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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 18.1907

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Ein Brief
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https://doi.org/10.11588/diglit.5912#0149

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279

Ein Brief — Nekrologe — Personalien

EIN BRIEF

Verehrtester Redakteur!

Gestatten Sie mir zu dem Bericht über die diesjährige
Winter-Exhibition in London, den Sie in Ihrer letzten
»Chronik« veröffentlichen, einige Bemerkungen und Zusätze.
Wer diese Ausstellungen der Old Masters seit einem
Menschenalter besucht hat, wird schmerzlich ihren Rück-
gang empfinden. Die Gründe dafür liegen auf der Hand.
Einmal wandert eine nicht unbeträchtliche Zahl alter
Bilder durch die amerikanische Konkurrenz alljährlich über
das große Wasser; dann drängen sich die Händler mit
ihre Ware stark vor, und schließlich benutzen diese alle
ausgestellten Bilder als Objekte ihres Angriffs, was manche
der vornehmen alten Besitzer so verdrießt, daß sie lieber
gar nicht ausstellen. Immerhin ist die diesjährige Aus-
stellung die beste seit der großen ausgezeichneten Rem-
brandtausstellung im Jahre 1899.

Der »Raffael« im Besitz von Sir Charles Robinson
hätte füglich nicht aufgenommen werden sollen. Der Be-
sitzer, der sich als »glücklicher Besitzer» erst fühlen wird,
wenn er das Bild glücklich an den Mann gebracht haben
wird, hat seit zwei Jahrzehnten für diese mäßige Kopie
einer verlorenen Komposition des Urbinaten durch Schriften
und Ausstellungen schon gar zu oft Reklame gemacht!
Mit Raffaels besonders reizvoller, auch malerisch trefflicher
»Madonna della Torre«, welche die National Gallery kürz-
lich geschenkt bekam, sollte sie nicht auf gleiche Stufe ge-
stellt werden. Die »Darstellung im Tempel« unter Bar-
tolommeo Venezianos Namen, auf die Ihr Berichterstatter
aufmerksam macht, ist eine der häufigen Wiederholungen
nach einer verlorenen Komposition Bellinis, und zwar eine
besonders schwache. Die Hand des Bartolommeo vermögen
wir nicht darin zu sehen, trotz der Bezeichnung, die
offenbar eine Fälschung ist.

Unter den italienischen Bildern ist noch bemerkenswert
eine kleine thronende Madonna mit Heiligen von Bernardo
Daddi (datiert 1345), eine kleine »venezianische« Madonna,
die ein charakteristisches Werk des Boccaccio ist, ein spätes
Frauenbildnis Parmigianinos und ein Profilporträt des Am-
brogio de' Predis, dem berühmten Profilbildnis der Am-
brosiana sehr ähnlich, aber so weit dahinter zurückstehend,
daß dieses als Werk Leonardos um so deutlicher dadurch
ins Licht gesetzt wird.

Die gleichzeitigen niederländischen, deutschen und
französischen Bilder, obgleich nicht zahlreich, sind wesent-
lich bedeutender. So das H. Holbein gegebene kleine
Frauenbild (in England meist dem L.de Heere zugeschrieben),
der herrliche große Mann mit den Händen von A. Mor
(sicher nicht sein Selbstbildnis, wie das echte Selbstporträt
in Florenz beweist), ein zweites, leider sehr restauriertes,
großes Bildnis dieses Künstlers, eine Dame in reichem Kostüm
darstellend, das durch die Tracht und die helle Farbe so
originelle Porträt der Anna Botzheim von Lucidel, ein
größeres Frauenporträt, wohl von B. van Orley (im Besitz
des Earl of Darnley), das bekannte kleine Bildnis des
Dauphin vom »Peintre des Bourbons«, endlich ein statt-
liches Männerbildnis vor Landschaft, dem Sodoma zuge-
schrieben, das mir ein in Italien gemaltes Werk des Jan
Scorel scheint. Verschiedene auf Botticelli, Bellini, Luini
(vielmehr Pedrini) und so fort getaufte Bilder sind sämt-
lich mit Unrecht so genannt und meist nur geringwertig.

