dieser
Zeit, mit Gold gehöht.

Außer den angeführten Gegenständen ist eine größere
Anzahl gotischer Monstranzen, Reliquiare und Kelche ab-
gebildet. Den Schluß bilden vortreffliche Reproduktionen
der vier Altarbilder von Barthel Bruyn dem Älteren,
(T. 63—69) und Silbergeräte des 18. Jahrhunderts.

Anton Kisa.

ANGEBLICH NEUE GEFAHR FÜR DIE MARKUS-
KIRCHE IN VENEDIG

Von neuem hat sich die Panik der Gemüter be-
mächtigt: Man fürchtet für die Markuskirche. Bereits
durchlaufen beunruhigende Berichte die Zeitungen
jenseits der Alpen. Glücklicherweise sind die
allarmierenden Mitteilungen nicht veranlaßt durch
neuerdings aufgetretene Erscheinungen gefährlicher
Art am Bauwerke selbst, sondern lediglich durch die
Drucklegung der schon im Juni der Kirchenverwaltung
von Seiten der Baudirektion eingereichten Bericht-
erstattung über den Zustand des Gebäudes. — Dieser
Bericht ist das Resultat eingehendster, durch zwei Jahre
hindurch gemachter Untersuchungen des der Kirche
vorgesetzten Baudirektors Manfredi und seines Assisten-
ten Marangoni. Bis ins kleinste werden die Schäden
darin [ aufgedeckt und zugleich die Mittel ange-
geben, welche zunächst für die gefährlichsten, der
Restauration am meisten bedürftigen Stellen des alten
Baues^ anzuwenden seien. — Diese gewissenhafte Be-
richterstattung blieb nun vom Juni an bis heute, wo
sie endlich gedruckt vorliegt und den Präfekten ver-
anlaßte, eine Sitzung einzuberufen, ruhig liegen. Glück-
 
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