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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 16.1905

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Die Kunstausstellung im Palazzo delle Belle Arti in Rom
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KUNSTCHRONIK

WOCHENSCHRIFT FÜR KUNST UND KUNSTGEWERBE

Verlag von E. A. SEEMANN in Leipzig, Querstraße 13

Neue Folge. XVI. Jahrgang 1904/1905 Nr. 31. 18. August

Die Kunstchronik erscheint als Beiblatt zur »Zeitschrift für bildende Kunst« und zum »Kunstgeweibcblatt« monatlich dreimal, in den Sommer-
monaten Juli bis September monatlich einmal. Der Jahrgang kostet 8 Mark und umfaßt 33 Nummern. Die Abonnenten der »Zeitschrift für bildende
Kunst« erhalten die Kunstchronik kostenfrei. — Für Zeichnungen, Manuskripte usw., die unverlangt eingesandt werden, leisten Redaktion und
Verlagshandlung keine Gewähr. Alle Briefschaften und Sendungen sind zu richten an E. A. Seemann, Leipzig, Querstraße 13. Anzeigen 30 Pf. für
die dreispaltige Petitzeile, nehmen außer der Verlagshandlung die Annoncenexpeditionen von Haasenstein & Vogler, Rud. Mosse usw. an.

Die nächste Nummer der Kunstchronik erscheint am 1. September.

DIE KUNSTAUSSTELLUNG IM PALAZZO
DELLE BELLE ARTI IN ROM

Schon lange hätte ich gerne von dieser interessanten
Ausstellung gesprochen, wartete aber von Tag zu Tag
die Vervollständigung derselben ab. Endlich hat diese
nun stattgefunden mit der Eröffnung des Saales der
alten Prix de Rome und der Sonderausstellung des
neapolitanischen Malers Qioacchino Torna.

Ausstellungen von Werken solcher Meister, die
im letzten Jahrzehnt des vergangenen Jahrhunderts
als alte Männer gestorben sind, haben für uns ein ganz
besonderes Interesse, weil wir in ihnen noch einen
Abglanz sehen von längst verschwundenen Kunst-
idealen und dabei doch die ersten Einflüsse der
modernen Regungen. Von den alten Kunstidealen
war in dem ebengenannten Künstler, der 1891 ge-
storben ist, eines noch sehr lebendig, von dem die
modernen Künstler so ganz abgekommen sind und
das doch eine solche Wichtigkeit hat, daß man wohl
mit Recht sagen kann, daß es zu den Prinzipienfragen
der Kunst gehört, die Entwickelung eines Künstler-
lebens nach einer gewissen Kunstform und einem
bestimmten inhaltlichen Objekt, das dem Künstler als
Richtschnur dient und seiner ganzen Tätigkeit eine
sichere Bahn bereitet, zu betrachten. Man kann ja
sagen, daß eine solche Richtschnur dem freien Wirken
des Künstlers Fesseln anlegt, aber man muß auch
zugeben, daß sie vielen guten Talenten, die nicht
die Höhen des Genius erreichen, das Mittel bietet,
Gutes und Gediegenes zu schaffen. Gründliches
Studium gewisser Menschen, besonderer Lebens-
anschauungen geben dem Werk vieler solcher Künstler,
die wir jetzt altmodisch nennen, eine Festigkeit und
einen einheitlichen, sicheren Charakter, den wir leider
so oft bei unseren fessellos auf alles losgelassenen
jungen Künstlern entbehren.

Gioacchino Tomas Kunst macht auf anderem
Felde den gleichen Eindruck, den die klaren, durch-
dachten Werke eines Dahl und eines Friedrich auf
uns machen. Es sind nicht Werke eines Genius, aber
eines künstlerisch hochgebildeten und feinfühlenden
Menschen. Es sind keine in hochsymbolischen Formen
gekleidete Weltgedanken in seinen Bildern, aber ein-
fache Szenen aus dem bürgerlichen Leben, woraus

tiefstes Mitgefühl spricht, mit allen großen und kleinen
Schmerzen, die das Leben bringt. Die Eröffnung
eines Testaments bei dem Notar, die verschämten
Mütter vor dem Findelhaus, ein Zug kleiner Mädchen,
die zaudernd mit dem das Allerheiligste tragenden
Priester in das Zimmer treten, wo ihre kleine Pensionats-
schwester im Sterben liegt, glückliche Mütter ihre
Kleinen herzend, das stellen die Bilder dar und man
sieht so recht das Gefühl des Meisters in der strengen,
fast peinlichen Genauigkeit, mit welcher er die Möbel,
die feinsten Nippsachen, jede Kleinigkeit der Räume,
in denen die Begebenheiten vor sich gehen, wiedergibt.
Ein Bild zeigt uns, welche Kraft in der einfachen
Form zu finden ist und wie der Gedanke weit über
das enge Bild hinausreicht. Luisa Sanfelice, vom
letzten bourbonischen König Neapels wegen ihrer
Beteiligung an politischen Verschwörungen eingekerkert,
sitzt in der engen Zelle und näht an einem Kleidchen
für das Kind, welchem sie bald im Gefängnis das
Leben schenken soll. Die abgehärmte Frau ist ganz
in ihre mütterliche Arbeit versunken, aber welche
Verkörperung des Leidens und Ringens des ganzen
Volkes um Italiens Befreiung und Wiedererhebung
ist sie uns zugleich.

Wie kalt erscheint gegen diesen feinen einfachen
Künstler die prunkhafte Ausstellung der Prix de Rome,
in der man alle Übel des akademischen Unterrichts klar
vor sich sehen kann, aber zwar auch einiges aus dem
Werk jener Meister, welche gegen die Akademie an-
kämpfend der individuellen Richtung den Weg öffneten.
Schon voriges Jahr enthielt die römische Jahres-
ausstellung eine Sammlung von Werken alter Stipen-
diaten der französischen Kunstakademie, von Drouais,
van Loo und Regnault und vielen anderen. Dieses
Jahr haben die französische Regierung und die Ge-
meinden noch mehr geschickt. Von Carle van Loo
zwei Porträts, zwei von Chardin. Fragonard, den man
in Italien so wenig kennt, tritt einem hier fast voll-
ständig entgegen,denn neben dem großen akademischen
Bilde, Heroboam darstellend, der den Götzen Opfer
darbringt, sehen wir das Dejeuner sur l'herbe, in
welchem die Eleganz des feinen Malers zur Geltung
kommt. Von David das große Bild mit Andromache
und einige Porträts. Interessante Bilder von Hebert,
Doucet, Besnard, Zeichnungen von Ingres und einige
 
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