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Kunstgewerbeblatt: Vereinsorgan der Kunstgewerbevereine Berlin, Dresden, Düsseldorf, Elberfeld, Frankfurt a. M., Hamburg, Hannover, Karlsruhe I. B., Königsberg i. Preussen, Leipzig, Magdeburg, Pforzheim und Stuttgart — NF 23.1912

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Schumann, Paul: Dresdner Kunstgewerbe
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https://doi.org/10.11588/diglit.4421#0051

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NEUE ARBEITEN DES DRESDENER KUNSTOE WERBE VEREINS

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gehenden Periode zunächst mit der Industrie gingen
und sich bemühten, vor allem für diese Entwürfe und
Hilfskräfte zu schaffen, sind die neuen Führer auch
wieder und vorzugsweise mit den Kunsthandwerkern
in enge Fühlung getreten. Es wurde der Wert der
Handarbeit, der Technik betont, das Einzelstück wurde
in den Vordergrund gestellt. Es wurden Fachaus-
stellungen veranstaltet und mit diesen Wettbewerbe
verbunden, bei denen sowohl der künstlerische Ent-
wurf wie die saubere solide Technik gewertet wurde.
Im Anschluß an die Vorträge im Kunstgewerbeverein
sprachen sich Künstler und Kunsthandwerker über
grundsätzliche Fragen, über den Ausgleich der gegen-
seitigen Ansprüche usw. aus. Und so vollzog sich
und vollzieht sich der Umschwung im Dresdener
Kunstgewerbe. Die gegenwärtige Bewegung geht
mehr in die Tiefe als früher. Sie wünscht, daß alles
Kunstgewerbe, auch das billige, materialecht und stil-
gerecht in der Form sei, nicht aber die reicheren
Formen und das vornehmere Material nur vortäuschen,
wie es in der voraufgehenden Periode geschah. Für
diese Wahrheit und Echtheit auch bei geringerem
Material bietet die alte Volkskunst bedeutsame Hin-
weise und Anhaltepunkte. Daher die Hochachtung
vor dieser alten Volkskunst, daher ihr bedeutsames
Hervortreten in der Ausstellung von 1906. Auf ein-
zelne Künstler und einzelne kunsthandwerkliche Firmen
hinzuweisen, wird angesichts der Abbildungen und
der erläuternden Unterschriften nicht nötig sein. Auch
der Anspruchsvolle wird kaum etwas vermissen, wird
kaum ein künstlerisches Bedürfnis nennen können, das
nicht vom Dresdener Kunstgewerbe auch in künstle-
risch vornehmer Weise befriedigt werden könnte, von
vollständigen Wohnungseinrichtungen an mit allem
und jedem Zubehör bis zum kleinsten Schmuck-
gegenstand. Sollen wir einzelne Spezialitäten nennen,

so sei daran erinnert, daß z. B. die moderne Dresdener
Lüsterfabrikation schon seit Jahren einen Weltruf ge-
nießt und daß auch die Dresdener Möbelfabrikation
ihren Kundenkreis bis weit ins Ausland hinein zu
erweitern gewußt hat. Die Meißner Porzellanmanu-
faktur hat in den letzten Jahren einen neuen ganz
unverkennbaren Aufschwung genommen, der ihr zu
den alten Freunden neue hinzugewinnt, ebenso die
Goldschmiedekunst. Neue Techniken, wie das Metall-
treiben im Kleinen und die Gessoarbeit, haben sich
aufgetan. Das moderne Eigenkleid hat in Dresden
entschiedene Vertreter und Vertreterinnen gefunden,
deren Geschmack bei festlichen Gelegenheiten Be-
wunderung erregt. Die Buchbindekunst, der Plakat-
druck, der Metallguß, die Glas- und die Porzellan-
malerei und manche andere Zweige des Kunstgewerbes
haben in Dresden Vertreter ersten Ranges; und daß
der neue Geist des Dresdener Kunstgewerbes auch
schon weitere Kreise gezogen hat, davon zeugt z. B.
die Keramik auf den Jahrmärkten, die heute ein ganz
anderes, weit befriedigenderes Bild zeigt, als etwa
vor zehn Jahren. a
o Erfreulicherweise hat auch das Publikum mit diesem
Aufschwung einigermaßen Schritt gehalten. Staatliche
und städtische Behörden sind sich der hohen Pflicht,
das Kunstgewerbe zu stützen, voll bewußt gewesen.
Einen Höhepunkt in dieser Hinsicht bedeutete die
Vollendung des neuen Rathauses, die dem Dresdener
Kunstgewerbe eine Fülle von Aufträgen auf Einzel-
kunstwerke und teilweise auch vornehme Massen-
erzeugnisse gebracht hat. Aber auch an Einzel-
bestellern hat es keineswegs gefehlt, und so ist in
den letzten Jahren manch vornehmes Stück entstanden,
das gleich den kostbaren Erzeugnissen des alten Kunst-
gewerbes dauernden Wert bringt und einst von dem
Kunstgewerbe unserer Tage zeugen wird. □
 
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