Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Kunstgewerbeblatt: Vereinsorgan der Kunstgewerbevereine Berlin, Dresden, Düsseldorf, Elberfeld, Frankfurt a. M., Hamburg, Hannover, Karlsruhe I. B., Königsberg i. Preussen, Leipzig, Magdeburg, Pforzheim und Stuttgart — NF 23.1912

DOI Artikel:
Vorwort
DOI Artikel:
Segmiller, Ludwig: Rückblick und Ausschau über Heraldik
DOI Seite / Zitierlink:
https://doi.org/10.11588/diglit.4421#0023

DWork-Logo
Überblick
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext

BERLINER ARCHITEKTUR UND MÖBELKUNST



Hermann Münchhausen, Wohnzimmer der Ausstellung billiger Arbeitermöbel in Berlin

Gebrauch. Der Helm wrde schon im. 14. Jahrhundert zum
Kübelhelm, der bis zu den Schultern reichte; hierauf er-
scheinen die Stechhelme und ab 1420 sehen wir auf Wappen
schon den Kolbenturnierhelm. Diese angeführten Schutz-
waffen gingen in die Heraldik über und zeigen lange die ,
gebrauchsmäßige Gestaltung. Soll also ein Wappen bis
zum 16. Jahrhundert Einheit des Stiles aufweisen, so muß
die Helmform mit jener des Schildes in Übereinstimmung
gebracht werden, wobei erstere wenigstens zwei Dritteile
der Schildhöhe erhalte. Dazu gesellt sich noch die 1
wünschenswerte Harmonie mit der Helmdecke in Form
und Farbe. Vorläufer derselben, flatternde Bänder, welche
unter dem Helm hervorkommen und in Wirklichkeit zur
Befestigung des Kopfschutzes gedient haben, erscheinen
bereits im 13. Jahrhundert. Die Decke selbst schließt sich
im 14. Jahrhundert in reicher Faltung dem jeweiligen Stil
an und bildet von da an den prächtigsten Teil des Wap-
pens. In der Regel sind Außen- und Innenseite (Futter)
von Farbe verschieden und stehen im Ton mit den Schild-
farben in Einklang. Heraldische Farben sind ursprünglich
für Rot Mennig oder Zinnober, für Blau Ultramarin, Ko-
baltblau, für Grün Grünspan, Schweinfurtergrün, fiir Schwarz
Ruß oder Rabenschwarz. Dann treten die Metalle Gold
und Silber, später durch Schwefelgelb und Bleiweiß er-
setzt, und die sogen, natürlichen Farben, wie Braun beim
Hirsch usw. hinzu. Purpur erscheint nur in Spanien als Feld-
farbe. Dabei ist zu beachten, daß Farbe nicht auf Farbe
im Schild, Metall nicht auf Metall zu stehen kommt. In
der Helmdecke befindet sich das Metall meist auf der Innen-
seite. In der Aufnahme der gemeinen Figuren (Darstellungen
in Schild und Helmkleinod), sowie der heraldischen Rang-
und Würdezeichen herrscht mit Ausnahme behördlicher
Wappen große Freiheit. Solcher Art sind die Grundsätze
der lebendigen Heraldik, also jener Zeit bis zum 16. Jahr-
hundert, in der solcher Waffenschutz in Wirklichkeit noch
getragen wurde. Von da ab greift — wie erwähnt —
immer größere Willkür Platz. □
□ Für die Gegenwart könnte nun ein großer Teil des
Bedarfes mit vorhandenen Wappen aus der guten Zeit ge-
deckt werden, da mindestens 50 Prozent deutscher Familien
solche besitzen, welche in den Archiven nachgeschlagen

werden können. Eine andere nicht
unbeträchtliche Abteilung würden die
sogenannten redenden Wappen be-
streiten; einerseits die Illustrierung jdes
Namens, wie: eine Henne auf einem
Berg = Henneberg, andererseits die
Symbole des Standes und Berufes, z. B.
der Hammer auf dem Kunstwappen für
den Kunstgewerbler. — Nun höre ich
fragen: »Welchen Schild soll ich wählen,
welchen Hehn?« In erster Beziehung
ist die Antwort nicht schwer. Wer
die heraldischen Formen nicht heran-
ziehen will, der möge das Oval, den
Kreis, das Quadrat nehmen, die sich
übrigens auch in früheren Jahrhunderten
finden. Was den Helm betrifft, bin ich
derMeinung, daß er, wenn auch schmerz-
lich vermißt, für Neuschöpfungen in
Wegfall kommen müßte, weil er nicht
mehr zum Leben gehört. Da der
Zylinderhut nicht wohl verwendet wer-
den könnte, ergäbe sich ein reich zu
gestaltender Ausweg in künstlerischen
figürlichen Schildhaltern, während zu-
gleich mit ihnen die Helmdecke reizvolle
Aufgaben an unsere Künstler stellen
würde. Also der einwandfreien Lösung heraldischer Wap-
pen in neuzeitlichem Sinne steht nichts im Wege. Fragt
sich nur noch, ob auch für die Bejahung der Bedürfnis-
frage stichhaltige Gründe gefunden werden können. □
□ Zunächst sei festgestellt, daß nicht die Aristokratie
allein das Recht hat Wappen zu führen; denn es gibt
Hunderte von guten Wappen alter Bauern-, Bürger-, Hand-

Hermann Münchhausen, Schrank und Stuhl aus obigem Raum
 
Annotationen