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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 16.1905

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Simon, Karl: Hans Makart und Graf Athanasius Raczynski
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https://doi.org/10.11588/diglit.5901#0123

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229

Hans Makart und Oraf Athanasius Raczynski

230

Sie aber finden, daß mit diesem Bilde die Climax bereits
erstiegen ist und ein Schritt weiter zur Fäulnis
führt.« Beweis dafür sei schon »die Pest in Florenz«,
die »im Salon einer ausgefuchsten Petersburger demi-
monde Dame am Platze sein würde«. Raczynski
antwortet darauf: »Emanzipierte Prinzeßchen kann
ich vertragen, aber cynisme bleibt ausgeschlossen.«

Unterdessen hatte sich Kaulbach entschlossen, sein
Bild seinem alten Gönner nach Berlin zu schicken,
damit er sich selbst ein Urteil bilden könne. Am
24. Dezember 1868 ist es bei ihm eingetroffen. Und
noch an demselben Tage heißt es in einem Brief an
Frau Kaulbach: »Das Bild ist soeben angelangt. Meine
Wonne kann ich Ihnen gar nicht schildern. Das macht
mich ganz konfus, aber ich werde wohl zur Besinnung
kommen und dann werde ich sagen, was ich wünsche
in Beziehung auf eine Bestellung — wenn es geht.
Sowas ist noch nicht dagewesen; Genie, Geschmack,
unvergleichliches Kolorit, nie gekannte Richtung und
Effekt, Traum, Hexerei, etwas mit Rubens verwandt,
aber viel feiner und zarter. Ich fürchte nur das
Nachdunkeln ... Ich habe etwas auszusetzen bei
den Seitengruppen — ich finde da die meisten
Figuren nicht richtig gezeichnet und zu gedrängt,
auch teilweise disgracieuses gemein und unschön.
Nichtsdestoweniger befinde ich mich in einer grenzen-
losen Ekstase. An der Mittelgruppe ist nichts aus-
zusetzen, — alles göttlich, nobel und schönster Stil
mit Grazie verbunden. Kolorit durchweg unglaublich,
das kann kein anderer erreichen.«

Am 24. Dezember hat er sich etwas »abgekühlt«
und tritt nun mit dem Wunsche auf, eine Wieder-
holung des mittleren Bildteils mit kleinen Verände-
rungen von Makart zu erhalten. Es folgen dann
noch einige interessantej Bemerkungen: »Ein so
großes, aber so exzentrisches und phantasiereiches
Genie, wie das, welches Herr Makart in diesem Bilde
an den Tag gelegt hat, schließt aus den so häufig
gehörten Ausspruch: Sie müssen dem Künstler nichts
vorschreiben, er weiß es besser als Sie. Ein Genie
verstehen nur Genies und ich bin kein Genie, aber
bestimmte selbständige Empfindungen in Kunstsachen
haben mich immer beherrscht. Ich kenne nichts so
Entzückendes als das^Mittelbild. Liederliche Kinder
oder Elfen, teilweise gedrungene, massive, teilweise
unschöne und gemeine Gestalten, mit Taille, Ärmen,
Gesichtern wie gemästet, unausstehlichem Kopfputz,
den Körper behangen mit einem Putz, der aus Trödel-
buden zusammen gebracht zu sein scheint — das
will mir nicht gefallen. Auf den ersten Blick ist das
ravissant, weil das Kolorit bezaubert, aber dieser Ein-
druck fesselt einen_an den Gegenstand — man nähert
sich, man ist gefesselt, aber auch man untersucht, geht
ins Detail, prüft und das Entzücken verfliegt, der Wider-
wille folgt und wird immer stärker. Die Zeichnung
ist bei manchen Figuren mehr als inkorrekt. . . .
Makarts Genie ist so groß und zugleich so exzen-
trisch, daß ich nimmermehr ein Bild von ihm
wünschen möchte, welches ich nicht gesehen hätte.«

Und in einem Brief an Kaulbach heißt es: »Vor
etwas ist Makart gesichert, vor Vergleichung. Er steht

allein da in Richtung, Phantasie, Empfindung, Farbe
usw., auch Stil, denn der fehlt auch nicht in der
mittleren Gruppe und er ist nobel in hohem Grade.«

Unterdessen kam auch die Pest in Florenz nach
Berlin, die den Grafen natürlich aufs höchste interes-
sieren mußte. Er schreibt darüber an Frau Kaulbach
(15- Februar 1869): »Die sieben Todsünden oder die
Pest von Florenz von Makart ist jetzt hier bei Saxe
aufgestellt. Ich bin gleich hingelaufen. Die erste
Abteilung ist sehr schön, genialisch, wunderbar, die
zweite möchte ich nicht umsonst haben, die dritte
teilweise schön, teilweise nicht. Das Kolorit ist lange
nicht so reizend als in dem Reigen der Elfen und
in der mittleren Abteilung, die Fleischgruppe bei-
nahe ekelhaft«.

Ja, er bildet sich daraus ein Urteil über Makarts
Charakter. »Ich möchte mich mit ihm in eine
Correspondence nicht einlassen, denn seine Bilder
zeugen von Überhebung, cynisme und Unvernunft«,
heißt es in einem Brief an Werthern, der die Unter-
handlungen führt.

Dieser meldet, daß Makart, vor seiner Übersiedelung
nach Wien stehend, keine schriftliche Antwort habe
machen wollen, sondern ihm nur in die Hand ver-
sprochen habe, den Auftrag des Grafen auszuführen.
»Hält er nicht Wort, so hol ihn der Kuckuck«, ist
dessen Antwort.

Im Frühjahr war der Graf selbst nach München
gereist, hatte dort den Kentaurenkampf, den Makart
bei Kaulbach zurückgelassen hatte, gesehen und sich
für ihn interessiert; ebenso das Bild von Makart
»Ritter und Meermädchen« beim Grafen Schack, dem
er 1800 Gulden dafür geboten; freilich müsse er
noch mit dem Raum dafür in seiner Galerie einig
werden. Der Kauf ist dann doch nicht zustande
gekommen; die Absicht des Grafen zeigt aber, daß
sein Anteil an Makart auf mehr als etwa bloßer
Caprice basierte. Dagegen ist der Graf, entgegen
seiner ausgesprochenen Abneigung, doch noch in
einen Briefwechsel mit dem Künstler eingetreten; er
fragte direkt bei ihm wegen des Preises für den
»Kentaurenkampf« an, den Makart auf 200 Taler fest-
setzte. Das Bild wurde am 7. Juni von München
abgeschickt; irgend eine briefliche Äußerung findet
sich nicht darüber. Dagegen gibt der noch im Jahre
1869 erschienene, von dem Grafen selbst verfaßte
Katalog interessante Aussprüche, die in dem Satz
gipfeln: ich verstehe das Bild nicht, bin aber nichts-
destoweniger davon entzückt.

Auf die Vollendung der Elfenkönigin mußte der
Besteller noch längere Zeit warten; rührend ist seine
Ungeduld, die immer wieder zu Mahnbriefen Veran-
lassung gibt. Die Korrespondenz führt immer Frau
Makart für ihren Mann, deren Hilfe der Graf für sich
erbittet: » . . . erlauben Sie mir, verehrte Frau, Ihren
Einfluß auf Ihren Herrn Gemahl dabei in Anspruch
zu nehmen. Auch das größte Genie — wie es bei
Herrn Makart der Fall ist — darf sich wohl mit dem
Worthalten vertragen..., wo nicht aus anderen Gründen,
so doch, wenn der Wartende zu alt ist, um lange
warten zu können«.
 
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