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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 16.1905

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Wolf, August: Neues aus Venedig, [2]
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A. G. Meyer
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https://doi.org/10.11588/diglit.5901#0087

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157

A. G. Meyer f

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Cantalamessa ist es dieser Tage geglückt für unsere
Galerie der Akademie zwei außerordentlich schöne kleinere
(1 m breite und 0,40 m hohe) Bilder von A. Schiavone
zu erwerben, welche sich durch vortreffliche Erhaltung und
kräftige Farbe auszeichnen. Es sind in denselben antike
Fabeln illustriert, an welchen Gegenständen unsere Galerie
bisher sehr arm war.

Die schönen Fresken, welche V. Bressanin im großen
Saale des hiesigen Konservatoriums malt, von welchen ich
bei deren Inangriffnahme berichtete, schreiten ihrer Voll-
endung entgegen. Der genannte Saal, Palazzo Pisani
St. Stefano, vom prächtigen Deckengemälde des 17. Jahr-
hunderts geschmückt, dessen Eingang ein stolzes Gitter von
Corinthmetall bildete wurde durch Verkauf des großen in Öl
gemalten Plafonds, sowie des Gittertores nackt und bloß
gelassen, als der hiesige Stadtrat, leider zu spät, sich
zum Ankaufe' des ganzen Anwesens entschloß, um das
Konservatorium dahin zu verlegen. Auch die schöne
Treppe hat bei diesem Verkaufe ihre vortrefflichen zahl-
reichen Statuen verloren. Alles ging an einen Pariser
Antiquar. — Bressanin bot sich nun an, den nun kahlen
Saal gegen bloße Entschädigung der Auslagen auszumalen.
Seit lange nimmt den tüchtigen Künstler die Arbeit in
Anspruch, in welcher er die dankbare Aufgabe sich ge-
stellt hat, eine Verherrlichung der Musik in ihren ver-
schiedenen Äußerungen zu geben. Man hofft den Saal
gelegentlich der Eröffnung der großen Internationalen
Ausstellung im Frühling eröffnen zu können. Zu beklagen
ist, daß die für den Saal zu große Orgel zu viel Raum
beansprucht. Vielleicht gelingt es dem jetzigen jungen
Direktor des Konservatoriums, E. Wolf-Ferrari, mit seinem
Plane durchzudringen, der Orgel ihren Platz hoch oben
im Fond vor der umlaufenden Galerie anzuweisen, was
im dekorativen Sinne (sowie akustischen) dem Saale zum
größten Vorteile gereichen würde. Mit Bressanins
Malereien ist eine Tat zu begrüßen, welche seit langen,
langen Zeiten wieder die erste Manifestation monumentaler
Malerei in Venedig genannt werden muß, zu welcher
Bressanin vor allen andern berufen zu sein scheint.

Mehr als irgendwo sind hier in Venedig Wiederher-
stellungen auf architektonischem Gebiete mit Freuden zu
begrüßen. So ist unlängst eine jener für Venedig so
charakteristischen großen, vom Hofe des Palastes ins
Hauptgeschoß hinaufführenden unbedeckten monumentalen
Treppen wiedererstanden. Im Palaste (einst Giustinian)
des bekannten Musikers Grafen Sernagiotto, neben Palazzo
Foscari am Canal grande gelegen, war der Hauptschmuck
des mächtigen Hafens, die »Scala scoperta«, spurlos ver-
schwunden. Man sah oben nur noch das Portal, welches
zu ihr führte. (Es gab Zeiten, wo in Venedig, besonders
nach dem Falle der Republik, ganze Paläste als Steinbruch
nach und nach verbraucht wurden. Ein ähnliches Schicksal
mag der prachtvollen Treppe geworden sein.) Dem kunst-
sinnigen Besitzer des genannten Palastes ist es nun ge-
lungen, daß die Treppe wieder in voller Schönheit seine
Behausung ziert und wir so hier wieder eines der schönsten
Beispiele derartiger Prachtstücke haben. Sie war, auf
gotischen Bogen ruhend, ganz von neuem zu erbauen,
was in voller Stilreinheit vortrefflich gelungen ist. Der
Hof dieses Palastes ist einer der sehenswertesten in
Venedig. Eine der schönsten Brunnenbrüstungen gereicht
ihm außerdem zur ganz besondern Zierde. Es hat sich
diesen Palast der einst so viel gerühmte Natale Schiavoni
ermalt, der hier als reicher Mann starb. Bekam er doch
für eine Kopie der Assunta Tizians in Originalgröße vom
Kaiser von Rußland 24000 Francs nebst einer auf ihn ge-
prägten goldenen Medaille. Nicht minder glücklich war
der Großvater des jetzigen Besitzers, Felix Schiavoni.

