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Kunstgewerbeblatt: Vereinsorgan der Kunstgewerbevereine Berlin, Dresden, Düsseldorf, Elberfeld, Frankfurt a. M., Hamburg, Hannover, Karlsruhe I. B., Königsberg i. Preussen, Leipzig, Magdeburg, Pforzheim und Stuttgart — NF 23.1912

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Matthies, Karl: Die neuen Künstlerschriften der Schriftgiesserei Gebr. Klingspor in Offenbach a. M.
DOI Artikel:
Schmidt, Paul Ferdinand: Haus zum Wolf in Hopfengarten, erbaut von Tessenow
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https://doi.org/10.11588/diglit.4421#0101

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HAUS ZUM WOLF VON TESSENOW

auf den Gesamteindruck sehr viel aus. Solche kleinen
Einzelzüge können die Wirkung des Satzbildes erhöhen,
aber auch beeinträchtigen, und es wird in solchen Fällen
immer das Verdienst des Künstlers sein, sich weise in der
rechten Grenze zu halten. Es ist wohl deutsches Emp-
finden, das etwas Spitzwinkliges in die Antiqua gebracht
hat; dieses, vereint mit den vollen Rundungen der klas-
sischen Formen, gibt der Schrift Tiemanns den bestimmten
Charakter, ihren Reiz, ihre Schönheit. d
□ Otto Hupp, der Altmeister deutscher Schriftkunst, hat
ebenfalls eine Antiqua mit der Ergänzungsschrift Unziale,
zugleich aber auch eine Frakturschrift geschaffen. Von der
eleganten Antiqua Tiemanns ist Hupps neue Schöpfung
grundverschieden. Die Schraffuren sind kurz und voll, die
Haarstriche stark, die Grundstriche verjüngen sich in der
Mitte. Die Formen der Großbuchstaben erinnern an die
romanischer Steininschriften. Obgleich im Schnitt ziem-
lich kräftig gehalten, wirkt die Schrift im Satz doch nicht
übermäßig schwarz, da die offenen Buchstaben genug Licht
in die Zeilen bringen. Der Eindruck ist, wie bei Hupp
immer, ein persönlicher. Man könnte entfernt an Sattlers
romanisch-gotische Nibelungentype denken, aber man
sieht dann auch gleich hinter der Hupp-Antiqua den alten
Praktiker, der eine Gebrauchsschrift schaffen wollte; was
ihm selbstverständlich gelungen ist. Während Sattler das
gotische Element hineinspielen ließ, gibt Hupp die Formen,
besonders bei den Versahen, rein, man möchte fast sagen
nackt. So steht denn auch jeder Großbuchstabe fest und
markig da und ein Schriftsatz, durch Versalzeilen belebt,
erhält etwas Großzügiges. »Unziale«, eine Antiquaschrift
mit deutschem Einschlag, heißt die Ergänzungsschrift, die
allerdings nur einige Buchstaben der Antiqua führt, aber
doch gleichen Charakter zeigt. Die neuen Formen sind,
wie der Name schon sagt, bei den Versalien der römischen
Unziale entnommen, haben aber, wie die Gemeinen, eige-
nen Charakter. Der »deutsche Einschlag«, durch die der
Fraktur eigentümlichen Unterlängen erzielt, wirkt, besonders

im Gedichtsatz, recht anziehend. Diese beiden Schrift-
schöpfungen vertreten durch ihre Eigenart eine Gattung
für sich, sie sollten deshalb auch besonders gewürdigt
werden. □
□ Es ist erfreulich, daß die Fraktur, und gerade durch
Hupp, eine Bereicherung erfahren sollte — und doch, bei
meiner Hochschätzung für diesen Künstler habe ich mehr
erwartet! Nehmen wir die, für mein Gefühl nur zum Teil
schönen Großbuchstaben heraus, so bleibt der Eindruck
der Breitkopf-Fraktur übrig. Bei näherem Vergleich erst
bemerkt man die volleren Schraffuren und Winkel der
Füße und Köpfe, die straffere Haltung. Ich kann hier
nicht jedem einzelnen Buchstaben nachgehen und muß
mich mit dem Gesamteindruck zufrieden geben, der
allerdings gut ist. Für eine Gebrauchsschrift, der auch die
Zeitungsseite nicht verschlossen bleiben sollte, ist das ja
schließlich sehr viel, nur dürfte sie nicht Hupp-Fraktur
heißen, unter der ich mir etwas anderes vorstelle. □
o Eine deutsche Schrift — fest und sicher steht es auf
dem Probenheft der von Rudolf Koch entworfenen Schrift.
Sie wertet in der Mitte zwischen Schwabacher und Fraktur
und erinnert durch ihre Fette an die Gotisch, deshalb war
es recht, sie kurz und bündig »Deutsche Schrift« zu nennen.
Koch ist Schriftkünstler, und wenn er nur wenige Register
zieht, so beherrscht er sie doch auf seine Art ganz aus-
gezeichnet, das genügt. Es gehört schon etwas dazu, diese
Eigensinnigkeiten, Kanten, Winkel und Kurven, die in
ewiger Fehde miteinander zu liegen scheinen, in Gleich-
klang zu bringen. Aber gerade um dieser Eigensinnigkeiten,
die ihr den unverkennbaren Charakter geben, und in denen
sich der Charakter des Deutschen recht widerspiegelt, ver-
dient sie ihre Bezeichnung ganz besonders. Es erscheint
überflüssig, über ihren Wert etwas zu sagen. Sie ist
Schmuck mit jedem Wort, und wer Sinn für Schriftkunst
hat, wird sich ihrer erfreuen. Ja, man sollte meinen, daß
bei ihrem Anblick auch der grimmigste Frakturfeind die
Waffe fallen ließe. a

HAUS ZUM WOLF IN HOPFENGARTEN, ERBAUT VON TESSENOW
Von Paul Ferd. Schmidt


WIR haben in Deutschland schon eine recht stattliche
Anzahl schöner Privatbauten, die in den führen-
den Kunstzeitschriften nach Gebühr veröffentlicht
werden. Sehr wenig aber ist das bescheidenere
Einfamilienhaus darin vertreten; aus dem Grunde, weil es
gute Lösungen davon bisher nur sehr wenige gab. Die
Architekten bauten auch das einfache Haus als »Villa«,mit der
Anforderung, darin Kunst zu geben, und die Folge war meist
ein Mißverhältnis zwischen der realen Größe und dem
architektonischen Anspruch des Hauses. Der Motivenreich-
tum saß den Baumeistern im Blute und hinderte sie zu
erkennen, daß nur beste Raumausnutzung im Innern und
größte Schlichtheit des Äußeren beim Kleinwohnhaus eine
angemessene Form geben können. □
□ Die neu entstehenden Gartenstädte mit ihrem Zwang
zu sparsamem Bauen haben darin einigen Wandel gebracht.
In Hellerau bei Dresden kann man bei den Reihenhäusern
für Arbeiter den Weg verfolgen: noch Riemerschmid gab
mit den ersten Bauten ein gewisses Zuviel malerisch-an-
mutiger Motive, bei Tessenows Kleinhäusern bestimmt
nur mehr die Fläche von Mauern und Dach den nun rein
kubischen Eindruck. Und von dem gleichen Geiste an-
mutiger Schlichtheit sind seine Einfamilienhäuser in Hel-
lerau und anderen Orten ausgestattet, von denen wir eines
 
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