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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 18.1907

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https://doi.org/10.11588/diglit.5912#0232

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der orientalischen Tradition. In der Bibel, im Talmud, in
der altjonischen Mystik, in der orphischen und neuplato-
nischen Überlieferung bis in späte Zeit, im Mittelalter bei
Alanus de Insulis, imTesoretto desBrunetto Latini, im Roman
de Ia Rose, bei Chaucer, Spenser, Keats, Hans Sachs und
Goethe lebt dieses lebendige Kleid der Gottheit^) weiter.
In den gnostischen Schriften spricht man vom Lichtkleid
Jesu Christi, Euseb beschreibt das mystische Kosmoskleid,
welches die Schultern des Schöpfers bedeckt. Das Pantherfell
des Dionysos wird auf den gestirnten Himmel bezogen. Auch
bei den Babyloniern, Persern, Phöniziern war der Himmels-
gott mit einem Sternenkleid geschmückt. Die phönizische
Tanit hatte das Sternenkleid, der »Coelus« war mit einem
über dem Kopf gewölbten Mantel dargestellt, und in dieser
Art stellte man auch Selene, Aurora, Attis und andere dar.
Auf delphischen Vasen ist Dionysos mit dem Himmels-
mantel dargestellt. Auch Helios, Hera, Apollon tragen
oft das Sternenkleid und man findet Standbilder der Athena,
auf welchen sie eine mit Sternen geschmückte Ägis anhat.
Den Ursprung dieses Symbols erklärt die Überlieferung
von Zeus, wie er einen Mantel webt, auf welchem die
Erde, das Meer und die Sternenhäuser abgebildet sind.
Interessant ist die Sage von der Rolle des Sternenkleides
bei der Weltschöpfung. Bei Pherekydes, den Orphikern
und Onostikern wird die Welt mit Hilfe dieses Kleides
geschaffen und am Himmel, welcher durch das Kleid dar-
gestellt ist, findet sich ein Prototyp von allem Geschaffenen.
Als zweite Funktion verleiht das Kleid die Herrschaft über
die Welt, drittens offenbart es das Wesen der Welt. Zu
dem Kosmoskleid gehört die Kosmologie, das Werdewort.
An das Kleid schließt sich die Offenbarung der Welt-
schöpfung: die yvixsis yvojasior an. Dieses Kleid der Welt-
erkenntnis wird von altorientalischen Priestern getragen.
Im Museum von Turin ist ein Bild eines ägyptischen
Priesters, welcher ein mit Sternen geschmücktes Pantherfell
anhat. Als Kleid der Weltherrschaft ist der Sternenmantel
auch ein Königsornat: der bunte Rock Josephs im Alten
Testament war ein solches Sternenkleid, wie sich aus der
Huldigung der Himmelsgestirne ergibt, von der Josephs
Traum unmittelbar darauf berichtet. Auf dem Schild Davids
waren sechs Planeten, auf dem des Achill der Kosmos,
auf dem Alexanders die Tierkreiszeichen dargestellt. Him-
melssymbole findet man auf dem Panzer des Augustus
von Prima Porta. Wahrscheinlich trug Alexander der Große
ein solches Kleid, von Demetrios Poliorketes weiß man es
sicher. Die römischen Triumphatoren hatten das Recht,
sich mit dem Himmelsmantel des Jupiter Capitolinus zu
kleiden. Vom Gegenkaiser Celsus wissen wir, daß er, da
er das kapitolinische Kleidungsstück nicht erreichen konnte,
sich mit dem Sternenkleid der karthagischen Tanit kleidete.
Sveton erzählt vom Sternenmantel des Nero. Constantius
Gallus erscheint im Chronographen von 354 in solchem
Schmucke dargestellt, Otto III. wird damit beschrieben in
der Qraphia aurea urbis, wo auch erzählt wird, daß sein
Mantel mit den 365 Granatäpfeln des Hohenpriestermantels
geschmückt war. Nach Pherekydes ist der Sternenmantel
als Himmelszelt über einen Baum ausgebreitet. Nun sieht
man auf assyrischen Reliefs in Berlin und im British
Museum, daß Zelte auf diese Art errichtet wurden, und
weiß seit Robert von Smith, daß die Errichtung eines
Zeltes für die Braut — Pherekydes schildert den legoe
ya/iog des Zeus und der clethonischen Hera — bei den
Orientalen den Mittelpunkt der Hochzeitsfeier bildete.

1) Unter diesem Titel zuerst, jedoch ohne Rücksicht
auf das reiche archäologische Material und ohne Rücksicht
auf die orientalischen Überlieferungen von Marie Oothein,
Arch. für Relw. 1906, besprochen.

