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Kunstgewerbeblatt: Vereinsorgan der Kunstgewerbevereine Berlin, Dresden, Düsseldorf, Elberfeld, Frankfurt a. M., Hamburg, Hannover, Karlsruhe I. B., Königsberg i. Preussen, Leipzig, Magdeburg, Pforzheim und Stuttgart — NF 23.1912

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Schur, Ernst: Ferdinand Hodler
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https://doi.org/10.11588/diglit.4421#0221

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FERDINAND HODLER
Von Ernst Schur f

DER Hodler, den wir bisher kannten, war der Künstler
der letzten Jahre, der Endpunkt einer Entwicklung,
der großzügig dekorative Gestalter, der Natur und
Menschen gewaltsam in seine Form zwang, der
Vertreter einer kraftvoll willensstarken Ausdruckskunst, dem
die Welt seiner Heimat die Herbheit der Formen und die
fast grelle Schönheit seiner Farben gab. □
□ Aber diese Heimat kam mit ihrem Einfluß erst durch,
als Hodler einen langen Weg zurückgelegt hatte, als eine
Reihe fremder Kulturen auf ihn nachhaltig gewirkt hatte.
Die große Ausstellung seiner Werke, die durch viele Städte
geht, erklärt seinen Entwicklungsgang und zeigt, wie dieser
Künstler, den man für einen von Anfang an ganz starken,
eigenwilligen Charakter hielt, suchte und tastete, sich Ein-
flüssen willig und ganz hingab, und diese Beobachtung ist
interessant genug, um einiges Verweilen zu rechtfertigen,
o Da sieht man kleine Landschaften, die in ihrer ganz
simplen Manier einen fast schüchternen Eindruck machen;
sie vermeiden jeden dekorativen Effekt, aber sie sind auch
nicht nur schlicht, sie sind fast ungeschickt, unausgeglichen.
Es ist fast ganz auf die Farbe verzichtet und das überge-
naue Studium des Details herrscht so vor, daß der Ein-
druck des Kleinlichen nicht vermieden wird. □

a Dann kommt Paris. Die Farben bleiben ausgesprochen
blaß. Aber nun meldet sich in der Behandlung der Flächen
und Linien ein neues Wollen, das zum Fresko strebt.
Puvis de Chavannes ist ganz offensichtlich der Führer an
dieser Kunst, die sich in dem großen Bild eines im Walde
feierlich dahinschreitenden, nackten Jünglings dokumentiert.
Die Mattheit der Farben, der Aufbau des Hintergrunds —
alles ganz unbestreitbar Puvis de Chavannes. □
n Dritte Etappe: Manet. Von Manet eignet Holder sich
die Malkultur an, die Delikatesse in der Begrenzung der
Farben, die aber nun betont werden. Die Manet-Mischung
Schwarz und Grau (mit Betonung dicker, schwarzer Kontur)
zeigt sich in einem Selbstbildnis aus früher Zeit, in dem
wundervoll ausgeglichenen, reifen Bildnis eines lesenden
Mannes, in dem alle die verschiedenen Nuancen fast zart
zu einander gestimmt sind. Eine neue Note tönt schrill
in diese Harmonie; es ist der andere Manet, der Einfluß
gewonnen hat, der Manet des Lichts und der Luft und
der hellen Farben, und dieser Einfluß zeigt sich in dem
Bild einer sitzenden Dame im Garten. Seltsam ist hier
der Kontrast des weich und flüssig gemalten Hinter-
grundes (ein grüner Blätterwald) zu den fast bizarr
übermodellierten Einzelheiten, den Gelenken, den Fingern,
 
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