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Kunstgeschichtliche Gesellschaft zu Berlin [Hrsg.]
Kunstchronik und Kunstmarkt: Wochenschrift für Kenner und Sammler — 56.1920/​1921 (Oktober-März)

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Nr. 15
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Baum, Julius: Formwanderung
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https://doi.org/10.11588/diglit.36986#0288

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278

Formwanderung

hand früher ein Bitd der Mutter Gottes (Abbitdung 1>, die den Mante! mit
beiden Händen über ihre Schutzbefohienen breitet. Das Gewand umhüüt
ungegürtet die íchtanhe Gehalt,- es fälit in fenhrediten Röhrenfaiten. Das miide
Antlitz ih vom Kopftu Ae umtchtoflen. Das Haupt trägt eine Krone, von der
nur wenige Za&en erhaben hnd. Das Biídwerk iit vielleiAt info!ge des iAwar-
zen Todes, um 1348, gefchaffen. Der Geiit der Myhik fpridit aus ihm,- es
iit viftonären Urfprunges. Ein Ziiterzienfer fah, wie Caefarius von HeiiterbaA
berichtet^, im Zuitande der EntrüAung den Himme! offen, darin die himm-
lifAen Heerfdharen, Enge! und Patriarchen, Propheten und Apoitel, Märtyrer
und Bekenner, fowie die verfchiedenen Orden,- nur der feinige feh!te. Während
er noch vergebens fuchte, öffnete die Himme!skönigin die Faiten ihres Mantels,-
und flehe, unter ihrem Schutze war feinen Ordensangehörigen der P!atz vor-
behaften. Diefe Legende wurde ba!d von den Dominikanern übernommen
und verbreitet. Der hf. Birgitta von Schweden erzähit die Mutter Gottes
feibft, daß ite dem heiiigen Dominikus den Schutz ihres Mantels verfprochen
habe. »Mein weiter Mante! aber iit meine Barmherzigkeit, die ich keinem,
der darum bittet, verfage . . . Wohian denn, meine Tochter, komm und birg
dich unter meinem Mantel«,^. Das Gmünder SAutzmantelbild muß eines der
früheren diefes Typus fein,- die in Freiburg erhabenen verwandten Werke
hnd niAt äiter. Ein unmittelbares Vorbitd ih bisher nicht gefunden. Die
früheiten Darhellungen, auf einer dem Duccio zugelchriebenen Tafe! der Aka^
demie von Siena (Nr. 20> und auf franzöhfchen und niederländifAen Siege!n
aus der Mitte des 14. Jahrhunderts, zeigen den Mante! weit ausgebreitet und
die SAutzbedürhigen in mehrere Reihen geordnet V Das Gmünder Werk
in feiner fAmalen, fAlanken Gehalt, das die Himme!skönigin ohne Kind und
die SAutzfuAenden, naA geihliAen und we!t!iAen Ständen getrennt, in zwei
hhmaten, fenkreAten Reihen zeigt, darf daher voriäuhg als Urbild einer
Reihe mehr oder minder felbftändiger NaAprägungen gelten. NiAts be-
wiefe deutliAer die Relativität aller Wertung, als wenn nun die Frage er-
hoben würde: Büßte das Gmünder Bildwerk feinen Wert ein, wenn einmal
eine ältere Prägung der gleiAen Form fi A fände? Den künftlerifAen Wert
gewiß niAt, wohl aber den Affektionswert. Von dem Altöttinger Gnaden-
bilde gibt es unzählige Wiederholungen, darunter viele aus der Zeit um 1400.
1) Vgt. Caesarii Heisterbacensis Diatogus miracutorum (verfaßt zwitihen 1220 und
1230, herausgegeben von C. Strange, 1851, Buch 7, Kap. 59. — Krebs, Maria mit dem
Schutzmantei, Freiburger Müniterbtätter, 1,1905, S. 27 if. — Perdrizet, La vierge de Miséricorde.
Bibliothèque des Bcoies françaises d'Athènes et de Rome, Band 101, 1908, S. 18 if. —
Budiwaid, Gemäide im ZiiterzienferMoíter Aftzeiie, Kunítthronik 1919/20, Nr. 34.
2> Vgi. Reveiationes S. Birgíttae, ofím a Cardinate Turrecremata recognitae, nunc a
Consatvo Duranto notis iHustratae. Antwerpiae 1611. Lib. IH, cap. 17, 18, 23.
3) Vgt. Perdrizet a. a.' O., Tafet 2.
 
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