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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 18.1907

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https://doi.org/10.11588/diglit.5912#0208

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Ausstellungen

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wirkenden Gerippen — das »Nebelwallen« mit den duftigen
schmiegsamen Gestalten, das Grauen der »Zwingenden
Macht«, die Energie des »Sisyphus«, dem sich aus den
Wolken eine Hand abwehrend entgegenstellt, die verbissene
Wut, mit der der »Erdriese« dem in heranrollenden Wogen
nahenden Wasserriesen in Angriffstellung gegenübersteht,
zweifellos von größerer Wirkung als sie es in farbiger
Ausführung sein würden. Auf der anderen Seite gehört
das Koloristische doch wieder sehr zu Brandenburgs Kunst.
Die Stimmung in dem »Erwachen der Träume«, in dem
>Weg zum Licht« und anderem mehr liegt gerade in den
Farben; gern würde man aber auf die phantastischen Bei-
gaben der geflügelten Wesen verzichten. Am wenigsten
vielleicht noch in der »Rieseneiche«, wo nur die entschieden
blauen Flügel aus dem Ton des Ganzen herausfallen; sonst
aber ist hier das Liebenswürdig-Märchenhafte gut getroffen
und festgehalten, dabei das Ganze nicht ohne Größe der
Anschauung, ähnlich darin dem »Sonnenaufgang«. Im
»Orpheus« ist die abwärts in die Tiefe schreitende Haupt-
figur, die von der Macht der eigenen Töne so ganz erfüllt
ist, und der hinter ihr dreinbellende und doch ohnmächtig
gebannte Höllenhund von guter Wirkung, die indessen
durch die fahlen, hingewischten Gespenster stark beein-
trächtigt wird. In dem »Verfasser der Apokalypse« ist
zweifellos die herbe Heidelandschaft mit dem blauen Meer
und dem rötlichen Abendhimmel im Grunde das Beste.
In der Figur stört — abgesehen von der Auffassung des
Johannes als eines ohnmächtig-kindischen Greises — ein
Mangel an plastischem Empfinden, der sich auch sonst in
seinen Bäumen usw. geltend macht. Das Flächenhafte ist
oft nicht überwunden. Eins der Werke, in dem auch dem
Problem der plastischen Form mit Erfolg nachgegangen
ist, ist das »Phantom«, das bereits von früher her im Besitz
des Museums war. Am frischesten und unmittelbarsten
wirkt Brandenburg aber immer, wenn er auf sämtliche
Gedankenmalerei, auf symbolische Beigaben usw. verzichtet;
da zeigt sich sein koloristischer Geschmack, sein technisches
Können in vorteilhaftestem Lichte, auf das keine Gedanken-
blässe einen Schatten wirft. So in dem Waldinneren der
»Sumpfaugen« — weniger in der von Süßigkeit nicht freien
»Waldesstille« — vor allem aber in einigen Meerbildern,
die an herber Frische ihresgleichen suchen. Daß die
»Asphaltarbeiter« die einzigen Vertreter einer so energischen
Wirklichkeitskunst sind, wird man bedauern. Derartige
Kraftspeise würde man sich von Brandenburg gern öfter
vorsetzen lassen. — Das Ölgemälde »Waldesstille«, das
Pastell »Ein Stück Meer«, die Zeichnungen »Sisyphus«,
»Nebelwallen«, »Der Erdriese und Wasserriese« sind in
Posener Privatbesitz übergegangen.

Das Kaiser-Friedrich-Museum in Posen veranstaltete
im Februar bis März eine Ausstellung von Werken von
Feuerbach, Leibi, Sperl, Trübner. Von Feuerbach war vor-
handen das Bildnis seines Vaters von 1846, das feurige
Bacchanal mit seineu tieien Farben, das auf der Berliner
Jahrhundertausstellung zu sehen war (von 1847), ein männ-
licher Halbakt von 1851 aus der Antwerpener Zeit, das
hell und licht gemalte Porträt einer Dame im Ballkleid
aus der Karlsruher Zeit. Schon früher, wohl Ende der
vierziger Jahre, ist die Pietä entstanden, die schon eins der
großen späteren Themen vorausnimmt: der Leichnam Christi
in voller Breite, hinter ihm Maria, sich zu ihm herabbeu-
gend am Kopfende ein Hirt, zu den Füßen Joseph und
Nikodemus. Im Hintergrunde Johannes, in Silhouette gegen
die Luft gesetzt. An dem Christuskörper noch Akade-
misches, die Beleuchtung mehr ateliermäßig und die Kom-
position unruhig; voll tiefer Empfindung dagegen die Kurve
der Maria und der schwere Abendhimmel. Aus römischer
Zeit (1858) stammt eine Landschaft — wohl ein Stück des

Parkes Borghese — mit badenden Mädchen; im unteren
Teile des von mächtigen Baumriesen nach allen Seiten
abgeschlossenen Bildes schon von jener zart silbergrauen
Färbung, zu der Feuerbach zu Zeiten dann ganz übergeht.
Eine prachtvolle Zeichnung des Kopfes einer Römerin, zum
Teil farbig angelegt, ist von einer ehernen Bestimmtheit
(1871).

