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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 18.1907

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https://doi.org/10.11588/diglit.5912#0071

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Literatur

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dürfte aber auch nicht Fischers Idee sein, sondern vom
Kaiser oder dessen Hofantiquarius Karl Gustav Heräus,
dem Freunde Fischers, vorgeschrieben. Wie denn über-
haupt der Bau doch von der General-Hofbaudirektion als
Baubehördenach einem Bauprogramm unternommen worden
sei. Eine weitere Analyse der Karlskirche, auf die Her-
kunft ihrer Motive hin, würde ferner folgendes ergeben:
Ihre Konkavfassade, wie sie zuerst von Fr. Borromini bei
dem Oratorium von S. Filippo Neri (1650) und S. Ivo della
Sapienza angewendet wurde, führt direkt auf Rainaldis
Prachtkirche S. Agnese in Piazza Navona (1652) zurück;
die Durchgänge unter den Türmen auf San Pietro in Rom;
die Durchbildung der Attika in französischer Weise auf
die Eglise des Mininies in Paris; die senkrechten ovalen
Fenster sind oberitalienisch, besonders von Guarini ver-
wendet; die ovale Kuppel, wie schon erwähnt, stammt
von Bernini; die Turmabschlüsse und Giebelfenster sind
niederländisch; der Säulenportikus ist palladiesk, wie das
eben aus England herüberzuwirken begann. So wäre dieser
Prachtbau ein eklektisches Werk, was allerdings seiner
großartigen und sogar originellen Wirkung keinen Eintrag
tut. Die Dernjacsche Untersuchung wird in Wien jeden-
falls Aufsehen erregen und auch nicht jedem willkommen
sein Aber Fischer von Erlach ist bedeutend genug, die
Wahrheit zu vertragen. Bei den Architekten und Musikern
ist der Kommunismus eine uralte Sache und die Motive
wandern durch die Jahrtausende, wie jetzt die Reisekoffer,
mit den verschiedensten Hoteladressen beklebt. Auf die
weiteren Vergleiche und Nachweise des Verfassers sei hier,
da die übrigen Bauten ein mehr lokales Interesse haben,
nicht eingegangen. Seine mühsame und geistreiche Arbeit
ist jedenfalls ein wichtiger Beitrag zur Baugeschichte

Wiens. Ludwig Hcvesi.

Meier-Graefe, der junge Menzel. Ein Problem der Kunst-
ökonomie Deutschlands. 8°. Leipzig 1906. Insel-Verlag.
Wie alle Bücher des vielwagenden Kunstschriftstellers
Meier-Graefe enthält auch dies neueste ungemein viel
Selbständiges und Richtiges. Die Art, mit welcher er frank
und frei seine eigenartigen Anschauungen ausspricht, hat
nichts Anmaßendes oder Selbstherrliches an sich, wie man
so oft lesen kann. Dennoch gehört in unserem autoritäts-
gläubigen Vaterlande beinahe Mut dazu, ihn zu verteidigen
— das hat ein Kämpfer wie er nicht einmal nötig — oder
offen auf seine Seite zu treten. Meier-Graefe ist einseitig,
aber bei aller Einseitigkeit der talentierteste und sicherste
(weil mit einer ganz erstaunlichen Bilderkenntnis arbeitende)
Kunstschriftsteller Deutschlands. Man mag bedauern, daß
seine individuelle Veranlagung romanisch ist. Aber man
muß ihre Resultate, ihre ehrlichen offenen Resultate aner-
kennen. Diesmal, bei Menzel, lag die Veranlassung zur
Abfassung einer kritisch gerechten Betrachtung auf einer
anderen Seite als bei Böcklin. Drum wird das Menzel-
buch weniger Aufsehen machen. Die Ablehnung des po-
pulären Menzel, der Menzel der letzten 45 Jahre ist manchem
geläufig, ohne daß sie in dieser prägnanten Form (außer
von Dülberg im vorigen Jahre in der Freistatt) jemals
ernstlich ausgesprochen worden wäre. Gegen den Hohen-
zoWexnmaler wendet sich Meier-Graefe, nachdem er in
überzeugenden Auseinandersetzungen den Zeichner gerühmt
hat. Ungemein treffend ist Meier-Graefe die Wertung der
Bilder am Anfange der fünfziger Jahre, am besten die Be-
urteilung des Theätre Gymnase gelungen. Nicht weil das
Theätre Gymnase ein französisches Bild ist, sondern weil
es trotz des französischen Einschlags ein deutsches Bild
ist. Unnachsichtlich weist Meier-Graefe die Schwächen
des alternden Meisters, dessen eigene Worte gelegentlich
als bedeutsames Relief hinzutreten. Und durch die Zeilen

