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Kunstgewerbeblatt: Vereinsorgan der Kunstgewerbevereine Berlin, Dresden, Düsseldorf, Elberfeld, Frankfurt a. M., Hamburg, Hannover, Karlsruhe I. B., Königsberg i. Preussen, Leipzig, Magdeburg, Pforzheim und Stuttgart — NF 23.1912

DOI Artikel:
Ehmcke, Fritz H.: Zum Streit um die Fraktur
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https://doi.org/10.11588/diglit.4421#0138

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BERLINER SCHMIEDEARBEITEN

1 Q 1
1 vj i


Franz Seeck, Grabkreuz, ausgeführt für die Werkstätten für
Friedhofskunst von Julius Schramm. (Phot. Alice Matzdorff-Berlin)


Otto Schultz, Entwurf und Ausführung eines Tezett-Kaminbockes

ZUM STREIT UM DIE FRAKTUR1)
Von F. H. Ehmcke

DIE Frage »Antiqua oder Fraktur« ist seit Jahren
Gegenstand künstlerischer Meinungsverschieden-
heiten. Der gewaltsame und vorschnelle Versuch,
sie auf gesetzlichem Wege zu regeln, hat sie gleich-
sam über Nacht zu einer öffentlichen Streitfrage gemacht
und damit zu einer Betrachtungsweise geführt, die als nicht
eigentlich künstlerisch besser unterblieben wäre, weil sie
nur dazu angetan erscheint, das eigentliche Bild der Dinge
zu trüben und zu verzerren. □
□ Man hat an das patriotische Gewissen der Menge
appelliert, von den Millionen im Ausland lebender Deutschen
gesprochen, die nur noch durch die deutsche Schrift mit
dem Mutterlande verbunden wären und eben diese Schrift
als ein gefährdetes Heiligtum betrachteten. Man hat auf
die Gutachten augenärztlicher Autoritäten hingewiesen, die
in der größeren Menge von Ober- und Unterlängen und
der stärkeren Konzentration der Wortbilder bei der deutschen
Schrift einen Vorteil für die leichtere Lesbarkeit sehen. Es ist
für die Sache ein Buch geschrieben worden, das unter seinen

1) Dieser Aufsatz mußte seinerzeit wegen seines Umfanges zurück-
gestellt werden und kommt nun etwas post festum. Immerhin werden
die Ausführungen des geachteten Fachmannes auch jetzt noch sehr inter-
essieren. Red.

vielen Beispielen leider kaum ein paar wirklich künstlerische
Frakturschriften aufweist, und ein deutscher Schriftverein
macht dafür Propaganda, unter dessen Mitgliedern man
vergeblich die Namen der Künstler sucht, die für die Ent-
wicklung unseres modernen Schriftwesens etwas bedeuten,
o Diese teils patriotische teils gelehrte Behandlung der
Frage mag ja politisch gerechtfertigt sein. Sie hat ja auch
ihre Wirkung nicht verfehlt und den Erfolg gehabt, daß
der höchst unpopuläre und aus der Notwendigkeit des
Geschehens unerklärliche Beschluß der Reichstagskom-
mission im Plenum keine Mehrheit fand. □
□ Für die weitere künstlerische Entwicklung unserer
Schrift ist dies alles von geringer Bedeutung. Und doch
kommt es darauf in erster Linie an. Denn die Frage der
Schrift ist vorwiegend eine Frage der Form und somit
eine künstlerische. q
o Und nun vergegenwärtige man sich, in welcher Fassung
sich den im Ausland lebenden Millionen von Deutschen
die deutsche Schrift darbietet. Man denke an unsere graue
charakterlose Zeitungsschrift, an den häßlichen lückenvollen
Satz, die vereint eine wahre Karikatur unserer schönen
alten deutschen Schriftkunst bilden, ein Surrogat, um das
es sich doch gewiß nicht zu streiten lohnt. n
 
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