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Kunstgewerbeblatt: Vereinsorgan der Kunstgewerbevereine Berlin, Dresden, Düsseldorf, Elberfeld, Frankfurt a. M., Hamburg, Hannover, Karlsruhe I. B., Königsberg i. Preussen, Leipzig, Magdeburg, Pforzheim und Stuttgart — NF 23.1912

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Schäfer, K.: Die Entwicklung des kgl. Landgewerbe-Museums in Stuttgart
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Kunstgewerbliche Rundschau
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https://doi.org/10.11588/diglit.4421#0043

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KUNSTGEWERBLICHE RUNDSCHAU

JO

»Kunstwart« angeregte Idee der Zusammenstellung aller
Geschmacksentgleisungen zu verwirklichen und eine
Sammlung von Gegenbeispielen kunstgewerblicher Ver-
irrungen anzulegen. Man wird diesen unterdessen
bekanntlich durchgeführten und viel diskutierten Ge-
danken nicht leicht an anderm Orte nachahmen; man
wird aber zugeben müssen, daß er in Stuttgart päda-
gogisch und praktisch besonders nahe lag; und man
wird Pazaurek nicht bestreiten können, daß die er-
zieherische Wirkung eines Museums, das so dem
praktischen Leben dienen will, wie das Stuttgarter,
unterstützt wird durch vergleichendes Sehen, durch
die Möglichkeit, an den Fehlern der schlechten Arbeit
die Vorzüge der guten erst recht zu erkennen. Wer
zu viel Schulmeisterei zu viel subjektives Besserwissen
in diesen Versuch setzen will, dem möchte ich zu-
geben, daß es eine vorübergehende Zeiterscheinung
sein mag, zum wenigsten charakteristisch für die
gegenwärtige Notwendigkeit, den einfachen Sinn für
gute Arbeit heute im Volke erst wieder zu wecken.
Daß auch die in rastloser Folge sich ablösenden Aus-
stellungen des Museums von diesem pädagogischen
Geist eingegeben sind, wird nicht entgangen sein.
Originell und geschickt aufgegriffene Fragen, durch
schlagwortartige Titel interessant gemacht, mit einer
umständlichen, weitausgreifenden Mühe vorbereitet,
wirft Pazaurek mit diesen Ausstellungen in die Dis-
kussion; er hält sein Publikum — man denke an die
100000 Besucher — in Atem und wird doch wohl
auf große Kreise einen dauernden Einfluß gewinnen,
der dem lebenden Kunstgewerbe den Boden bereitet.
Es liegt in dieser Ausstellungstätigkeit schließlich nur

die Nutzanwendung des richtigen Gedankens, daß
mit den Museumsbeständen an altem Kunstgewerbe
heute dem Handwerker und der Masse des Publikums
doch nicht unmittelbar genützt werden kann; also
trennt sich die Aufgabe der Museen in eine für ver-
tieftes Studium, für vorgebildete Augen, für den ernsten
Genuß notwendige Sammlung alter Kunst und eine
Gelegenheit, wo abseits von dieser für den Tages-
bedarf des Geschmacks gesorgt und zu den Tages-
fragen Stellung genommen wird. □
□ Wenn einige Jahre so eifrigen Sammelns ver-
strichen sind, wird es unvermeidlich werden, den
neuen Beständen geeignete Räume zu verschaffen. In
den Hallen des Neckelmannschen Baues wird man sie
kaum finden. Die Räume der Altertümersammlung
sind gleichfalls seit Menschengedenken überfüllt. Dem
Draußenstehenden, dessen Überlegungen nicht durch
die Kenntnis lokaler und persönlicher Schwierigkeiten
beeinflußt ist, scheint es selbstverständlich, daß für
den Fall eines Neubaus zuvor durch eine zweckmäßige
Organisation Altertümer und Kunstgewerbe anders
als bisher gegeneinander abgegrenzt werden; dann
würde es möglich sein, dem schwäbischen Lande ein
ausgezeichnetes Museum zu bescheiden, das durch
seinen Besitz den Schaden längst wieder gut machen
könnte, den die Irrtümer früherer Jahrzehnte im
Landesgewerbe-Museum angerichtet haben. Übrigens
dürfte dann auch die an Umfang und Inhalt selten
wertvolle Gipsabgußsammlung des Gewerbe-Museums
erst recht zur Geltung kommen, die trotz unserer
heutigen Abneigung gegen den Gips nicht vernach-
lässigt werden sollte. °

