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Kunstgewerbeblatt: Vereinsorgan der Kunstgewerbevereine Berlin, Dresden, Düsseldorf, Elberfeld, Frankfurt a. M., Hamburg, Hannover, Karlsruhe I. B., Königsberg i. Preussen, Leipzig, Magdeburg, Pforzheim und Stuttgart — NF 23.1912

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Hellwag, Fritz: Neuzeitliche Berliner Architektur
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https://doi.org/10.11588/diglit.4421#0011

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BERLINER ARCHITEKTUR UND MÖBELKUNST



n Ein solcher Wille ist bei Wenigen schon vorhanden.
Wir haben ihn bei den gewaltigen, bisher leider erst theore-
tischen Vorarbeiten für eine Reinigung und Neugestaltung
des Schauplatzes unseres neuen Gemeinwesens, bei der
Stadtplanung fiir Großberlin verspürt. Eine mächtige Faust
hat sich erhoben und an uns allen liegt es, dahin zu
wirken, daß sie vernichtend auf die skrupellosen Boden-
und Bauschwindler niedersausen kann. Die Architekten,
die Künstler, haben sich aufgerafft und sind bemüht,
hoffentlich erfolgreich, ihren einst so geachteten Stand
von impotentem und habgierigem Unternehmertum zu
säubern. An uns liegt es, ihnen beim Auskehren dieses
Augiasstalles zu dienen, so gut wir können. □
□ Bereitet sich so die Bildung eines geläuterten Gemein-
wesens, die Vorbedingung für die Entstehung idealer, rein
menschlicher Konventionen, langsam aber sicher vor, so
lassen auch unsere begabteren Berliner Architekten nicht die
Hände in den Schoß sinken, sondern sie pflegen, so gut
es die scheinbar inhaltslose Übergangszeit eben erlaubt, die
schöne Aufgabe ihres Berufes, Versteher und Verkünder der,
Ewigkeitskerne enthaltenden, menschlichen Konventionen
zu sein. Um einige zu nennen: Peter Behrens versteht es,
die Kraft des Kapitalismus, — des zusammenfassenden,
Werte bildenden — in seinen Fabrikbauten zu veranschau-
lichen, Hermann Muthesius schaffte eine typische Auffassung
von den häuslichen Lebensbedürfnissen des wohlhabenden,
aber aufgeklärten und bescheidenen Berliner Bürgers, Geßner,
Mebes, Taut und viele andere bauten Reihenmietshäuser,
die das Teilende und Wiederzusammenfassende solcher
Gebäude klar betonten, und brachten sie mit der Um-
gebung in Einklang, statt sie, nach beliebter Bauunter-
nehmerart als friedenstörende Karnickel aus der Reihe zu
setzen. Alle neueren Baukünstler sind bemüht, für ihre
Gebäude den allein richtigen und damit typischen Ausdruck
ihrer Bestimmung zu finden, die Stadtbauräte Hoffmann und
Kiehl für Schulen und Krankenhäuser, Schmitz für Museen,
er und Oskar Kaufmann für Theater, Möhring für Brücken
usw. usw. □
□ Die Kunstgewerbevereine und ihre Mitglieder könnten viel
zur Förderung der allgemeinen Entwicklung beitragen,
je mehr sie ihre Tätigkeit und ihren Einfluß auf alle
ästhetischen und ethischen Dinge des öffentlichen Gemein-
lebens ausdehnen, um so mehr werden sie auch indirekt
dazu beitragen, daß allerorten und so auch in Berlin eine
Baukunst entstehe und gepflegt werde, die den späteren
Jahrhunderten nicht als ein schwächliches Epigonentum,
sondern als der in Stein und Eisen materialisierte Ausdruck
unserer Zeit erscheine. □
 
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