Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Hinweis: Ihre bisherige Sitzung ist abgelaufen. Sie arbeiten in einer neuen Sitzung weiter.
Metadaten

Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 16.1905

DOI Artikel:
Der Bruch in der Wiener Sezession
DOI Artikel:
Florentiner Neuigkeiten
DOI Artikel:
Verschiedenes / Inserate
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.5901#0236

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
455

Florentiner Neuigkeiten — Nekrologe

456

der Zeit folgend, in der Sezession nachgerade zwei Parteien
herausgebildet: die Impressionisten und die Stilisten. Diese
letzten sind es, die sich majorisiert fühlten und den Bund
verlassen haben. Klimt und Wagner an der Spitze. In
ihrer Gefolgschaft ist mancher kein eigentlicher Stilist
(weder Moll, noch Bernatzik z. B.), und andererseits gibt
es unter den zurückgebliebenen »Impressionisten« auch
einige, die es eigentlich nicht sind (Bacher, Engelhardt, der
Stilist König und andere). Der Schnitt zwischen den
beiden Kunstrichtungen ist nicht glatt und scharf, sondern
die Gruppen haben sich nach mancherlei mitwirkenden
Kräften und Gewichten so zusammengeschlossen. Theo-
retisch genommen aber ist die Partei Klimt-Wagner die
der Stilisten, die Partei Engelhardt-Moll die der Impressio-
nisten. Auch das Kunstgewerbe spielt hinein. Die Im-
pressionisten sind ihm weniger geneigt als die Stilisten,
die den Begriff Kunst viel weiter ziehen. (Natürlich ganz
im allgemeinen gesprochen.) Also ist es im Grunde doch
ein großer Prinzipienstreit, den die beiden Fahnen be-
deuten. Es wird wieder einmal um das Ideal gestritten.
Leider blieben allerlei hilfreiche Vorschläge unbeachtet.
Von »stilistischer« Seite wurde sogar empfohlen, es sollten
in der Sezession zweierlei Ausstellungen veranstaltet wer-
den, abwechselnd von den beiden Parteien. Dies drang
nicht durch. Übrigens ist zu merken, daß es keinem Aus-
getretenen verwehrt ist, nach Belieben gelegentlich in der
Sezession auszustellen. Wie sich aber die Dinge in der
Zukunft gestalten werden, ist ganz unklar. Der Begriff
Sezession, der das Wiener Kunstleben regeneriert hat, ist
einstweilen in seinem bisherigen Verstände tot. Eine
massive Kraft, die sich stets als Ganzes für jeden Ein-
zelnen einsetzte, ist aufgelöst. Das wird sich wohl dem-
nächst an allen Ecken und Enden des Kunstlebens be-
dauerlich fühlbar machen. Es fehlt übrigens nicht an
Stimmen, die meinen: Was weiter? Die Sezession hat
ihre Aufgaben gelöst, man bedarf ihrer gar nicht mehr.
Dazu sei erinnert, daß sie bei ihrer Gründung eigentlich
nur eine vorläufige Zeitdauer von zehn Jahren in Aus-
sicht nahm. Davon sind nun sieben um. Nach zehn
Jahren fällt auch der Baugrund an die Stadt zurück, samt
dem Hause, das darauf steht. Was dann werden wird,
liegt auf den Knieen der Götter. Vielleicht tritt die sti-
listische Partei ihrerseits mit einer neuen Organisation auf
den Plan. Sicher sogar, wie uns mitgeteilt wird, doch ist
das Wie vorläufig noch Geheimnis. Etwas Würdiges und
Kräftiges wird es jedenfalls sein. Das wäre ja die einzige
Rechtfertigung der Tat.

FLORENTINER NEUIGKEITEN

Am 9. Mai wurde das völlig restaurierte Gebäude der
Arte della Lana (gegenüber von Or San Michele) feierlich
eingeweiht. Die Societä dantesca, die in dem Saal ober-
halb der Kirche ihre Vorlesungen veranstaltet, hat die Her-
richtung veranlaßt, die nach Plänen und unter Leitung des
Architekten Lusini stattgefunden hat. Man hat sich nicht
mehr auf Restauration der alten Teile beschränkt, sondern
dem Gebäude einen schmalen Anbau hinzugefügt, in
welchen die neue Treppenanlage hineinverlegt ist.