Die Holländer und Vlamen sind zum Teil recht gut
vertreten, dank den reichen Beiträgen, die Earl Spencer
und Lady Wantage geliefert haben. Die beiden berühmten
Halsporträts des ersteren, ein paar kostbare Jan Steen, ein
kleines Meisterwerk von Jan van de Cappelle, ein be-
sonders feiner W. van de Velde, ein seltenes umfang-

reiches Bild des Jan Porcellis, vier von früheren Aus-
stellungen bekannte Rembrandtsche Porträts, darunter das
reizende unfertige Knabenbild des Titus, und der große
Wasserfall von J. Ruisdael lohnen allein schon den Besuch
der Ausstellung. Von Interesse sind ein paar frühe Werke
des A. van Dyck, namentlich der Apostel Bartholomäus
(als »Heiliger« bezeichnet), und neben einigen Landschaften
und Bildnissen von Gainsborough und Reynolds auch drei
farbige Meisterwerke von A. Canale, darunter eins mit
großen Figuren. Ein bezeichnetes Porträt des äußerst
seltenen J. Francisco Pacheco aus den Jahren 1626 ist
von großem Wert dadurch, daß es uns zeigt, wie stark
dieser Lehrer des Velazquez anfangs seinen großen Schüler
beeinflußt hat. b.

NEKROLOGE

X Am 25. Februar ist in München Akademieprofessor
Wilhelm von Diez gestorben. Er hat sich als liebens-
würdiger Schilderer des bunten, farbenprächtigen Ritter-,
Soldaten- und Landstreicherlebens der deutschen Vergangen-
heit großen Ruf erworben und wurde gerade in jüngster
Zeit, anläßlich der zahlreichen retrospektiven Ausstellungen,
sehr viel genannt. Seiner Kunstrichtung nach gehört er
jener älteren Miinchener Malergeneration an, deren Werke
sich durch eine hohe Kultur des Farbenempfindens aus-
zeichnen. Der malerische Vortrag Wilhelms von Diez ist
oft von subtilem, graphischem Reiz, stets aber von voll-
endetem Geschmack, voll künstlerischer Ursprünglichkeit
und Frische. Er bevorzugte durchgehends kleine Formate,
ohne jedoch in der Art seiner Schilderung ins Kleinliche
zu verfallen. Zu seinen bekanntesten Schöpfungen ge-
hören: Der Hinterhalt, Die Marodeure, Bei der Marke-
tenderin, Zwei Reiter in einer Schenke, Die Reisegesell-
schaft im 17. Jahrhundert, Aus der guten alten Zeit, Pferde-
markt, Exzellenz auf Reisen. — W. v. Diez war am 17. Januar
183g in Bayreuth als Sohn eines Pfarrers geboren. Sein
Vater ließ ihn zunächst die polytechnische Schule in München
besuchen. Zwei Jahre darauf trat er in die Akademie der
bildenden Künste ein. Es scheint, daß er sich dort unter
der Herrschaft eines starren, veralteten Erziehungssystems
und einer lebensfremden Kunstrichtung nicht sehr wohl
gefühlt hat. Es kam schließlich zwischen ihm und seinem
Lehrer Piloty zu einem schroffen Bruch. Die Studienjahre
hindurch hatte Diez häufig mit Not und Hunger zu kämpfen.
Sein erster Erfolg bestand darin, daß ihn Kaspar Braun
zur Mitarbeiterschaft an seinen »Fliegenden Blättern« her-
anzog. Von da ab stellten sich die Aufträge immer regel-
mäßigerein. 1872 erhielt er eine Lehrstelle an der Akade-
mie. Seiner Tätigkeit als Lehrer wird von allen seinen
Schülern, unter denen sich viele heute berühmt gewordene
Namen befinden, mit Liebe erwähnt. Er achtete die Per-
sönlichkeit und die besondere Art jeder Begabung hoch
und ließ jeden seiner Schüler den Weg gehen, der seiner
Natur am meisten gemäß war. —

Der Landschaftsmaler Julius Zielke (1826 in Danzig
geboren), einer der ältesten deutschen Künstler Roms, der
dort seit 55 Jahren ansässig gewesen ist, ist gestorben.
Er war einst zusammen mit Scheffel in die ewige Stadt
eingezogen.

PERSONALIEN

Der Maler Graf Ferdinand von Harrach in Berlin
hat am 27. Februar seinen 75. Geburtstag gefeiert.

Es erregt Aufsehen, daß von der Berliner Akademie
in die Jury der Großen Berliner Kunstausstellung
unter anderen auch der Bildhauer Gaul, bekanntlich ein
Vorstandsmitglied der Berliner Sezession, entsandt worden
ist (als Ersatzmann).
 
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