klingt immer wieder das Bedauern: »wie wäre es geworden,
wenn nicht . . .!« Meier-Graefes Bücher führen unmittelbar
zu den Werken der Künstler, sie regen keine abstrakten
Reflexionen an, sondern stellen, wie sie technische Kennt-
nisse voraussetzen, rein technisch gedacht, das jeweils be-
handelte Bild vor das geistige Auge. Drum wirken sie
auch so ursprünglich, und wer in der glücklichen Lage ist,
wenigstens einen Teil von all dem vielen gesehen und ge-
merkt zu haben, was Meier-Graefe sah, kann viel aus ihnen
lernen. Aber man muß sie mit großer Vorsicht genießen.
Der feuilletonistische Anstrich ist giftig, besonders für den
Unbefangenen, Ahnungslosen. Über der sprudelnden
Reichhaltigkeit des Materials verliert Meier-Graefe gar zu
oft den Zusammenhang. Darunter leidet sein Menzelbuch
sehr. Wozu die Randglossen über Nationalismus, die
geschickten Auslegungen des Begriffs Impressionismus, die
Witzeleien über Heidelberger Kathederkunstgeschichte?
Dutzende von Seiten, die kaum auf Menzel Bezug haben!
Und dann die großen Voraussetzungen mit Rücksicht auf
künstlerisches Wissen, die nur einem ganz kleinen Kreise
die Durchnahme verstatten. Meier-Graefe leidet an einer
allzu geistreichen Sprachflüssigkeit. Mehr Kraft, mehr Be-
schränkung auf den gewählten Gegenstand, weniger Emp-
findlichkeit und Eilfertigkeit. Kurz: mehr wissenschaftlicher
Ernst, worunter beileibe nicht Schulmeisterei zu verstehen
ist. Dann wird der Wert und die Bedeutung der Arbeiten
Meier-Graefes auch von seinen prinzipiellen Gegnern an-
erkannt und geachtet werden müssen. Dr. Uhde-Bemays.

Alb. Hofmann, Denkmäler. I. Geschichte des Denkmales.
S. 1—300 m. 24 Taf. M. 15.—. II. Denkmäler mit archi-
tektonischem oder vorwiegend architekt. Grundgedanken
S. 301—824 m. 524 Abb. u. 4 Taf. M. 24.—. Handb. der
Archit. IV, 8. Heft 2 a u. b. Stuttgart, A. Kröner, 1906.
Das Denkmal als künstlerische Erscheinung hat hiermit
seine erste Bearbeitung gefunden. Das weitgesteckte Pro-
gramm des »Handbuchs der Architektur« führte auch auf
diesen Gegenstand. Unsere Kunsthistoriker haben bisher
eine merkwürdig zähe Abneigung gegen derartige sachliche
Monographien bewährt. Man darf also die Neuerscheinung
als eine Tat ohne Vorbild mit höchster Achtung und Dank-
barkeit begrüßen, zumal sich der Verfasser bemüht hat,
seine Aufgabe auf breitester Grundlage zu bewältigen, das
Material aller Zeiten und Zonen zu sammeln und zu
sichten und die unendliche Vielheit der Denkmalsformen
mit philosophischem Geist aus der Geschichte der mensch-
lichen Kultur, Sitte und Pietät zu begreifen und dann in
ein wohlgeordnetes System einzugliedern. Das erste Heft
befaßt sich nach einer kurzen Einführung über die Stellung
und die treibenden Motive der Denkmalskunst mit der
Geschichte des Denkmals und führt von Ägypten nach
Asien bis zum äußersten Osten, von Griechenland und
Rom durch die übrigen Kulturstaaten Europas bis Nord-
amerika. Das zweite Heft ist den Denkmälern mit mehr
architektonischem Charakter gewidmet, den Erdhügeln,
Felsmalen, Gedenksteinen, Obelisken, Säulen, Pyramiden,
Kreuzen, Grabmälern, Mausoleen, Türmen, Triumphbögen,
Brücken und Straßen, Rolanden, Altären und sonstigen
(kultischen) Denkmalsbauten. Ein drittes Heft wird die
Brunnen und die rein figürlichen Denkmäler behandeln.
Als wissenschaftliche Leistung gemessen, fesselt das Buch
durch die enorme Fülle des Materials und die ungewöhn-
liche, mit allen Literaturen vertraute Belesenheit des Ver-
fassers. Aus den Handbüchern der Kunstgeschichte, aus
Monographien und Gelegenheitsschriften, aus Zeitschriften
und Tageszeitungen fast aller gebildeten Zungen werden
kürzere und längere Abschnitte mitgeteilt, selbst aus Akten,
Wettbewerben, unausgeführten Plänen und Entwürfen
 
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