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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 18.1907

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Schumann, Paul: Dresdner Brief, [1]
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Schleinitz, Otto von: Londoner Brief, [1]
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https://doi.org/10.11588/diglit.5912#0093

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1Ö7

Londoner Brief

168

Im Sächsischen Kunstverein sahen wir außer der über-
aus zahlreich besuchten Kunstwartausstellung die von
Leipzig her bekannte Ausstellung Das Hochgebirge und
seine künstlerische Darstellung, die ja gemäß ihrer Absicht
und infolge nicht genügend strenger Sichtung mehr stoff-
liche als rein künstlerische Anregung bot.

Was sonst die Dresdener Kunstfreunde bewegt, sind
vor allem Personalfragen. Um die Dresdener Künstler,
die sich durch die Veranstaltung der 3. Deutsche'n Kunst-
gewerbeausstellung verdient gemacht haben, ist ein wahrer
Wettbewerb von allen Seiten entstanden. Bemerkenswert
war dabei vermutlich, daß man sogar von München aus,
das sonst die Künstler für ganz Deutschland zu liefern
pflegt, neuerdings Anstrengungen macht, Künstler aus
Dresden für Lehrstellen zu gewinnen. Bei Karl Groß,
Wilhelm Kreis und Josef Ooller hat man angefragt, ob sie
geneigt seien, in leitende Stellungen nach München zu
gehen. Alle drei aber haben zur Freude aller Dresdener
Kunstfreunde die Berufungen abgelehnt; ebenso bleibt
Fritz Schumacher-Dresden erhalten, der einen Ruf nach
Stuttgart hatte, und Hans Erlwein, den die Stadt Köln
um jeden Preis als Nachfolger Siübbens haben wollte. Es
ist wesentlich ein Verdienst der Dresdener Stadtverwaltung,
nicht der Regierung, wenn diese Künstler Dresden erhalten
bleiben. Die Regierung hat dagegen leider nicht vermocht,
den Verlust Dr. Kötschaus abzuwenden, der am 1. April
1907 als Direktor der staatlichen Museen nach Weimar
geht. Ein Nachfolger für ihn als Direktor des historischen
Museums ist bisher noch nicht ernannt. Man darf wohl
hoffen, daß die Ernennung eines Dilettanten anstatt eines
Kunsthistorikers uns erspart bleibt. Denn sie würde nur
eine Schädigung des berühmten Museums bedeuten. Vor-
aussichtlich wird die Besetzung von Dr. Kötschaus Stelle
im Zusammenhange mit weiteren Veränderungen, die im
Personalbestand der Museumsbeamten bevorstehen, ge-
regelt werden. Zu wünschen wäre dabei dringend, daß
die Übertragung verschiedener Ämter an eine Person
aufhörte: die Direktion der Porzellansammlung, die Waffen-
sammlung und das Grüne Gewölbe sollten jede einem
besonderen Fachmann übertragen werden, wenn man nicht
vorziehen will, überhaupt das ganze Museumswesen
Dresdens von einem höheren Gesichtspunkte aus gründlich
umzugestalten. Mit der jetzt üblichen Sparpolitik ist da
freilich nicht viel anzufangen. — Noch nicht ernannt ist
auch der Nachfolger Johannes Schillings, der bei seinem
Rücktritt von der Letung eines akademischen Bildhauer-
ateheis den Titel Exzellenz erhielt. Als in Betracht kom-
mend werden genannt Lederer-Berlin, Hermann Hahn und
Wrba-München. Die Verhandlungen sind auch noch nicht
abgeschlossen. PAUL SCHUMANN.

LONDONER BRIEF

Die Firma Thos. Agnew & ^ons in Old Bond Street
hat wie alljährlich, so auch diesmal zum Besten des
Künstlerunterstützungsfonds eine interessante Äusserung in
ihren Räumen ins Leben gerufen. Mit Ausnahme von drei
Bildern gehören die Werke sämtlich der altenglischen
Schule an und zwar sind die meisten seit einer Gene-
ration öffentlich nicht zu sehen gewesen. Wenngleich die
Auswahl eine so vorzügliche war, daß nur wirkliche Meister-
werke zur Ansicht dargeboten wurden, so konzentrierte
sich doch das Hauptinteresse auf drei Gemälde fremder
Künstler: die große Gruppe der Kinder von der Familie
Balbi aus Genua, ein Meisterwerk van Dycks, und die
beiden höchst eigenartigen Porträts »De Heer Boldolphe«
(1643) und »Me Viouw Bodolphe« (1643) von Frans Hals
gemalt. Kein Werk van Dycks verrät vielleicht in so hohem