An der Ecke dieses Anbaues, nach Or San Michele zu,
ist ein altes Tabernakel — tabernacolo della Tromba —
wieder zur Aufstellung gelangt, das einst am Mercato
vecchio gegenüber der Säule mit der Figur des Reichtums
zu sehen war und seit langer Zeit in einem Magazin der
Commune lagerte. Es ist das Werk, das Cinelli (Bellezze
di Firenze S. 215) ausführlich beschreibt und dessen Bild
er dem Jacopo di Casentüio zuschreibt. Gegenwärtig hat
man ein Bild der thronenden Madonna mit Engeln (wie es

scheint interimistisch) hineingestellt; ob es mit dem von
Cinelli erwähnten, das auch Vasari flüchtig nennt (I, 670),
identisch ist, weiß ich nicht anzugeben. Es ist im Stil
mehr sienesisch als florentinisch und ist in allen Teilen
stark übermalt.

Während der Restauration sind im Erdgeschoß, sowie
in einem der oberen Stockwerke schöne und beachtens-
werte Fresken zutage getreten, die spättrecentistischen
Charakter tragen. Inhaltlich verdienen besonders die
Fresken des Erdgeschosses Beachtung: auf dem einen ist
die Gestalt eines Papstes (?) zu sehen, auf dem anderen
ein Turnier, dem von einer Burg aus Frauen zuschauen.
In einem anderen Raum wurde, von einer Mauer verdeckt,
in einer Nische ein wohlerhaltenes Madonnenbild mit
zwei Heiligen, ebenfalls in Fresko, aufgefunden.

Für die Galerie der Uffizien sind einige wertvolle Er-
werbungen gemacht worden. Das in vieler Hinsicht be-
achtenswerteste Stück ist die Halbfigur eines heiligen Do-
minikus von Cosimo Tum. Abgesehen davon, daß die
Tafel, unterhalb der Hüften der Figur etwa, abgeschnitten
worden ist, ist sie tadellos erhalten und läßt die peinlich
saubere Temperatechnik aufs beste studieren. Ricci, der
das Stück im Florentiner Kunsthandel auffand, hat fest-
gestellt, daß es zu einem Polyptychon gehört hat, dessen
Mittelstück die Madonna der Galerie in Bergamo war, und
dessen andere Bestandteile die beiden Tafeln der Berliner
Galerie — die Heiligen Sebastian und Christoph — und
die Tafel mit einem Heiligen des Louvre gebildet haben.

Sodann wurde aus der Galerie in Ravenna, die dafür
ein Altarbild des Rondinelli erhielt, das kleine Triptychon
des Fiorenzo di Lorenzo, datiert 1485, erworben, das aller-
dings von den meisten Forschern nur als Werk eines
Schülers anerkannt wird (s. Crowe und Cavalcaselle, IV, 16g
und 379; Weber, Fiorenzo S. 136)').

Endlich kam, als Bereicherung der Sammlung der Maler-
porträts, ein Selbstbildnis Romneys dazu. Bisher war die
englische Schule des 18. Jahrhunderts nur durch das frei-
lich hervorragende Porträt von Reynolds vertreten.

Die Kommission, die über die Entwürfe für den Bau
der Nationalbibliothek zu entscheiden hatte, hat nochmals
eine Konkurrenz ausgeschrieben und zu dieser fünf Archi-
tekten aufgefordert.

In der Konkurrenz für die Fassade von San Lorenzo
hat die Jury dem Entwurf des Architekten Bazzani in Rom
den Preis zuerkannt. In der Jury waren neben mehreren
Architekten Baron Geymüller und Marcel Reymond.

In der Nähe von Figline wurde aus einer Privatkapelle
bei Ponte agli Spelli (oder agli Strolli) ein Relief aus der
Robbiaschule, darstellend die Madonna zwischen den Hei-
ligen Franz und Rochus, gestohlen. Es scheint demnach,
daß diese unsaubere Art, Kunstwerke in Handel zu bringen,
noch nicht aufhören will. Das Stück wird (von freilich
imkompetenter Seite) Luca oder Andrea zugeschrieben.

Q. Or.

NEKROLOGE
Geheimer Hofrat Professor Konstantin Uhde, der
Erbauer der Braunschweiger Technischen Hochschule, ist
im Alter von 69 Jahren gestorben. Er war ein hervorragen-
der Kenner auf dem Gebiete der antiken Baukunst und

1) Weber führt an diesen Stellen an, daß Ricci jenes
Triptychon überhaupt nicht als Werk der umbrischen
Schule anerkenne. Diese vorübergehend ausgesprochene
Ansicht hat Ricci seither längst zurückgenommen; bereits
im Wiederabdruck seines Artikels (Att. d. Accad. di B.
arts di Ravenna, Ravenna 1899, p. XI) und in drei Auf-
lagen seines Ravennatischen Führers (1897 ff.).
 
Annotationen