Als Monumentalisierung dieses Zeltheiligtums mit der
baumgetragenen Himmelsdecke faßt der Vortragende den
ägyptischen Tempel auf. In Tell-el-Amarna stellt das Fuß-
bodenmosaik den Nil vor und war mit Wellen, Wasser-
pflanzen und Wassertieren geschmückt. Aus dem Fuß-
boden erhoben sich die Säulen in Palmenform und trugen
eine Decke, die den Sternenhimmel darstellte. Aus lite-
rarischer Überlieferung weiß man, daß es in Babylon könig-
liche Gemächer gab, deren Decke mit blauen Saphiren
und goldenen Sternen geschmückt war. Die Wände
waren mit der Darstellung von Bäumen verziert. Die
gemeinsamen Vorbilder der babylonischen und ägyptischen
Tempelarchitektur seien in diesem ursprünglichen Zeltbau
zu suchen. Dr. Eisler beschloß seinen hochinteressanten
Vortrag mit der Vermutung, daß wahrscheinlich die ganze
Pherekydeische Kosmologie als ätiologische Beschreibung
eines orientalischen Frühlingsfestes aufzufassen sei, bei
dem die Weltschöpfung mit dem magischen Zweck der
Welterneuerung zur Darstellung gelangte.

Dr. O. Schönewolf besprach das frühchristliche Elfen-
beinrelief des Münchener Museums mit der Darstellung
der Auferstehung Christi. Die Tafel enthält nicht nur den
Auferstandenen, sondern es ist dem Künstler gelungen,
die zum Grabe gehenden Frauen im gleichen Rahmen dar-
zustellen. Bewunderungswürdig ist die Kunst des primi-
tiven Bildhauers, besonders wenn man seine edle, ruhige
Komposition mit den Darstellungen der Auferstehung auf
den Ampullen von Monza vergleicht. Die Form des
Grabes auf dem Münchener Relief ist auch ganz abwei-
chend von der, welches es auf den Ampullen hat und
zeigt eher Beziehungen zu den großen römischen Gräbern
als zu dem Christusgrab in Jerusalem. Dr. Schönewolf
meint, diese besondere Form könnte wohl zu den römi-
schen Monumenten in Südgallien Beziehungen haben und
glaubt, das Relief müßte wohl aus Kleinasien oder aus
einer kleinasiatischen Kolonie Südgalliens stammen. In
dem Künstler meint er einen späten hellenistischen Bild-
hauer sehen zu können. Fed. H.

Rom. Kaiserlich deutsches archäologisches Institut.
Festsitzung vom 19. April 1907. Mit feinem Gedenken hatte
Prof. Körte die Feier zu Ehren des ältesten Mitglieds des
archäologischen Instituts, Prof. Gianfrancesco Gamurrini
auf diesen Tag festgesetzt, an welchem das Institut den
Geburtstag Roms zu feiern pflegt. Prof. Gamurrini wurde
das Diplom eines Ehrenmitglieds des Instituts übergeben
und Prof. Körte beschrieb mit warmen Worten die fünf-
zigjährige Tätigkeit des ehrwürdigen toskanischen Archäo-
logen unter lebhaftem Beifall des Publikums, welches sich
aus den Mitgliedern der verschiedenen archäologischen
und historischen Institute von Rom zusammensetzte. Prof.
Gamurrini dankte bewegt und erstattete nachher der Ver-
sammlung einen interessanten Bericht über den Aufenthalt
asiatischer Könige in der faliskischen Gegend.

Im Jahre 1882 wurde bei Vignanello eine Inschrift
einer Julia Amnia, Tochter des Königs Tigranes gefunden
und dann kannte man einen Abguß einer anderen Inschrift
eines Freigelassenen von Pharnachs, König von Pontus,
welche auch bei Vignanello gefunden worden war. Im
Jahre 1884 fanden einige Arbeiter zwischen Vignanello und
Falerij in einem Grabe eine Inschrift einer Tyche, aus dem
Gefolge der Königin von Pontus. Dieses Material kann
sich nur auf den Aufenthalt von asiatischen Fürsten in der
Gegend beziehen. Man weiß, mit welchen Zermonien fremde
Fürsten in Rom empfangen und wie sie auf Staatskosten
beherbergt wurden, man wußte aber nicht, daß ihnen bei
längerem Aufenthalt ein bestimmter Ort als Wohnsitz be-
stimmt wurde. Von Kleopatra weiß man sicher, daß sie
sich längere Zeit in Rom aufhielt. Nun erkennt man, daß
 
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