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Kunstgewerbeblatt: Vereinsorgan der Kunstgewerbevereine Berlin, Dresden, Düsseldorf, Elberfeld, Frankfurt a. M., Hamburg, Hannover, Karlsruhe I. B., Königsberg i. Preussen, Leipzig, Magdeburg, Pforzheim und Stuttgart — NF 23.1912

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Rauecker, Bruno: Die kunstgewerbliche Erziehung in London und ihr Einfluss auf die ökonomische Struktur des Londoner Kunstgewerbes: ein wirtschaftsästhetisches Problem
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Kunstgewerbliche Rundschau
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https://doi.org/10.11588/diglit.4421#0207

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KUNSTGEWERBLICHE RUNDSCHAU

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zu predigen, immer und immer zu wiederholen, wieviel
von ihr abhängig sei, ist auch in England einer nicht müde
geworden, der wie ein langverschollener Mythenheiliger
um seiner Utopien wegen belächelt und gescholten wurde
von Theoretikern und Pratikern des wirtschaftlichen Daseins
und der doch der stärkste Woher von allen denen war,
die sich mit den Problemen befaßt haben, welche sich in
England und anderwärts um das Kunstgewerbe gelagert
haben. □
□ Ich meine Ruskin. — Er sagt einmal: o
□ »Jede besondere Kunst muß in Schulen gelehrt werden,
die von jedem einzelnen Gewerbe ausschließlich zu eigenem
Zwecke errichtet worden sind: Und wenn unsere Hand-
werker ein wenig mehr Licht in ihre Köpfe bekommen,
so werden sie die Notwendigkeit einsehen, diesbezügliche
Gilden von einer tätigen und praktischen Form zu gründen,
einmal um die Grundelemente der Kunst wie sie just zu
ihrem Gewerbe passen, festzulegen und ihre Lehrlinge
darin zu unterweisen —, dann aber auch, um Versuche
am Material und in den neuesten Produktionsmethoden
zu machen«. □
□ Aber freilich die Zeit, in der seine Stimme dies pro-
phetisch anempfahl, war keine Zeit der wirtschaftlichen

Notwendigkeiten für Bemühungen ums Kunstgewerbe. Es
gab ja in England anderwärts genug zu verdienen; und
wenn nur die Schulen, die zur Massenproduktion heran-
bildeten, gut und ausreichend waren und nichts verdarben,
so war der Sinn der money-making-nation schon ganz
zufrieden. — Jetzt ist das anders geworden. Langsam
erheben sich die Stimmen der Warner. Daß doch der
Alle recht gehabt haben könnte. Daß man der geschmack-
lichen Produktion mehr Beachtung schenken sollte und
damit der Erziehung im Kunstgewerbe! Daß das doch sehr
gefährlich sei mit dem aufkommenden deutschen Kunst-
gewerbe und daß das einmal herüberkommen könnte über
den Kanal! Und weiterhin tauchen die Gedanken auf:
Wird diese deutsche Maschinenkunst durch ihre billigeren
Preise und ihren mindestens ebenso guten Geschmack
das teure, durch die Abweisung der Maschinen und der
Arbeitsteilung verteuerte englische Kunsthandwerk nicht be-
denklich an die Wand drücken? □
□ Steht dann das money-making, das Geldeinheimsen
nicht etwa in Gefahr . . . Und das, das darf in England
einfach nicht sein! □
□ Die nächsten Jahre werden die Tragkraft dieser revi-
sionistischen Stimmen erweisen. □