Grade die Spuren venezianischen und besonders Tizians
Einfluß wie dieses hier, trotzdem die englische Atmosphäre
das ihrige dazu beigetragen hat, um das Brillante in dem
ursprünglichen Farbenglanz um mehrere Töne herabzu-
stimmen. Umgekehrt liegt in den Porträts von Frans Hals
neben dem lebhaften Gesichtsausdruck ein besonderer Reiz
gerade in der vollständigen Erhaltung der Farbe. Unter den
englischen Meistern sind am besten und durch erstklassige
Werke Reynolds, Gainsborough, Romney, Raeburn, Mor-
land, Hoppner, Crome, Constable und Lawrence, dieser
durch »Elisabeth Fanen« vertreten. Mehr als gewöhnliches
Interesse beansprucht Constables »Hampstead Heath«, weil
dies Gemälde, nachdem es 1824 im Salon in Paris ausge-
gestellt worden war, wesentlich dazu beitrug, mit dem bis-
herigen Klassizismus zu brechen und einen Grundpfeiler
bildete, auf dem die Barbizon-Schule sich erheben konnte.
Das Werk war in dem genannten Jahre gemalt worden
und damals im Besitz von Herrn Schrott in Paris.

Wie erinnerlich, stellte am I eginn des Jahres die Firma
Agnew in ihrer Ga erie das so viel von sich reden machende
Bild die »Venus« von Velazquez, auch sehr bekannt unter
dem Namen »Die Rokeby-Venus« aus, welches die
hiesige National Gallery erwarb. Ein hervorragender
Kunstkenner und Schriftsteller, Lord Ronald Sutherland
Gower, der mehrere Künstlerbiographien verfaßte, so unter
anderen auch die Michelangelos, schreibt in einem offenen,
hier ohne Kommentar wiedergegebenen Brief, folgendes zur
Sache: »Kürzlich war ich in Rokeby, woselbst ich eine
Kopie der sogenannten »Venus« von Velazquez sah. Sie
befand sich in einem alten Rahmen, unter dem zu lesen
stand »Velazquez pinx.«. Als ich nun vor einigen Tagen
das Original in der National Gallery besichtigte, war es
mir ganz klar geworden, wie außerordentlich minderwertig
dies Werk im Vergleich zu dem in Rokeby ist. Zur Zeit,
da ich vor ungefähr einem Vierteljahrhundert Rokeby be-
suchte, machte das jetzt in der National Gallery aufbe-
wahrte Gemälde einen hervorragenden Eindruck durch
seine prachtvollen Farben. Nun sieht es wie eine Arbeit
Bouchers aus, so rücksichtslos ist es übermalt. Könnte
die Kopie in Rokeby das beschädigte Original in der
National Gallery ersetzen, so würde dies für letztere einen
Gewinn bedeuten; und dennoch wurde für dies grausam
mißhandelte Werk des größten spanischen Künstlers die
Summe von 800000 Mark bezahlt.«

Unter den vielen Kunstinstituten Londons hatte die
»Leicest/r Gallery.-. in der letzten Zeit zweifellos die glück-
lichste Hand. Nachdem die »Holman Hunt-Ausstellung«
von einem fast beispiellosen Erfolg begleitet gewesen,
brachte sie etwa 60 Werke eines jedenfalls bisher auf
dem Kontinent nur sehr wenig bemerkten Künstlers,
des Mr. Rackham und zwar handelte es sich um die für
die Illustration von J. M. Barries Buch »Peter Pan in
Kensington Garden« geschaffenen Vorlagen. Diese bieten
in technischer Hinsicht ein Gemisch von Federzeichnung,
die ein wenig in Weiß und Grau gehöht ist, nebst
Aquarellmanier. Der Grundton der Bilder zeigt ^chwarz,
Grau und Weißge b; sie sind demnach eigentlich ganz
ohne Farben. Inhaltlich stellen die Sujets sehr eigenartige
humoristische, satirische Feen- und Märchenszenerien dar,
in denen eine schwungvol e Phantasie, grolie Abwechse-
lung, teils grotesker, teils graziöser Natur vorherrschten.
Wenn man einen Vergleich mit einem anderen Meister
ziehen wollte, so würde dies allenfalls mit Moriz von
Schwind geschehen können, allein des letzteren Stil weist
sowohl innerlich wie äußerlich größere Bedeutendheit auf.
Schon am Tage der Privatbesichtigung waren fast sämtliche
Weike des Künstlers verkauft und ebenso mußte die Sub-
skription auf die erste Auflage des betreffenden und bereits
 
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