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Hermann Voss: DieMaferei derSpätrenaiflance in Rom und Florenz.
Der Verfalfer hat den gewaltigen Stoff
in vier Bücher gegliedert: I. das Erbe
Raffael's und Michelangelo s in der rö-
mifchen Malerei/ H. Der Ausgang der
Florentiner HothrenaiHance; HI. Ausbrei-
tung und Überwindung des Manierismus
in Florenz,- IV. Der Manierismus in Rom
und Mittelitalien. Steht man dort noch
im unmittelbaren Kontakte mit der großen
Epoche (die behandelten Künßler haben
faß alle no A ihren Platz im Vasari), fo
loAert ßdt hier derZufammenhang: aber
bei etwas fchärferem Zufehen lieht man
felbß bei den letzten Ausläufern, die HA
zeitliA mit den Führern der BaroAzeit
begegnen, immer noA die SAatten der
Großen, deren SAaffen die erlte Hälfte des
Cinquecento beßimmt hatte. Bei den Flo-
rentinern z. B. wird noA im 17. Jahrhun-
dert der große Faltenwurf Sarto's ge-
brauAt, und wenn ein kleiner Mann wie
Jacopo Coppi auf feinem oft getadelten Bild
der »Himmelfahrt Chrifti« (Abb. 131) den
hl. Vincenz Ferrer drunten predigen läßt,
fo gibt er ihm die Gebärde der Heiligen
des Fra Bartolommeo.
Was diefe EpoAe unerfreuliA maAt —
und daher ni At lei At zugängliA —, iit
die imitatorilAe Neigung, die fait allen
ihren Künßlern anhaftet. Raffael, MiAel-
angelo, Correggio : diefer oder jener oder
auA eine Addition aus diefem und jenem.
Gewiße EigentümliAkeiten begegnen bei
faß allen Künftlern. Nur feiten fehlt imVor-
dergrund eine FüllHgur — niAt feiten als
HalbHgur von der Hüfte an —, ein Soldat
etwa, gern vom RüAen gefehen, oder eine
Gruppe, wie eine knieende Frau mit Kin-
dern, um als Hinweis auf die Haupt-
gruppe und als Maßltab zu dienen. Was
als Einzelfall bedeutende Wirkung tun
könnte, wirkt durA ewige Wiederholung
ermüdend. Die GebärdenfpraAe empfindet
man als typikh und konventionell und
dasfelbe gilt für den AusdruA.
Aber EpoAen des Übergangs lind feiten
erfreuÜA. Was eine vorhergegangene
EpoAe geßaltet hat, wird inhaltlos. Das
Neue, das die Zukunft bringen wird, er-
kennt man nur mit Mühe. Und doA
lind ÜbergangsepoAen, kunßhißorifA be-
traAtet, ungemein lehrreiA, daher metho-
dilA wiAtig. Nur weil wir uns an einen
— an liA bereAtigten — Maßltab der
Bewertung gewöhnt haben, der von der
Originalität des AusdruAs hergenommen
ift, haben wir bisher folAe EpoAen in
bedenkliAer Weife vernaAläfHgt. Seit
Lanzi find die Künftler des von Voss be-
handelten Zeitraumes nie in ihrem Zu-
fammenwirken dargeßellt worden, aber
auA an Monographien über He fehlt es
noA, von ganz wenigen Ausnahmen ab-
gefehen.
Verf. fällt niAt in den Fehler, überall
unerkannte Genies Hnden zu wollen. Er
kritiHert das SAaffen des Einzelnen und
gibt feinem Urteil gern eine ftark fub-
jektive Färbung. Man wird gelegentliA
HA im Gegenfatz zu feiner Bewertung
Hnden (fo fAeint mir Satviati's Ausmalung
der Sala dell' Udienza im Palazzo VecAio
überlAätzt), aber lAließfiA würde man
doA auA nur ein anderes fubjektives
BmpHnden entgegenzulielfen haben.
Um fo wärmer glaube iA dem Verf.
zußimmen zu dürfen, wo feine Charakte-
riftik HA breiter aufbaut, dort wo er von
den kunßhißorifA wirkliA bedeutenden
ErlAeinungen fpriAt und ihren Stil dar-
zulegen bemüht iß oder einleitend das bei
einer Gruppe WefentliAe umlAreibt (fo
Kap. I des zweiten Bandes). Jeder wird
diefe AbfAnitte mit Nutzen lefen,- auA
wo Verf. vielfeiAt niAt Zußimmung Hnden
wird — bei fo fluktuierenden Begriffen
wie z. B. »Manierismus« fait eine Selblt-
verßändliAkeit —, fühlt man HA angeregt.
Befondere Bedeutung kommt den einlei-
tenden Kapiteln des Werkes zu. Indem
Verf. hier über das unmittelbar Folgende
hinausgreifend auA Literatur und befon-
ders MuHk in feine BetraAtungen ein-
bezieht, wird er den Meißen eine wirk-
liAe BereiAerung ihrer AnfAauungen
bringen. Ebenfo ift das dritte Kapitel der
Einleitung, in welAem die einzelnen Auf-
gaben der Spätrenaiflancemalerei behandelt
Hnd — AusfAmüAung des KirAenraumes,
Altarbild, Dekoration der Paläße, Bildnis-
malerei ufw. —, ebenfo anregend wie
lehrreiA.
Befonders dankbar wird jeder Benutzer
das reiAe Bildmaterial empßnden, das in
Tauberen Wiedergaben beiden Bänden mit-
gegeben iß. Hier iß fo viel kaum Be-
Hermann Voss: DieMaferei derSpätrenaiflance in Rom und Florenz.