KUNSTGEWERBLICHE RUNDSCHAU

n München. Die »Bayrische Gewerbeschau«, die dieses
Jahr gewaltige Scharen von Besuchern nach dem Münchener
Ausstellungspark lockt, hat sich ein so ungeheueres Ziel
gesteckt, daß man von vornherein damit rechnen mußte,
daß es nur zu einem Teil erreicht werden konnte: man
wollte die gesamte handwerkliche, gewerbliche und in-
dustrielle Produktion des Landes zeigen, soweit sie auf
den Ehrentitel der »Qualitätsarbeit« Anspruch machen darf.
Jeder, der weiß, wie jung das Verständnis für wahrhafte
Qualität in Deutschland ist, und wie schwierig die Wege
gangbar sind, die zu diesem Ziele führen, der wird von
vornherein nicht erwarten, daß es heute schon möglich
sei, ausgedehnte Ausstellungshallen mit lauter Qualitäts-
produkten zu füllen. — Deshalb soll aber niemand ver-
säumen, diese Ausstellung zu besuchen, denn das, was
verfehlt ist an ihr, oder was zeigt, wie weit wir von jenem
Ziel noch entfernt sind, ist nicht weniger lehrreich als das
mannigfach Gute, das man da und dort reichlich verstreut
zu finden froh ist. Man kann wohl sagen, daß die viel-
seitigen und äußerst wichtigen Fragen, aus denen sich das
Problem der Propagierung der Qualitätsarbeit — eines der
gewaltigsten Probleme der deutschen Volkswirtschaft —
zusammensetzt, kaum jemals so klar und eindringlich vor
Augen geführt wurden als durch diese Ausstellung. o
□ Um mit dem Rahmen zu beginnen, in dem uns jene
Probleme präsentiert werden: die Münchener haben wieder
einmal glänzend gezeigt, wie gut sie sich auf die äußere
Form solcher Veranstaltungen verstehen. Schon der Ge-
danke, der Ausstellung den Charakter eines Marktes, einer
Ware zu geben, war ausgezeichnet. Da jedes Stück ver-
käuflich ist und gleich mitgenommen werden darf, sind in
den meisten dieser Stände richtige Vorräte vorhanden,
deren Aufstellung sehr reizvoll gemacht werden kann, und
man hat nicht das fatale Gefühl einer Schaustellung von
lauter einzelnen Prunkstücken; außerdem tritt das Publikum
infolge der direkten Kaufgelegenheiten in eine viel engereVer-
bindungmitden ausgestellten Objekten, und es entwickelt sich
stets so etwas wie eine lebendige Marktstimmung, die viel

erfreulicher ist als jener halb erzwungene, die Langeweile
schwer verbergende Eifer, den man sonst an Ausstellungs-
besuchern zu beobachten pflegt. Die Gewerbeschau kann
man zehnmal besuchen, um sich zehnmal an verschiedenen
Dingen zu freuen, von verschiedenen zu lernen, und das
übrige bleibt immer als schöne, lebendige Umgebung halb
beobachtet. — Freilich haben es die Münchener Künstler
auch verstanden, die Räume außerordentlich reizvoll und
abwechslungsreich zu gestalten. Die großartige Raum-
wirkung der Halle I in der Ausstattung von Richard
Riemerschmid, die bunte Marktstraße, zu der Otto Baur
die Halle II umgestaltet hat, — das sind ein paar Haupt-
wirkungen, die zu jedem sofort sprechen; aber auch fast
alle kleineren Aufgaben, die Räume, die in der Art von
Verkaufsläden ausgestaltet sind, zeugen von einer Fülle
von Einfällen, und zwar von Einfällen nicht nur lustiger
Art, sondern von wahrhaft künstlerischer Gestaltungskraft,
von einer ganz erstaunlichen Vielseitigkeit in der Lösung
der im Grund sich immer gleichbleibenden Aufgabe: in
einem gut gestalteten Raum für Waren die günstigste Art
der Aufstellung zu finden; das ist zweifellos gelungen:
nicht der Raum ist die Hauptsache, sondern das ausgestellte
Objekt, mag dieses auch in seiner Form so unscheinbar
wie immer sein. □
□ Da nun diese Objekte so ziemlich alles umfassen, was
in einem Land wie Bayern produziert und gehandelt wird,
kann man hier tatsächlich einmal prüfen, wie tief der
Qualitätsgedanke heute bereits eingedrungen ist. Die ur-
sprüngliche Absicht war natürlich, lauter Gegenstände zu
zeigen, die diesen Gedanken ganz einwandfrei verkörpern.
Man hat wohl bald gemerkt, daß man damit die großen
Hallen nicht füllen und auch nur ein allzu lückenhaftes
Bild der Landesproduktion geben könne; deshalb be-
schränkte sich das Preisgericht auf manchen Gebieten
darauf, eben das relativ Beste auszusuchen, und wenn
manches Ausgestellte als »Gegenbeispiel« aufgenommen
zu sein scheint, so ist das gar nicht ohne Interesse, —
zumal da der offizielle Führer, den Dr. Josef Popp sehr
 
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