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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 18.1907

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St. Petersburger Brief
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Römischer Brief, [2]: die Kunstausstellungen
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https://doi.org/10.11588/diglit.5912#0246

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473

Römischer Brief

474

für Bäuerinnen im Gouvernement Tula ausgestellt, die
für die Lebensfähigkeit des Unternehmens Zeugnis
ablegten. Das Beste dieser Ausstellung sei zum Schluß
genannt: zwei Arbeiten, die das Niveau des Durch-
schnittes weit überragten, so daß sie kaum mehr in
das Gesamtbild der Ausstellung hineinpaßten. Eugene
Lanceray brachte die Skizze zu einem dekorativen Friese
für einen großen Moskauer Gasthof, die bei summa-
rischer Anlage den geborenen Dekorateur erkennen
ließ. Mit großer Freude sieht man Lancerays deko-
ratives Talent zu Aufgaben gelangen, die ihm die
volle Möglichkeit der Entfaltung gewähren. Von
Konstantin Somow war ein Mädchenkopf in Aquarell
zu sehen, das leider unvollendet geblieben ist. Doch
selbst in diesem Zustande muß diese Arbeit aus dem
Jahre 1901 zu Somows besten Schöpfungen gezählt
werden wegen der packend lebendigen Auffassung,
der schwungvollen Technik und des saftigen, wohl-
abgewogenen Kolorits. Diese beiden Sachen über-
trafen, wie bereits gesagt, alle übrigen Werke der
Ausstellung. Diese lassen hoffen, daß sich aus der
neuen Gesellschaft eine tüchtige und selbständige
Schar von Künstlern herausarbeiten wird, sofern in
ihr Strebsamkeit und Disziplin die Oberhand über
den technischen Radikalismus behalten werden. Unsere
Saison war sehr belebt, so daß es für dieses Mal recht
viel zu berichten gab, nur über das wichtigste Ereignis
des russischen Kunstlebens im Laufe dieses Winters
ist es mir versagt zu referieren: die große historische
Ausstellung, die der immer rührige Sergei Diägilew
nach Paris und Berlin geführt hat. Durch dieses
Mittel großen Stils wird für die Kenntnis russischer
Kunst ungleich mehr getan sein, als durch die ge-
legentliche Beschickung von Ausstellungen durch die
Künstler oder doch mehr oder minder sporadische
Berichterstattung über Ausstellungen und einzelne
Künstler. Nicht ohne Genugtuung muß ich bei dieser
Gelegenheit konstatieren, daß nunmehr Diagilews Ver-
dienste hier unumwundene Anerkennung finden, nach-
dem er jahrelang den erbittertsten Angriffen von ver-
schiedenen Seiten ausgesetzt war. Diagilews prak-
tisches organisatorisches Talent fand von jeher seine
Ergänzung in der schriftstellerischen Tätigkeit von
Alexandre Benois, von dem oben als Maler die Rede
war. Die von Diagilew arrangierte Ausstellung wird
gewissermaßen ergänzt durch das Prachtwerk »Die
Russische Malerschule« (Rüsskaja Schköla Shiwopisi),
das unter Benois' Redaktion im Verlag und Druck
von R. Golicke und A. Wilborg erschien und zu Neu-
jahr abgeschlossen wurde. Die sorgfältige Auswahl
und die vorzügliche Ausführung der großenteils far-
bigen Reproduktionen lassen hoffen, daß diese Pracht-
edition der russischen Malerei zahlreiche Freunde
werben wird. Unsere extremen Modernen finden in
der Zeitschrift Solotöje Runö (das Goldene Vlies)
Vertretung, deren Fortexistenz durch die Liberalität
des Moskauer Mäcens Riabuschinski gesichert ist.
Zwei unserer Architektenvereine haben begonnen
Jahrbücher herauszugeben, die Gesellschaft der Bau-
künstler, und der Verein der Zivilingenieure, in denen
sie ausgeführte Bauten und Projekte ihrer Mitglieder

vorführen. Da das offizielle Organ für Pflege älterer
Kunst, die »Tresors d'art en Russie« (Chudöshest-
wennyja Sokröwistscha Rossi'i), vollständig versagt, hat
sich ein Kreis von Kunstkennern und Kunsthistorikern,
von Sammlern, Schriftstellern und Museumsbeamten
zusammengefunden, um in den von P. P. Weiner
herausgegebenen »Stäryje Gody« (Alte Zeiten) seine
Interessen zu vertreten. Trotz der schweren Zeiten
ist das Kunstinteresse lebendig geblieben und in der
Hoffnung auf eine Besserung der Verhältnisse ist man
nach Maßgabe der Kräfte bemüht, die alten Kultur-
traditionen durch die gegenwärtige politische und
geistige Krisis hinüberzuretten. —chm—

RÖMISCHER BRIEF

Die Kunstausstellungen

Die Ausstellung der Envoix de Rome auf Villa
Medici hat dieses Jahr die Serie der Kunstausstellungen
beschlossen, und man muß es eingestehen, daß die
Leiter der Academie de France für ihre Ausstellung
eine schöne Zeit wählen, jetzt wo Rom wie mit
Rosen überschüttet ist, und ein Gang nach Villa
Medici zu den denkbar angenehmsten Spaziergängen
zu rechnen ist. Leider ist aber in letzter Zeit dieses
französische Frühlingsfest in einen viel bescheidneren
Rahmen eingepaßt worden. Dem Kunstfreund öffnen
sich nicht wie ehedem alle die großen Säle des ersten
Stockes. Man kann sich nicht wie früher an dem
großen Bibliotheksaal mit seinem kostbaren Arazzi-
schmuck und dem Standbild des Roi Soleil freuen,
wo die Entwürfe der Architekten ausgestellt wurden,
sondern ist auf die Loggia angewiesen, von der man
nicht wie einst auf den herrlichen Garten sehen kann,
sondern zwischen roten Damastwänden streng und
gesammelt an die Beschauung der Bilder, Statuen,
Zeichnungen und Radierungen sich zu halten hat.
Jedem wird das Hinaustreten in den Garten aufs
strengste verboten, und das ist vom Standpunkte der
Direktion der Akademie ganz begreiflich, denn wenige
könnten dem Zauber des herrlichen Gartens wieder-
stehen und die Werke der Prix de Rome würden
wohl noch weniger auf das Publikum wirken, als
jetzt. Unter den Malern ist wohl der Bedeutendste
Sieffert, welcher ein großes Bild ausstellt: Emigranten,
welche auf einen Zug warten. Als Werk unorganisch,
weil die einzelnen Gruppen und Figuren auseinander-
fallen, hat es doch auch große Schönheiten und be-
sonders anziehend ist der Ausblick in die melan-
cholische Campagna. Phantastisch und leider sehr
gesucht ist Monchablon, welcher in seiner Nocturne
wirklich bis an die äußerste Grenze solcher Art
kommt. Unsympathisch in Komposition und Form
ist die große Marmorgruppe: Adam und Eva von
Terroir, welcher auch eine etwas langweilig kom-
poniertes Hochrelief, Seul dans la vie, ausstellt. Schön
ist eine zierliche Statue einer Faunesse von Piron.

Interessant sind die Zeichnungen und Radierungen
von Merot, Penat und Busiere und die architek-
tonischen Entwürfe von Bonnet, Lefevre und Hebrard,
 
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