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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 16.1905

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Gensel, Walther: Die Menzel-Ausstellung in der Berliner National-Galerie
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https://doi.org/10.11588/diglit.5901#0169

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KUNSTCHRONIK

WOCHENSCHRIFT FÜR KUNST UND KUNSTGEWERBE

Verlag von E. A. SEEMANN in Leipzig, Querstraße 13

Neue Folge. XVI. Jahrgang 1904/1905 Nr. 21. 14. April

Die Kunstchronik erscheint als Beiblatt zur »Zeitschrift für bildende Kunst« und zum »Kunstgewerbeblatt« monatlich dreimal, in den Sommer-
monaten Juli bis September monatlich einmal. Der Jahrgang kostet 8 Mark und umfaßt 33 Nummern. Die Abonnenten der »Zeitschrift für bildende
KunsU erhalten die Kunstchronik kostenfrei. — Für Zeichnungen, Manuskripte usw., die unverlangt eingesandt werden, leisten Redaktion und
Verlagshandlung keine Gewähr. Alle Briefschaften und Sendungen sind zu richten an E. A. Seemann, Leipzig, Querstraße 13. Anzeigen 30 Pf. für
die dreispaltige Petitzeile, nehmen außer der Verlagshandlung die Annoncenexpeditionen von Haasenstein & Vogler, Rud. Mosse usw. an.

DIE MENZEL-AUSSTELLUNG IN DER BERLINER
NATIONAL-GALERIE.

Gleich nach dem Tode Menzels wurde der Plan
gefaßt, einen Teil des Landesausstellungsgebäudes in
diesem Sommer dem Werke des Verewigten einzu-
räumen. Aber die National-Galerie, die gegen 1700
Zeichnungen, eine große Zahl der köstlichsten Wasser-
und Deckfarbenbilder und eine stattliche Reihe Öl-
bilder Menzels besitzt, wollte es sich nicht nehmen
lassen, den größten preußischen Maler vorher in ihren
eigenen Räumen zu ehren. Um dies in wirklich
umfassender und würdiger Weise tun zu können,
wurde zunächst das ganze obere Hauptgeschoß völlig
ausgeräumt. Aber da die Anmeldungen von Werken
aus Privatbesitz in ungemeiner Fülle einliefen und
der Nachlaß des Meisters sich als umfangreicher
herausstellte, als man angenommen, reichte es noch
nicht aus, so daß die Hälfte des obersten Stockwerks
zu Hilfe genommen werden mußte. Bedenkt man
nun, daß die beiden Cornelius-Säle durch Einbauten
und Überspannung mit einem Velum in ruhig und
einheitlich wirkende Ausstellungsräume verwandelt,
die beiden Schlachtenbilder-Säle durch Scherwände
getrennt, sämtliche Wände des Hauptgeschosses aber
mit Leinwand bespannt und dann angestrichen worden
sind, daß ferner mehrere tausend Zeichnungen und
graphische Blätter aufgezogen und gerahmt und die
Rahmen dafür erst bestellt und angefertigt werden
mußten, und daß der Hauptteil der Arbeit sich natur-
gemäß auf die letzten Wochen, ja Tage zusammen-
drängte, so wird man sich einen Begriff von dem
fieberhaften Eifer machen, mit dem zuletzt gearbeitet
wurde. Durch das opferwillige Zusammenwirken aller
Kräfte konnte am 27. März den zur Vorbesichtigung
Eingeladenen nicht nur eine fast völlig fertige Aus-
stellung gezeigt, sondern auch ein 5699 Nummern
auf 390 Seiten umfassender Katalog eingehändigt
werden.

Die Anordnung ist in den Hauptzügen die folgende:
Der zweite Cornelius Saal enthält im wesentlichen
das große Krönungsbild und die friedericianischen
Bilder nebst den Skizzen dazu mit Ausnahme des
Überfalls bei Hochkirch, der leider nicht hergegeben
worden ist, und der unvollendeten höchst interessanten
Ansprache vor der Schlacht bei Leuthen, die im
ersten Cornelius-Saale untergebracht wurde. In diesem

und dem ersten Ecksaal links hängen die übrigen
Ölbilder. In die anderen Räume des Hauptgeschosses
sind die der National-Galerie gehörigen und die aus
Privatbesitz geliehenen Zeichnungen und die einzelnen
Wasser- und Deckfarbenbilder verteilt. Der erste
Raum des oberen Geschosses enthält das Kinder-
album, die Bilder zum Feste der weißen Rose und
die Adressen. Dann folgt in einem Korridor und
einem langen Saale der künstlerische Nachlaß, dem Bilder
des Meisters von ihm selbst und von anderen, seine
Totenmaske und andere Erinnerungen an ihn ange-
reiht worden sind. Den Beschluß machen drei
Kabinette mit den graphischen Arbeiten, die fast
sämtlich dem reichen Bestände des Kupferstichkabinetts
entnommen werden konnten.

Der Eindruck des Ganzen ist einfach überwältigend.
Noch niemals ist das Werk eines deutschen Malers
in solcher Vollständigkeit vereint gewesen. Im Aus-
land findet man wohl einige Beispiele wie Turner,
Watts, Gustave Moreau; aber diese hatten es den
Überlebenden dadurch leicht gemacht, daß sie in den
letzten Dezennien überhaupt keine Werke mehr aus
der Hand gaben. Manche meinen, daß hier bei
Menzel weniger mehr gewesen wäre. Der Kunst-
freund, der jetzt nur für einen oder zwei Tage nach
Berlin kommt, könnte durch die Fülle der Eindrücke
fast verwirrt werden. Bei einer größeren Reihe von
Besuchen aber wird bald Ordnung in das Chaos
kommen und das Bild des Meisters sich erweitern,
befestigen und vertiefen. Nur durch die Zusammen-
stellung alles irgendwie Erreichbaren, auch der
schwächeren Leistungen, wird es möglich gemacht,
sein Genie nach allen Seiten zu umgrenzen. Vor
den Überraschungen, die unser Urteil in den letzten
Jahren immer wieder verschoben, sind wir nun ziem-
lich sicher. Nur das eine möchte man wünschen:
daß man alles vergessen könnte, was man von dem
Meister weiß oder zu wissen glaubt, um mit voller
Unbefangenheit an das Werk heranzutreten.

Heute, wenige Tage nach der Eröffnung, schon
endgültige Schlüsse ziehen zu wollen, wäre Vermessen-
heit. Aber einige Eindrücke, die sich sofort auf-
drängen und von Stunde zu Stunde wachsen, seien
schon festgehalten.

Der Weg Menzels war der der meisten Genies.
Außerordentliche Frühreife: Künstlers Erdenwallen
mit achtzehn Jahren, die erfindungsreichen großen
 
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