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Kunstgeschichtliche Gesellschaft zu Berlin [Hrsg.]
Kunstchronik und Kunstmarkt: Wochenschrift für Kenner und Sammler — 56.1920/​1921 (Oktober-März)

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Nr. 24
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Berstel, Hans: Franz Marc
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https://doi.org/10.11588/diglit.36986#0471

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KUNSTCHRONIK UND KUNSTMARKT
HERAUSGEBER: GUSTAV KIRSTBIN
BERLINER REDAKTION: CURT GLASER WIENER REDAKTION: HANS TIETZB
NR. 24 11. MÄRZ 1921

FRANZ MARC
VON HANS BERSTL
A LS Franz Marcel im Frühjahre 1916 itarb und damit, wie wenige Wodien
-Lv vorher Rußi, fein after Hund, in den »Hundehimmel« und Hanni,
»die Rehmutter«, in ihren »Rehhimmel« abberufen wurden, nun in den diefen
Blylien woh! nahebei gelegenen MenfAenhimmel eingezogen war, da wußten
wir nodi ni At, daß er in feinem Innern uns Hinterbliebenen des Zufammen-
bru&es länglt entglitten war. Er war kein moderner lauter Politivi!!, fondern
ein ftiller Heiland alten SAlages,- er empfand die SAmaA des Krieges als
perfönliAe Sühne und fühlte 1ÌA am Niedergang der Welt lAuldig.
Diefe SAuld des MenlAen, das »Ur=Mißverltändnis« jedes einzelnen,
lAien ihm darin zu liegen, daß wir »im Taumel über unfere Klugheit«
unfere europäilAe zwe&dienliAe WiHenlAaftliAkeit an alle Dinge als Wert-
maßltab anlegen, daß wir aus jedem Ding nur die Formel unferer Be-
Ziehungen zu ihm lefen wollten, daß Tier und Pflanze durA unfer ununter-
broAenes eitles, beiferwiiTenwollendes DazwilAenreden ni At felblt zum
SpreAen kamen, und daß lie, je lauter wir mit ihnen verkehrten, um fo
tiefer verftummten. Er fuAte in feiner Malerei die Brlöfung aus der »ver-
giftenden Krankheit der Individualitätskultur«, aus den »Crimalfen des All-
zuperfönliAen«,- denn er wußte es, daß es eine »andere Seite« gäbe, eine
Seite der NiAtanwendung unferes eitlen Wiffens, eine Seite, von der aus
der MenlA »ohne SelbltanfprüAe horAt und waA« ilt.
Ihm war »eine Art Mitwiffertum« gegeben, die ihn mitten in das Dafein
der Blumen und Tiere verletzte. Darum konnte er auA keine MenlAen
malen, weil er mit ihnen nie fo wie mit feinen »Rehkindern« verkehren
konnte. »Da Itoßen immer die IAs aufeinander.« So ftille horAend malte er.
Er wollte fort von den »perfönliAen Einzelfällen« in der Kunlt, fort von
der Malerei der Itililierten Falfaden der Natur zur Reinheit des Einigenden,
des Abltrakten. Darum war ihm die dinghafte Oeltaltung fremd, weil ihn
die »unreine« Zufälligkeit der Formen, »hinter denen immer noA eine und
1) Franz Marc: Die Briefe und das ietzte Skizzenbuch aus dem Feide, 2 Bde. Paui
CafGrer, 1920.
2) Die unter Anführungszeichen Gehenden Worte Gnd den hefprochenen Briefen ent-

nommen.
 
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