Der Verfalfer hat den gewaltigen Stoff
in vier Bücher gegliedert: I. das Erbe
Raffael's und Michelangelo s in der rö-
mifchen Malerei/ H. Der Ausgang der
Florentiner HothrenaiHance; HI. Ausbrei-
tung und Überwindung des Manierismus
in Florenz,- IV. Der Manierismus in Rom
und Mittelitalien. Steht man dort noch
im unmittelbaren Kontakte mit der großen
Epoche (die behandelten Künßler haben
faß alle no A ihren Platz im Vasari), fo
loAert ßdt hier derZufammenhang: aber
bei etwas fchärferem Zufehen lieht man
felbß bei den letzten Ausläufern, die HA
zeitliA mit den Führern der BaroAzeit
begegnen, immer noA die SAatten der
Großen, deren SAaffen die erlte Hälfte des
Cinquecento beßimmt hatte. Bei den Flo-
rentinern z. B. wird noA im 17. Jahrhun-
dert der große Faltenwurf Sarto's ge-
brauAt, und wenn ein kleiner Mann wie
Jacopo Coppi auf feinem oft getadelten Bild
der »Himmelfahrt Chrifti« (Abb. 131) den
hl. Vincenz Ferrer drunten predigen läßt,
fo gibt er ihm die Gebärde der Heiligen
des Fra Bartolommeo.
Was diefe EpoAe unerfreuliA maAt —
und daher ni At lei At zugängliA —, iit
die imitatorilAe Neigung, die fait allen
ihren Künßlern anhaftet. Raffael, MiAel-
angelo, Correggio : diefer oder jener oder
auA eine Addition aus diefem und jenem.
Gewiße EigentümliAkeiten begegnen bei
faß allen Künftlern. Nur feiten fehlt imVor-
dergrund eine FüllHgur — niAt feiten als
HalbHgur von der Hüfte an —, ein Soldat
etwa, gern vom RüAen gefehen, oder eine
Gruppe, wie eine knieende Frau mit Kin-
dern, um als Hinweis auf die Haupt-
gruppe und als Maßltab zu dienen. Was
als Einzelfall bedeutende Wirkung tun
könnte, wirkt durA ewige Wiederholung
ermüdend. Die GebärdenfpraAe empfindet
man als typikh und konventionell und
dasfelbe gilt für den AusdruA.
Aber EpoAen des Übergangs lind feiten
erfreuÜA. Was eine vorhergegangene
EpoAe geßaltet hat, wird inhaltlos. Das
Neue, das die Zukunft bringen wird, er-
kennt man nur mit Mühe. Und doA
lind ÜbergangsepoAen, kunßhißorifA be-
traAtet, ungemein lehrreiA, daher metho-
dilA wiAtig. Nur weil wir uns an einen
— an liA bereAtigten — Maßltab der
Bewertung gewöhnt haben, der von der
Originalität des AusdruAs hergenommen
ift, haben wir bisher folAe EpoAen in
bedenkliAer Weife vernaAläfHgt. Seit
Lanzi find die Künftler des von Voss be-
handelten Zeitraumes nie in ihrem Zu-
fammenwirken dargeßellt worden, aber
auA an Monographien über He fehlt es
noA, von ganz wenigen Ausnahmen ab-
gefehen.
Verf. fällt niAt in den Fehler, überall
unerkannte Genies Hnden zu wollen. Er
kritiHert das SAaffen des Einzelnen und
gibt feinem Urteil gern eine ftark fub-
jektive Färbung. Man wird gelegentliA
HA im Gegenfatz zu feiner Bewertung
Hnden (fo fAeint mir Satviati's Ausmalung
der Sala dell' Udienza im Palazzo VecAio
überlAätzt), aber lAließfiA würde man
doA auA nur ein anderes fubjektives
BmpHnden entgegenzulielfen haben.
Um fo wärmer glaube iA dem Verf.
zußimmen zu dürfen, wo feine Charakte-
riftik HA breiter aufbaut, dort wo er von
den kunßhißorifA wirkliA bedeutenden
ErlAeinungen fpriAt und ihren Stil dar-
zulegen bemüht iß oder einleitend das bei
einer Gruppe WefentliAe umlAreibt (fo
Kap. I des zweiten Bandes). Jeder wird
diefe AbfAnitte mit Nutzen lefen,- auA
wo Verf. vielfeiAt niAt Zußimmung Hnden
wird — bei fo fluktuierenden Begriffen
wie z. B. »Manierismus« fait eine Selblt-
verßändliAkeit —, fühlt man HA angeregt.
Befondere Bedeutung kommt den einlei-
tenden Kapiteln des Werkes zu. Indem
Verf. hier über das unmittelbar Folgende
hinausgreifend auA Literatur und befon-
ders MuHk in feine BetraAtungen ein-
bezieht, wird er den Meißen eine wirk-
liAe BereiAerung ihrer AnfAauungen
bringen. Ebenfo ift das dritte Kapitel der
Einleitung, in welAem die einzelnen Auf-
gaben der Spätrenaiflancemalerei behandelt
Hnd — AusfAmüAung des KirAenraumes,
Altarbild, Dekoration der Paläße, Bildnis-
malerei ufw. —, ebenfo anregend wie
lehrreiA.
Befonders dankbar wird jeder Benutzer
das reiAe Bildmaterial empßnden, das in
Tauberen Wiedergaben beiden Bänden mit-
gegeben iß. Hier iß fo viel kaum Be-