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Kunstgeschichtliche Gesellschaft zu Berlin [Editor]
Kunstchronik und Kunstmarkt: Wochenschrift für Kenner und Sammler — 56.1920/​1921 (Oktober-März)

DOI issue:
Nr. 19
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Sedlmaier, Richard; Pfister, Rudolf: Balthasar Neumann's Stellung im deutschen Barock
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https://doi.org/10.11588/diglit.36986#0376

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366

Balthafar Neumann's Steifung im deutfchen Baro dt

internationalen Strömungen. Ihr Ableger WerneA, das unzweifelhafte und
beite Werk Neumann's, bringt fein Syltem der Verarbeitung fremder (hier
vorwiegend wienerif&er) Binflülfe am Marken zur AnlAauung,- aber gerade
die Werne&er SAloßkapelle ik räumliA (mit ihren i&aAtförmigen »Rekräumen«)
das eindeutigke Zeugnis dafür, wie Neumann das innerlichke künklerif&e
Problem der Epodie, den Ausgleich des kurvigen Innenraumes mit dem reAt-
edcigen Außenmantel fo gar nicht organifA, fondern nur verkandesmäßig d. i.
künklerikh überhaupt nicht zu bewältigen vermag. Die elementare Glut
deutfchen BaroAfAaffens hat er nie gefühlt. Der Klafhzik von Haus, der
das GeradHächige und kantig Gebrochene liebt, ik als Konkrukteur zu kark,
als daß ihn nicht auch die Raumkurven, die die Stilkufe der Zeit ihm zutrug,
hätten reizen folien. Aber die ganze Entwi&lungsreihe von Etwashaufen
bis Vierzehnheiligen zeugt von dem Gleichen wie die Werne&er SchtoßkirAe,
nur in komplizierteren Formen. Überall derfelbe Ideenvorgang: in ein gerade
wandiges Langhaus (Kreuzhaus> Und einer oder mehrere kurvige (runde oder
elliptikhe) Innenräume »hineingekedct«, aber diefe beiden getrennt erdachten
Welten lind, wo nicht lediglich addiert, nur verkandesmäßig, in mathematikher
Konkruktion »vereinigt«. Wo he kch treffen, bleiben die Brüche, die Rek-
räume, die künklerifch »nicht aufgehen«, genau wie im Aufbau übernommene
Schmu&formen und eigene Leere nebeneinanderkehen. Vierzehnheiligen ik
Ich on mit der erhaltenen großen Reihe der Entwurfspläne, welche die Wand-
lung und Bntwiddung des Gedankens veranfAaulicht, in 1ÌA ein zwingender
Beleg dafür,- der ausgeführte Bau vollends muß jeden, der unbefangen zu
ihm von Banz herüberkommt, überzeugen. Dort die intuitive SAöpfung
eines wohl niAt weltmännifAen, aber gottbegnadeten deutfAen Künklers,
hier dieLeikung eines virtuofen Konkrukteurs, der »komplizierte« Innen-
raum, in dem man jenfeits der unzerkörbaren Qualitäten der Zeit vergebliA
naA dem warmen göttliAen Funken der genialen einheitliAen Konzeption
fuAt. Vor dem Äußeren, das niAt »im Sinne des 18. Jahrhunderts ver-
naAläfhgt« ik und um fo peinliAere Gedanken an das 19. we&t, fühlt man,
wie alles nun wieder auseinanderfällt, was dem Konkrukteur und Klafhziken
vorher an fremden, künklerifAen Werten zugeflolfen war.
»BedenkliAe Einzeläußerungen« in den SAriken aller derer, die HA lieber
voll kritifA mit Neumann's Kunk befAäkigt haben, gewinnen von diefem
Standpunkt aus neue Bedeutung,- he liegen alle auf einer und derfelben —
eben der nun klar bezeiAneten Linieri Es gilt, mit dem Mut Fritz HirlA's,
der das Idealgemälde Keller's zuerk wirkliA zu reinigen begonnen hat, die
Konfequenzen endliA ganz zu ziehen und die Tradition zu zerbreAen.
1) Vgl. Dehio's (Handbuch 6 tadelnde Worte über Grundriß und Falfade von Vier-
zehnheiligen und Pinder's Erftaunen über deflen »geradegezogene Llmfallungsmauern«,- Feulner
 
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