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Kunstgewerbeblatt: Vereinsorgan der Kunstgewerbevereine Berlin, Dresden, Düsseldorf, Elberfeld, Frankfurt a. M., Hamburg, Hannover, Karlsruhe I. B., Königsberg i. Preussen, Leipzig, Magdeburg, Pforzheim und Stuttgart — NF 23.1912

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Segmiller, Ludwig: Randglossen zum letzten Bijouteriewettbewerb
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https://doi.org/10.11588/diglit.4421#0061

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WIENER SERAPIS-FAYENCEN

KA
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Klaus, Galle und Staudigl, Serapis-Fayencen, ausgeführt durch Ernst Wahliß in Wien

Qeschmacksregung, sei sie gut oder schlecht, einzugehen
hat. Dadurch wird manche künstlerische Eigenart schon
im Entstehen erdrückt, während sie in Städten wie München,
Wien, Stuttgart usw., in denen die Gold- und Silberschmiede-
kunst mehr kunsthandwerklich betrieben wird, so weit als
möglich Förderung erfährt und sich alsdann auf dieser
Basis selbständig weiter zu entwickeln vermag. Einen
weiteren unheilvollen Einfluß übt das Schaffen für den
Export, der den größten Teil des Umsatzes ausmacht.
Durch diese Türe schleichen sich gerne Imitationen histo-
rischer Stile, krasser Naturalismus, Kunstformen franzö-
sischer Vorbilder in den deutschen Schmuck ein, indem,
was für das Ausland »gut« ist, auch auf die engere Heimat
übertragen wird. Die noch gänzlich von Paris abhängige
Kostümmode unterstützt dieses Vorgehen und beunruhigt
die künstlerische Entwicklung durch ihren steten Wechsel.
Auf diese Weise entstehen dann aus verschiedenen Motiven
zusammengetragene technisch einwandfreie, kaufmännisch
gut zu vertreibende Entwürfe, die uns aber nichts zu sagen
haben. Das ist jene Art von Schmuck, durch welche es
gelungen ist, den Weltmarkt zu erobern. Zweifellos schafft
sie bedeutende wirtschaftliche Werte. Vom künstlerischen,
besonders vom national empfindenden Standpunkt aus muß
es aber bedauert werden, daß gerade die Bijouterie, die
für alle sozialen Schichten arbeitet, noch immer nicht die
Quelle geworden ist, aus der die Masse Geschmackswerte
schöpfen könnte. Dieses Ziel sollte wenigstens für den
deutschen Markt erstrebt werden. Was will es für die
Hebung des allgemeinen Geschmackes bedeuten, wenn in
Berlin oder München in feinen Kreisen hie und da ein ge-
diegenes Schmuckstück, das als Einzelarbeit in irgend ei-
nem kunstgewerblichen Atelier entstanden ist, getragen
wird! Gerade die mittlere und billige Ware, die in Tau-
senden von Stücken in alle Volksschichten dringt, müßte
zur Vermittlerin guter moderner Kunst erhoben werden.
Der Tiefstand der gegenwärtigen Geschmacksbildung
kann durch nichts besser ermessen werden, als durch das,
was heute alles in der Bijouterie gekauft wird! Wieviel
ist schon darüber geschrieben worden! Meiner Ansicht
nach wurde jedoch durch diese ehrlich gemeinte Schrift-
weisheit meist das Pferd von rückwärts gezäumt. Vor
allen Dingen dürfen wir uns nicht verhehlen, daß hier eine
jener schwierigen Aufgaben für die ästhetische Erziehung
vorliegt, welche wegen ihrer großen Interessengegensätze
kaum lösbar erscheinen. Der Raumkunst z. B. standen
ebenfalls schier unüberwindliche Hindernisse entgegen.
Trotzdem war die Aufgabe leichter zu bewältigen. Diese
Industrie arbeitet wenig für das Ausland; aus diesem
_ Grunde blieb das Haus wenigstens
von ausländischen Kunstseuchen be-
freit. Die Möbelkunst ist ferner keine
Saisonindustrie und hängt nicht eng
mit einer der französischen Hauptstadt
als Abgott dienenden Kostümmode
zusammen. Sie ist endlich weniger
feminin und deshalb kaum allzusehr
zu beeinflussen. Solche Fragen lösen
aber nicht die Helden der Feder, ein
Mann der Tat vollbringt hier mehr
als alle Ästheten zusammen. Was
nützen die schönen Predigten an die
Fabrikanten, deren Arbeit eine Folge-
erscheinung ist? Mancher von ihnen
ist in einer Anwandlung ästhetischen
Heldentums zugrunde gegangen, weil
er gegen den Strom schwamm. Wenn
wir andere Strömungen erzielen wollen,
müssen wir den Lauf an der Quelle
 
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