Beide Schiavoni hatten solche Erfolge der geringem An-
zahl tüchtiger Maler Italiens in der ersten Hälfte des
19. Jahrhunderts zu danken. Der genannte Palasthof
ist vom Campiello dei Squellini aus zugänglich, leicht
kenntlich an großem gotischen Portale.

Seit langen Zeiten ist in Venedig nicht so viel gebaut
worden wie in den letzten Jahren. In allen Teilen der
Stadt erheben sich bequem eingerichtete Häuser für Ar-
beiter an Stelle kleiner schmutziger Baracken. Neue Plätze
wurden durch Niederreißen feuchten Gewinkeis geschaffen,
ohne dem Charakter der Stadt allzusehr Gewalt anzutun.
— Dies alles entzieht sich jedoch dem Auge des flüchtigen
Besuchers. Was jedoch am Canal grande geschieht, muß
in die Augen fallen: So wurde dieser Tage der kleine neu
errichtete Palast des Grafen Nigra enthüllt. Architekt Sardi
hat hier bewiesen, was auch bei bescheidenen Mitteln und
Dimensionen geleistet werden kann, wenn sich nur Ge-
schmack mit Respekt vor der Tradition venezianischer
Architektur bei koloristischem Sinne zu einem harmonischen
Ganzen verbinden, wie es hier in hohem Grade der Fall
ist. Das Gebäude liegt in der Nähe des Bahnhofes. Die
vorgelegte große Gartenterrasse bildet die Ecke da wo
ein kleiner Seitenkanal abbiegt, so daß der Bau sehr
günstig seine zwei Seiten zeigt und in Verbindung mit
der Terrassenbrüstung und den Eingangstoren der rück-
liegenden Umfassungsmauer ein außerordentlich malerisches
Ganze bildet. Es wäre nur zu wünschen, daß das ab-
scheuliche Haus zur Linken ebenfalls niedergerissen werden
dürfte, um einem weiteren Bau Sardis zu weichen, da
gerade an jener Stelle der Canal grande sehr arm ist an
nennenswerten Gebäuden.

Venedig, im Dezember 1904. august wolf.

A. G. MEYER f

Am 17. Dezember starb in Berlin der Professor an der
Technischen Hochschule und Lehrer an der Kgl. Kunst-
schule Dr. Alfred Gotthold Meyer im Alter von nur vier-
zig Jahren. Wir betrauern in ihm einen der fähigsten,
eifrigsten und ideenreichsten unter den Berliner Kunst-
historikern. Seine frühesten größeren Arbeiten sind den
plastischen Denkmälern der italienischen Frührenaissance
gewidmet. Später faßte er seine Studien auf diesem Ge-
biet in dem zweibändigen Werke über die oberitalienische
Frührenaissance zusammen. Auch seine auf ein größeres
Publikum berechneten Arbeiten, die sich durch wissen-
schaftliche Gediegenheit bei ansprechendster gemeinver-
ständlicher Form auszeichnen, galten vorzugsweise Bild-
hauern, so die Monographien über Canova, Begas und
zuletzt Donatello (1902). Seit einer Reihe von Jahren kon-
zentrierte sich sein Interesse immer mehr auf Fragen kunst-
gewerblicher Natur, deren Verständnis er nicht nur durch
lichtvolle Darstellung der historischen Entwicklung, sondern
auch durch grundlegende ästhetische Betrachtungen zu er-
schließen suchte. Von dem großen Werke über die »Möbel-
formen« konnte er noch drei Hefte vollenden. Seine zahl-
reichen Vorträge, durch die er neben dem akademischen
Unterricht auch die breitere Öffentlichkeit für künstlerische
Fragen zu gewinnen trachtete, erfreuten sich einer außer-
ordentlichen Beliebtheit. Mitten aus umfassenden Plänen
und Vorarbeiten für neue Werke riß den Unermüdlichen
eine Blutvergiftung, deren immer weiter um sich greifenden
Verheerungen gegenüber auch die Kunst der berühmtesten
Ärzte sich machtlos erwies. Was seine Freunde und
Schüler und was die Wissenschaft an ihm verloren, hat
Geheimrat Julius Lessing bei der Trauerfeier in tief em-
pfundenen und ergreifenden Worten ausgesprochen, a.
 
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