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Kunstgewerbeblatt: Vereinsorgan der Kunstgewerbevereine Berlin, Dresden, Düsseldorf, Elberfeld, Frankfurt a. M., Hamburg, Hannover, Karlsruhe I. B., Königsberg i. Preussen, Leipzig, Magdeburg, Pforzheim und Stuttgart — NF 23.1912

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Segmiller, Ludwig: Rückblick und Ausschau über Heraldik
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https://doi.org/10.11588/diglit.4421#0022

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BERLINER ARCHITEKTUR UND MÖBELKUNST




RÜCKBLICK UND
AUSSCHAU ÜBER
HERALDIK

Von Professor L. Segmiller,
München-Pforzheim

J. C. Pfaff

Herrenzimmer

ES erscheint keineswegs unwichtig,
einmal die Frage anzuschneiden,
ob der WappenluH in unseren
Tagen wieder neues Leben ein-
gehaucht zu werden vermag. Hierbei sei
von Staats- und behördlichen Wappen
abgesehen, da über deren Existenz-
berechtigung ein Zweifel kaum obwalten
kann. Uns interessiert allein die Frage,
ob Wiederbelebungsversuche der He-
raldik für den Hausgebrauch Erfolg ver-
sprächen. Freilich wird es viele geben,
welche ein solches Beginnen von vorn-
herein als Blasiertheit, vielleicht als
einen Beweis reaktionärer Gesinnung
ablehnen. Auf den ersten Blick hin nicht
einmal mit Unrecht; denn das Wappen
ist Betonung des Verschiedenartigen,
des Unterscheidens der Menschen nach »Nam’ und Art«,
während die Gegenwart den durch Nietzsche propagierten
Individualismus zu überwinden sucht und vielen der Gleich-
heitsstaat als Ideal vorschwebt. Andererseits hat uns aber
gerade in Kunstsachen die allzu glättend arbeitende Ni-
vellierungswalze der Neuzeit viele Schöpfungen fröhlicher
Phantasie und fleißiger Künstlerhand erdrückt, so daß wir,
eine gewisse Öde vor Augen, den verstaubten Truhendeckel
des Urväterhausrats leise geöffnet und behutsam die Volks-
kunst, Bodenständigkeit und anderes, z. B. das Exlibris
herausgenommen haben. Heute sei ein ähnliches Kleinod
hervorgeholt: die Heraldik. □
□ Die Entstehung der Wappen (Wappen von Waffen,
ähnlich im Französischen armoiries-armes, im Italienischen
für beide Begriffe arma, lateinisch armo-
rum insigna-arma) fällt in die Zeit der
Kreuzzüge, also ins 11., besonders ins
12. Jahrhundert. Das Wappenwesen ist
eine Erfindung des Orients; in China
und Japan steht es auch in der Gegen-
wart in hoher Blüte. Der Name He-
raldik leitet sich von den »Herolden«
ab, die wappenkundig und mit der Über-
wachung der Wappenführung betraut
waren. Diese übten ihre Kunst anfangs
nur praktisch als Wappenkunst, während
später die Regeln hierüber zusammen-
gefaßt wurden, die sich dann zur Wap-
penkunde, der theoretischen Heraldik,
zusammenschlossen. Die älteste Schrift
über dieses Thema ist wohl jene des
Clement Prinsault aus dem Jahre 1416.
□ Die Geschichte der Wappenkunde
läßt drei Perioden erkennen: 1. Die Zeit,
in der allein der Schild mit seinem Bild
das Wappen darstellt, vom 11. bis
13. Jahrhundert; 2 Die Blütezeit, vom
13. bis 15. Jahrhundert. In diesenTagen
wurden der bemalte Schild und Helm
wirklich getragen (lebendige Heraldik).

3. Die Zeit vom 16. Jahrhundert bis in die Gegenwart,
die Zeit des Verfalls der lebendigen Heraldik. □
□ Schild und Helm sind die wesentlichen Stücke eines
vollständigen Wappens. Die Form dieser Wappen war in
den verschiedenen Zeiten eine mannigfache. Von 1100 bis
1250 ist der gewölbte Schild, von halber Manneshöhe, drei-
eckig. ln der zweiten Hälfte des 13. und im 14. Jahrhundert
sind die Schilde ungefähr 35 cm hoch, 60 cm breit, von
Dreieckform; die Helme, Topfhelme genannt, oben abge-
flacht, werden über die Beckenhaube im Kampf und Turnier
getragen. Im 15. Jahrhundert strecken sich die Schildseiten
zu Geraden und fügen sich unten zu einem Halbkreis zu-
sammen; daneben kommen die auf der Seite zur Einlage
der Lanzen ausgebogenen Stechschilde oder Tartschen in

Ernst Schneckenberg

Kassenraum eines Bankgebäudes
 
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