KUNSTGEWERBLICHE RUNDSCHAU

AUSSTELLUNGEN
n Magdeburg. Die Magdeburger Kunstschau 1911. In-
mitten eines Schulviertels, dicht am Bahnhof, hat Magde-
burg jetzt eine Kunsthalle. □
n Die Stadt erbaute sie dem Kunst- und dem Kunstgewerbe-
verein, die auf Grund früherer Legate gewisse Ansprüche
auf städtische Ausstellungsräume haben. (Bis dahin waren
ihnen im Kaiser-Friedrich-Museum solche überwiesen. Die
störten dort die Sammlungen, oder zum mindesten engten
sie ein, ohne den Ausstellungsbedürfnissen der beiden
Vereine zu genügen.) □
□ Schade, daß das neue Haus so ganz außerhalb des — aller-
dings recht kleinen — Viertels liegt, das der Magdeburger
goutiert. Der Kunstgewerbeverein als eigentliche Triebfeder
zuiu Bau des Gebäudes hatte einen anderen Platz vorge-
schlagen: eine tote Ecke des Fürstenwalls. Aber selbst
ein auf Veranlassung des Vereins ausgearbeitetes Projekt
dokumentierte vergebens die Möglichkeit und Schönheit
dieses Platzes. So bleibt als Trost nur die Hoffnung, daß
um so stärkerer und fleißigerer Besuch die Ungunst der
Lage korrigiert. □
□ Das Haus selbst (und sein größerer Nachbar: die
neue Kunstgewerbeschule) läßt mit seinen Backstein-
pilastern ganz von ferne an Messels Landesversicherungs-

anstalt denken. Natürlich nur ganz von ferne: vor dem
stahlharten Klang Messelscher Rhythmen »bewahrt« die
Wucht des Portalgiebels, den zu tragen zwei schwanke
Sandsteinmänner muskelstrotzend sich bemühen. o
□ Im Innern vermißt man den Rat eines ausstellungs-
technisch erfahrenen Sachverständigen und bedauert, daß
die (sicher vom besten Willen beseelte) Bauleitung solchen
Rat hat entbehren müssen. Man staunt, wenn man z. B.
erfährt, daß in einem Ausstellungsgebäude mit mindestens
fünf Sälen der Packraum fehlt (und versteht nicht, daß an
diesem Fehlen die ursprünglich für ein anderes Gebäude
bestimmten Fundamente schuld sein sollen). Man begreift
den Wunsch nach großer Lichfülle, findet ihn (im Unter-
geschoß) aber nur recht problematisch durch auf zwei
Seiten sich gegenüberliegende Fenster erfüllt. (Wie soll
man in solcher Beleuchtung etwa Plastik zur Wirkung
bringen?) Man entdeckt, daß zwei Oberlichtsäle auch mit
seitlichen Fenstern versehen sind, die natürlich verhängt
und verstellt werden müssen, da ihr Licht sonst nur stören
würde. (Der Gedanke, diese Fenster könnten ihr Dasein
nicht dem Wunsche nach Licht, sondern der Rücksicht auf
die Fassade zu danken haben, ist nicht auszudenken.) Man
vermißt in den (in erster Linie dem Kunstgewerbe zuge-
dachten) unteren Räumen die Möglichkeit, die Zwischen-
wände verstellen und Deckenhöhe und Lichtzufuhr von
 
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