Das früheste Werk von Leibi war ein in Posener Pri-
vatbesitz befindliches Porträt eines Architekten Franz, ge-
malt 1862, als Leibi 18 Jahre alt war. Auf gräulichem
einheitlichem Grnnde das mit den Schultern abschneidende
Brustbild des jungen, intelligent aus seinen hellbraunen
Augen dreinschauenden Mannes. Er trägt eine braune
Weste, über der die Hemdsärmel zum Vorschein kommen,
und ein Hütchen von gleicher Farbe auf dem braun-
schwarzen Haar. Technik und Bewältigung des geistigen
Ausdrucks sind von einer erstaunlichen Reife.

Aus der Akademiezeit stammen dann der blinde Bettler
in rotem Rock, unpersönlich und glatt, ein wundervoller
Mädchenkopf in verlorenem Profil, weich und locker vor
der Natur heruntergemalt, und ein grandioser männlicher
Halbakt auf Pappe. Interessant der Blick aus seinem
Münchener Atelier auf rote Dächer gegen blaue Luft in
fein abgewogenem Ausschnitt. Eine große Tafel mit dem
ersten Entwurf zu den Bäuerinnen in der Kirche, deren
es hier erst zwei sind (das junge Mädchen und die Alte,
nur höher aufgerichtet als in dem fertigen Bilde), von
1878; nur schwarz und weiß angelegt, doch die Linien der
Gewänder, die Gesichter bereits von höchster Bestimmtheit.
Am schönsten das große Bild einer jungen Dachauer
Bäuerin, die die rechte Hand an den Türpfosten legt; der
Grund ganz dunkel, nur oben eine segmentförmige Licht-
öffnung. Helle Stellen sonst nur Gesicht mit umrahmen-
dem Kopftuch, Brusttuch, Hände. Die Malerei sorgfältig,
ohne peinlich zu sein, ist in den verschiedenen Abstufungen
das Schwarz, in der Durchführung der Hände, des zarten
Gesichtes mit den rehbraunen Augen darin unübertrefflich.
Eine Anzahl Zeichnungen und Radierungen vervollständigte
das Bild von Leibis Schaffen. Von Sperl waren dreizehn
Bilder, meist Landschaften, zu sehen, die besonders seine
Meisterschaft in der Wiedergabe eines verhältnismäßig
kleinen Naturausschnittes zeigten, den er aufs intimste zu
beleben und mit feinsten koloristischen Reizen auszustatten
versteht; so etwa besonders in der »Blumigen Wiese«,
»Obstwiese« und »Leibis Garten«. Die mit dieser Klein-
malerei verbundene Größe der Anschauung besonders in
dem Bilde »An der Kirche«. Die beiden Interieurs aus
Schorndorf von feinstem Reiz.

W. Trübner war mit einem frühen Selbstbildnis ver-
treten, frisch heruntergemalt, außerdem mit einigen Land-
schaften: »Am Bach« mit schöner Spiegelung im Wasser,
neben dem sich vor einem bewaldeten Höhenrücken eine
Wiese ausbreitet; »Herbstlandschaft« mit mächtigen Ka-
stanien, das Innere eines Buchenwaldes mit einem sitzen-
den Paar und anderes mehr. Von den figürlichen Sachen
waren besonders interessant der Prometheus und die Okea-
niden, wo das Modellmäßige durchaus überwiegt — sehr
schön dagegen die Rückenaktstudie zu einer der Okeaniden
— und die von Feuerbach gewiß nicht unbeeinflußte Studie
zu einer Walkürenschlacht.

Die Graphische Ausstellung des Deutschen
Künstlerbundes im Leipziger Buchgewerbehaus ist nun-
mehr geschlossen worden. Der Erfolg war bedeutend:
etwa 20000 Personen haben die Ausstellung besucht, deren
Eintritt, wie rühmend hervorgehoben werden muß, frei
war, und etwa ein Drittel aller verkäuflichen Blätter ist
verkauft worden.

Mit der großen Siebenjahrhundertfeier des Sänger-
 
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